Der geheime Pfad von Cholula. Michael Hamberger

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Der geheime Pfad von Cholula - Michael Hamberger

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leiden. Der Mann drehte sich wieder um. Dabei fiel sein Blick auf Laylas Knie. Layla zuckte zusammen, aber der Mann reagierte nicht. Sein Singsang und der Tanz hatten ihn in eine Art Trance befördert. Er nahm anscheinend gar nichts mehr war, außer dem Ziegenbock, seinem Messer und dem Gesang. Abrupt beendete er diesen Gesang und murmelte einige Worte in dieser gutturalen Sprache. Dabei begann er erst sehr leise, wurde aber mit jedem Schritt, den er auf den Ziegenbock zuging, immer lauter. Das Tier begann wieder mit seinen Hörnern nach ihm zu stoßen, fing sich aber nur einen weiteren Faustschlag ein, bevor der Mann das Messer schwang und ihm mit einem einzigen Schnitt die Kehle durchtrennte. Blut spritze aus der Wunde. Der Mann wurde davon getroffen, es schien ihn aber nicht zu kümmern. Ganz im Gegenteil. Entzückt lachte er auf und stürzte sich auf den sterbenden Ziegenbock. Es verbiss sich regelrecht in der immer noch heftig blutenden Kehle. Das Tier versuchte nochmals, sich aufzubäumen, war dazu aber zu schwach. Es verendete, während der Mann ihn immer noch in einer pervers anmutenden Umarmung umschlang. Als sie letzten Zuckungen des gequälten Tieres abklangen, ließ der Mann los. Er war von unten bis oben blutbesudelt. Wie im Gebet mit feierlich erhobenen Armen, stand er vor dem Kadaver. Layla spürte den Krampf in ihrem Hintern wieder, den sie bei der grausamen Zeremonie ganz vergessen hatte. Sie würde es nur noch Sekunden aushalten können. Plötzlich drehte der Mann den Kopf und sah Layla direkt an. Er begann zu lachen und hob wieder sein Messer hoch. Klaustrophobisch versuchte Layla sich zu befreien, aber ihre Muskeln verweigerten ihr den Dienst. Der Mann kam schnell näher. Layla schrie in Panik auf, während es ihr immer noch nicht gelingen wollte, ihren verdrehten, steifen Körper aus der viel zu engen Nische herauszuwinden. Gerade als er mit der freien Hand Layla greifen wollte, öffnete sich explosionsartig die Hintertüre. Die Türe knallte dem Mann mit voller Wucht an den Kopf und warf ihn zurück. Mit einem Sprung war Daniel über ihm und schlug ihm ein großes, massives Holzbrett an den Kopf. Layla konnte hören, wie dabei der Schädelknochen brach. Der Mann blieb bewegungslos liegen. Daniel schaute ihn geschockt an und warf das Holzbrett von sich, das mit einem lauten Knallen zu Boden fiel. Dann übergab sich Daniel. Mittlerweile war es Layla letztendlich doch gelungen, aus ihrem Versteck heraus zu kriechen. Sie war immer noch am ganzen Körper taub, nur in ihrem Hintern, da schienen einhundert Messer von der Größe, wie sie der Mann benützt hatte, zu wüten. Sie legte Daniel die Hand auf die Schulter. Der zuckte zusammen und schluchzte.

      „Ich habe ihn umgebracht!“

      „Nur lass uns doch erstmal kontrollieren, ob er wirklich tot ist und wenn es so ist, dann war es ganz klar Notwehr. Der Kerl hätte mich in Scheiben geschnitten!“

      Layla ging zu dem Mann und suchte an der Halsschlagader einen Puls. Tatsächlich. Sie konnte einen schwachen Puls spüren. Ob er jedoch auch wirklich überleben würde, dass wusste Layla natürlich nicht.

      Daniel zitterte immer noch unkontrolliert und sah Layla mit schockgeweiteten Augen an. Um ihn zu beruhigen, sagte Layla.

      „Er lebt. Mann, muss der eine harte Birne haben!“

      Daniel sah sie immer noch ungläubig an, sah aber schon wesentlich ruhiger aus. Layla sah sich im Raum um. Tatsächlich. Der hintere Teil der Kirche war durch eine nachträgliche eingebaute Wand von der kleinen Kammer, in der sie standen, abgetrennt. Die Kammer war bis auf den Pfahl, vor dem der bedauernswerte Ziegenbock in seinem Blut lag, total leer. Laylas Versteck war gar keine Nische gewesen, sondern war ein einfach ein Teil der nachtäglich eingezogenen Wand, der zu bröckeln begann und bei dem einige Steine fehlten. Der hintere Teil ihrer Nische war dann auch keine Mauer, sondern wie sich später herausstellte ein massiver Holzschrank.

      Layla ging an der Wand entlang, besorgt darauf achtend, weder dem verletzten Mann, noch den toten Ziegenbock anzusehen. Genau am anderen äußersten Ende der Wand, neben dem Eingang, zu welchem der Mann die Kammer betreten hatte, war eine Tür.

