Die Bärin Roman. Wilhelm Thöring

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Bärin Roman - Wilhelm Thöring страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Bärin  Roman - Wilhelm Thöring

Скачать книгу

      Alle Soldaten sind freundlich und höflich zu den Frauen, und nach wenigen Tagen haben die ihre Zurückhaltung den Soldaten gegenüber aufgegeben. Ursula fällt es schwer, in diesen Männern Feinde zu sehen. Endlich beginnen sie etwas Gescheites, nachdem sie vor Monaten noch Bomben herbeigeschafft haben. Solche Bulldozer, wie sie hier eingesetzt werden, die schaffen in einer Stunde mehr als hundert Arme in einer Woche, wundert sie sich. Ehe man sich’s versieht, sind etliche Meter Schutt beiseitegeräumt und die Straße ist sauber; da braucht nur mit dem Reisigbesen nachgegangen zu werden.

      Eines Tages kommt Ursula aufgebracht nach oben, nachdem sie vor der eigenen Tür ein wenig Schutt beiseitegeschafft hat. „Geh einmal auf den Balkon, Mutter, und guck dir das an!“

      „Na, was gibt’s denn, das ich mir ansehen soll?“

      Die Tochter reißt die Balkontür auf und die Mutter lehnt sich vorsichtig über die Verkleidung. „Ich sehe nichts.“

      „Nichts? Sieh dir den Bulldozer mit dem Schwarzen an. Da drüben! Der Schwarze hat Hilfe bekommen! Und was für welche!“

      Die Großmutter sieht Rosi Vederle ausgelassen neben dem schwarzen Soldaten auf dem Bulldozer sitzen, mit wehenden Haaren und einer Zigarette im Mundwinkel, sie ist leuchtend geschminkt und sehr darauf bedacht, ringsum wahrgenommen zu werden. Und als sie Emma Straeten auf ihrem Balkon entdeckt, winkt sie ihr fröhlich zu. „Was hast du von der erwartet?“ fragt sie die Tochter. „Dass die wie eine läufige Hündin um die Soldaten scharwenzelt, das habe ich schon lange bemerkt. Ihr hustendes und verrotztes Blag lässt sie in einem Kellerloch zurück, dass es wie ein Nachtschattengewächs aussieht – aber sie macht Schönwetter bei den Soldaten! Raucht und lässt sich wohl Schokolade schenken... Was ich dir sage, Urschel: Sie werden ihr noch etwas anderes schenken! Etwas, für das sie Windeln waschen muss!“ Und damit wendet sie sich ab und kehrt in die Küche zurück. Beim Mittagessen sagt sie zum Vater, sie habe das Gefühl, durch den Krieg sei jegliche Ordnung zerstört worden. Die Häuser lassen sich wieder aufbauen, ob es aber möglich sei, die Ordnung in den Menschen, in ihren Herzen und Köpfen wiederherzustellen, daran habe sie große Zweifel. Es gebe keine Zucht, keine Regeln mehr. Jeder mache, was ihm gerade in den Sinn komme. Schamlosigkeit bleibe Schamlosigkeit, so wie Diebstahl und Mord das bleiben, was sie sind.

      Schweigend hat der Vater sie reden lassen. Er sitzt über seinem Teller und blickt nicht auf. Und als sie mit ihren Belehrungen zu Ende ist, starrt er auf seinen Löffel und sagt: „Du hast ja recht, Mutter: Totschlag und Mord, das sind große Sünden. Einem anderen etwas aus den Händen zu reißen und damit wegzulaufen, ist auch eine Sünde für den, der nicht um sein Überleben kämpft. Wer bestraft werden muss, der soll seine Strafe bekommen. Weißt du, Mutter, dann habe ich auch Sünden auf mich geladen und habe Bestrafung verdient: Ich habe, damit wir leben können, Möbel und vieles andere aus fremden Wohnungen weggetragen. Ist das kein Diebstahl?“

      Die Großmutter ist verdutzt. Ihr fällt nichts ein, sie weiß nicht, was sie ihm darauf entgegnen soll und legt den Löffel hin. Ja, sie schiebt sogar ihren Teller in die Tischmitte, wie ein Kind, das satt oder trotzig ist. Ein wenig triumphierend verzieht der Vater die Mundwinkel zu einem Lächeln. Er sagt: „Beruhige dich, Mutter. Zu dem, was heute üblich ist, hat ein katholischer Bischof Verständnis gezeigt und es zugelassen...“

      „Ich bin nicht katholisch“, sagt die Mutter.

