Afghanistan Horsegirl. Norbert F. Schaaf
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Afghanistan Horsegirl - Norbert F. Schaaf страница 10
„Wie kommst du darauf?“ wollte Aliz wissen. „Das musst du mir erklären.“
Hermann hob eine Augenbraue. Aha, dachte er, da will der des Lesens Unkundige meine Berechtigungskarte checken. „Du bist als Wächter für die Sicherheit der Leute zuständig und bildest meist die Nachhut. Da willst du nicht gerne von den falschen Augen erspäht werden und trägst Kleidung in den Farben der Felsen – wie dein Hengst. Wie heißt er?“
„Jahil“, antwortete Aliz mit Stolz in der Stimme. „Er ist das schnellste und wendigste Pferd in ganz Nordafghanistan.“
„Das glaube ich dir, Aliz“, sagte Hermann lächelnd. „Ein feuriger Steppenhengst für einen kühnen Steppenreiter.“
„Warum lächelst du so?“ fragte Aliz zweiflerisch mit gehobener Stimme, sodass die Pferde die Köpfe hoch empor reckten und wachsam herschauten.
„Jahil ist vor kurzem scharf geritten worden“, erklärte Hermann, wobei er seinen Blick zwischen dem Hengst und Aliz hin und her schweifen ließ. „Du musst es sehr eilig gehabt haben. Bist du von etwas davon geritten oder wolltest du schnell irgendwohin kommen? Oder was hat dich gehetzt?“
„Ich lasse mich nicht hetzen“, versetzte Aliz rasch und heftig, „von nichts und niemandem. Nicht mal von Dämonen.“
„Du hast Jahil gehetzt“, sagte Hermann fest. „So wie sie dich gehetzt haben?“
„Was redest du da? Niemand ist gehetzt worden, weder Jahil noch ich.“
„Du hast Jahil durchs Unterholz gehetzt“, behauptete Hermann, „oder er hat Peitschenschläge zu spüren bekommen. Du siehst nicht aus wie einer, der das Pferd schlägt, das ihm wert und teuer ist.“
„Du weißt gar nichts, Fremder.“
„Ich weiß, dass dein Hengst ein wenig lahmt. Was ist passiert? Ist Jahil gestürzt oder hat er sich im Sprung die linke Vorderhand angeschlagen?“
„Es ist nichts. Jahil hat sich vielleicht den Huf ein wenig vertreten. Der Weg ist manchmal ziemlich schief und recht schmal.“
„Er hat außer den Kratzern an den Augen und am Maul auch eine Schwellung am oberen Schienbein, die nicht gut aussieht.“
„Die ist frisch. Hat ihm der große Braune da drüben versetzt. Letzte Nacht. – Wie kommt es, dass du etwas von Pferden verstehst, German? Ich denke, du bist Ingenieur.“
„In diesem Land muss man etwas verstehen von allen Fortbewegungsmitteln. Wenn man weg muss oder wenn man irgendwohin will.“
„Ich will nirgendwohin“, sagte Aliz mürrisch. „Und ich lasse mich nicht hetzen. Von niemandem, hörst du? Mit welcher Berechtigung kommst du Fremder hierher und sagst mir, was ich zu tun habe?“
Der junge Mensch ist kompliziert, dachte Hermann, eigentlich immer eine reizvolle Herausforderung für mich – wenn er eine Frau wäre. „Tue ich das?“ fragte er herausfordernd. „Mit keinem Wort habe ich derartiges gesagt.“
„Aber gedacht! Ihr Fremden denkt, dass ihr alles besser wisst, und dass wir tun sollen, was ihr für richtig haltet.“
Die Männer standen nun alle um den Pferch herum und schauten auf den fahlgelben Hengst, auf dessen Fell Schatten- und Lichtreflexe spielten und die scheckigen Flecken vervielfachten.