      Die Türe war sehr niedrig. Selbst Layla musste sich bücken, um einzutreten. „So stellt man sicher, dass die Leute nur mit gebeugtem Haupt eintreten“ dachte Layla. Ihr war schon lange klar geworden, dass dies keine Holz- oder Möbelgeschäft, sondern der getarnte Tempel einer Sekte war, die hier blasphemischen Rituale durchführte. Layla betrat den Hauptraum und blieb wie angewurzelt stehen. Geschockt rief sie nach Daniel.

      Der Raum war hell erleuchtet. Wahrscheinlich hatte der Mann, als er den Schalter für das Licht im Nebenraum umlegte, auch hier im Hauptraum die Lampen erleuchtet. Layla stand von einem Altar aus geschliffenem Onyx. Der musste ein Vermögen gekostet haben. Auf dem Altar lagen ein toter Hund und ein totes Schaf. Beiden war die Kehle durchschnitten worden. Layla weigerte sich nachzusehen, ob auch diesen armen Kreaturen ebenfalls die Hoden abgeschnitten worden waren. Daher kam also der bestialische Gestank nach Verwesung! Die Wände des Raumes waren in einer rostroten Farbe gestaltet, wobei sich Layla der Gedanke aufdrängte, es könnte auch etwas andere, als Farbe sein, mit der die Wände gestrichen worden waren. Seltsam war, dass trotz des Gestankes der verwesenden Tiere nicht eine einzige Fliege im Raum zu sehen war. Normalerweise müssten doch Millionen dieser lästigen Insekten im Raum herumschwirren. Warum ließen sie sich solch ein Fastmahl entgehen?

      Im Raum waren keine Bänke, nicht einmal ein einsamer Stuhl. Die Zeremonien wurden also im Stehen durchgeführt. Oder die Leute tanzten sich dabei in Trance, wie der Mann, der jetzt röchelnd im Nebenraum lag.

      Trotz des Ekels, der ihr fast die Fähigkeit nahm, zu atmen, trat Layla ein, dicht gefolgt von Daniel, der ebenfalls scharf einatmete, als er sich umschauen konnte.

      Im Raum war ansonsten nicht eine einzige Verzierung zu sehen, keine Statue, kein Symbol des Glaubens. Layla drehte sich um, um sich den Altar genauer zu betrachten und als sie die Wand hinter dem Altar erblickte, zog es ihr fast die Füße unter dem Hintern weg. Zentral genau hinter dem Altar war genau dasselbe Abbild, das ihr Peter vor einigen Stunden per MMS auf ihr Handy gesandt hatte, nur natürlich wesentlich größer. Es schien fast die gesamte freie Fläche der Wand einzunehmen. Die Bestie! In dieser Größe war das Bild noch viel eindrücklicher und Furcht einflößender. Fast schien es lebendig. Layla hatte das Gefühl, die Bestie würde sie durch das Bild hindurch ansehen und müsste jeden Moment aus dem Rahmen springen, um sie anzufallen. Daniel hatte das Bild ebenfalls bemerkt und fragte mit angewiderter Stimme:

      „Um Gottes Willen, was ist denn das? Es sieht aus, als wäre das Bild direkt in der Hölle gemalt worden!“

      „Es ist ein Werwolf!“

      Daniels Augen weiteten sich. Er setzte zu einer Antwort an, schien aber dann doch nicht die richtigen Worte zu finden. Deshalb sagte er erst einmal gar nichts. Ihm als Vollblutmexikaner schien es leichter zu fallen, diese Erklärung zu akzeptieren, als es bei Layla anfänglich der Fall gewesen war. Im Grunde genommen waren die Mexikaner nicht nur sehr gläubig, sondern oft auch etwas abergläubig.

      Layla riss ihren Blick von der Bestie los und sah sich weiter im Raum um. Der Raum schien ansonsten wirklich völlig leer zu sein, nur eben vor ihrer Nische, da war dieser massive Schrank. Layla ging hin, öffnete die Türen und hätte sich fast übergeben. Wenn es schon in dem ganzen Gebäude – Layla weigert sich, es „Kirche“ zu nennen –, wenn es hier schon stank, dass einem der Atem verging, dann war das gar nichts gegen die Pest, die Layla aus dem Schrank entgegenwehte. Dort waren in drei regalähnlichen Unterteilungen kleinen Schälchen ausgestellt, jedes gefüllt mit einem blutigen Fleischbrocken. Aus dem Biologieunterricht meinte Layla sich zu erinnern, dass es sich dabei um Herzen handeln musste.

      Das wollte Layla jetzt doch genauer wissen. Sie ging zu den geopferten Tieren. Die Hoden waren denen zwar erwartungsgemäß tatsächlich abgeschnitten worden, aber die Brust schien unberührt. Wem gehörten dann diese Herzen? Layla ging zurück zum Schrank und was ihr dann als erstes auffiel, war, dass alle Herzen in etwa die gleiche Größe und die gleiche Form aufwiesen. Konnte es sein, nein, dass wäre dann doch zu grausam und sprengte Laylas Vorstellungsvermögen, aber konnte es nicht doch sein, dass es sich dabei um menschliche Herzen handelte? Jetzt konnte Layla ihren Mageninhalt

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