„Ich bin hier, um zu helfen“, sagte Hermann, „meine Hilfsorganisation schickt mich im Lande herum, wo immer es etwas zu tun gibt. Die Leute sagen mir, was sie benötigen, und ich führe es aus, wie sie es haben wollen. Zuletzt hat man mir gesagt, ich solle diese Seilbrücke instandsetzen, benutzbar für Maultiere und ihre Führer. Wenn ich Hilfe brauche, bitte ich darum. Gewiss bin ich ein Fremder hier, ich habe mir nicht ausgesucht, wo ich geboren wurde, und in meinem Land halten sich afghanische Landsleute auf, dort sind sie die Fremden.“
„Sie sollten lieber hier sein“, sagte Aliz bitter, „und mithelfen, das Land aufzubauen und zu modernisieren.“
„Sie werden hier verfolgt und mit Gefängnis oder gar Tod bedroht, deswegen sind sie geflüchtet.“
„Alle können sie uns nicht verfolgen und ins Gefängnis sperren oder töten. Wenn alle zusammenhalten würden, hätten wir die Macht und nicht die anderen.“
Hermann sah die Männer lebhaft zustimmen. Aliz ist kein schlechter Kerl, dachte er, im Gegenteil, alle sind sie gute Kerle. Sie sind in Ordnung, und so sind es prächtige Kerle. Es gibt kaum Ihresgleichen, wenn sie gut sind und in Ordnung. Wenn sie aber spielen wie beim Buskashi, dann gibt es keine schlimmeren Kerle als sie, das kann jedermann leicht erkennen. Sie haben die besten Pferde der Welt, aber stehen sich selbst im Wege. Sie sind mal wie Schakale, die vom Wolfsrudel gehetzt werden, mal wie Schakale die einen Wolf hetzen. Wölfe sind sie nicht. Wölfe werden ausgerottet.
Er sieht nicht nur gut aus, für einen Ausländer, dachte der junge Mensch, der sich Aliz nennen ließ, er ist auch charakterfest und lässt sich nicht einschüchtern. Die Menschen sind alle gleich auf der Erde, hier oder anderswo, bei den Paschtunen, Hasaras, Tadschiken, Usbeken oder bei den Briten, Russen, Amerikanern oder den Deutschen oder irgendwelchen anderen Völkern, da gibt es gute und schlechte, mehr oder weniger talentierte, faule und fleißige, schwache und starke, friedliche und aggressive, alle sind sie Menschen, jeder wie er ist mit der gleichen Lebensberechtigung, und jeder Mensch besitzt seinen ganz einzigartigen Charakter. Aber doch sind manche einem sofort sympathisch, viele mehr oder weniger gleichgültig, ein paar sogleich unsympathisch. Dieser Deutsche, den sie German nennen, ist mir sympathisch, sehr sympathisch. Er könnte beinahe einer dieser verehrungswürdigen Albinos sein, mit seinen hellen Augen und Haaren, denen Allah die normalen Farbpigmente genommen, dafür jedoch außergewöhnlichen Verstand gegeben hat.
„Ich habe Hunger“, sagte einer der Männer, die anderen aus ihren Gedanken reißend. „Gehen wir hinein essen.“
Mit beifälligem Gemurmel folgten ihm die Männer unter den Blicken der neugierigen Pferde.
Nur Haschem und Hermann blieben zurück, um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Sie stiegen mit dem Sattelitenfunkgerät der neuen Kameraden auf die nächste Anhöhe und versuchten Kontakt mit ihrer Einsatzzentrale aufzunehmen. Nach mehreren Versuchen meldete sich zwar eine Stimme, schwer verständlich in abgehackten Lauten, doch sie wurden falsch weitervermittelt, und dann waren plötzlich die Akkus leer und damit jede Verbindung zu den Ihren im Norden abgerissen. In ihr Schicksal ergeben und unverdrossen kletterten sie den Felshang hinunter, um sich zunächst der Gruppe um Aliz anzuschließen.
Das kann ja heiter werden, dachte Hermann. Hoffentlich sind die Männer nicht nur in Ordnung und gute Kerle, sondern auch heitere Menschen. Gute Menschen sind immer heiter, heiter und musikalisch. Ich werde schon mit ihnen zurechtkommen, schließlich bin ich Brückenbauer, sogar mit dem jungen Menschen in seiner weichen Schale mit dem harten Kern. Ein eigenartiger Mensch. Er wirkt ein wenig androgyn, mit einer Spur mehr femininen Zügen als maskulinen. Doch das liegt wohl an seiner Jugend. Wie alt er sein mag? Der Menschenschlag hier ist altersmäßig schwer einzuschätzen. Die jungen Männer wirken bereits mit vierzehn, fünfzehn Jahren sehr erwachsen. Da muss Aliz noch sehr jung sein und ein Spätentwickler dazu.
Hermann hielt inne. Was machst du dir da bloß für Gedanken, schalt er sich, hör jetzt auf zu denken. Wenn das so einfach wäre, war sein nächster Gedanke, Gedanken macht man sich nicht, Gedanken kommen und gehen, sie schießen einem durch den Kopf, ob man will oder nicht. Nur wenig kann