      Der Vater lacht. „Nein, das bist du nicht. Aber wenn die Kirche ein weites Herz zeigt, dann sollten wir auch ein...“

      „Für Schamlosigkeit, für Laster wird sie kein weites Herz haben“, unterbricht die Großmutter ihn. „Vater, wenn ein Weibsbild einem Neger auf den Schoß kriecht, und die Kinder stehen dabei und gucken zu – für so etwas kann niemand Verständnis haben, auch kein noch so weitherziger Bischof! Woher sollen die Kinder lernen, was man tut oder lässt, was man sagt oder wann man den Mund hält, wenn nicht von den Eltern! Was sind das für Vorbilder? Geh nur auf den Balkon und sieh es dir an...“

      „Lass sie. Sie muss das mit sich selbst abmachen.“

      Stumm beenden sie die Mahlzeit. Und als sich einmal die Blicke von Mutter und Tochter treffen, zwinkert die Tochter ihr zu: Da hast du recht, das geht zu weit!

      Der Vater ist wieder gegangen, die Frauen stehen beim Abwasch. Die Mutter fragt: „Weißt du, wo die Vederle ihr Kind versteckt?“

      „Wo? Ich denke, in ihrer Wohnung.“

      „Da hockt das arme Wurm tagelang in diesem Loch, während die Mutter sich vergnügt...“

      „Vielleicht ist sie deshalb bei den Amerikanern, weil die ihr Brot zustecken oder Fleisch und Süßigkeiten für ihr Kind.“

      Das mag die Mutter nicht glauben. „Die verschenken doch nichts“, weiß sie.

      „Dem Wolfgang und dem Achim haben sie auch Schokolade gegeben.“

      „Was haben die? Und du hast das zugelassen?“

      „Ich war nicht dabei. Die Jungen sagen, die Soldaten haben sie herangewinkt, haben ihnen befohlen, sich in einer Reihe aufzustellen, den rechten Arm zu heben und ‚Heil Hitler’ zu rufen. Und darüber, sagen sie, hätten die Soldaten sich totgelacht. Und zur Belohnung für diesen Spaß bekam jeder ein Stück Schokolade und Kaugummi.“

      Über diese Geschichte vergisst die Großmutter, die Teller abzuwaschen. Beide Hände hat sie im Spülwasser, und den Kopf zur Seite geneigt, betrachtet sie ungläubig die Tochter: „Ach, das sagen die Jungen... Heil Hitler – ich glaube das nicht!“

      „Sie waren nicht allein, Mutter. Eine ganze Horde hat antreten müssen.“

      „Ob unsere Soldaten das in Russland auch getan haben? Der Bruno?“

      „Damals war Krieg, Mutter. Und wie hätten die den Kindern Schokolade geben sollen? Die hatten nicht einmal Brot.“

      Den Besatzungssoldaten auf ihren Bulldozern traut die Großmutter so etwas nicht zu, aber sie findet Gefallen an dem Gedanken, dass der Bruno, dass deutsche Soldaten an russische Kinder Lebensmittel verteilt haben. Nach einer geraumen Weile meint sie: „Der Bruno, Urschel, der Bruno hat so etwas ganz bestimmt getan...“ Und es sieht so aus, als wollte ihr Kinn wieder zu zittern anfangen.

      In der folgenden Zeit sieht man immer mehr Frauen bei den Besatzungssoldaten auf den Bulldozern, und es ist bald niemand mehr da, der sich noch lauthals darüber empört.

      „Mutter, ich glaube, ich habe einen wichtigen Menschen kennengelernt“, verkündet der Vater. Er reibt seine rauen Hände, dass es klingt, als reibe er Schmirgelpapier aneinander. Selbst jetzt trägt er seinen steifen Hut. Was ihn gegen Kälte schütze, hat er der Mutter geantwortet, die ihm riet, diese Angströhre in den Schrank zu legen, das schütze ihn auch gegen Hitze, vor allem gegen eine gnadenlose Sonne, wie sie zur Zeit am Himmel stehe. Und etwas anderes habe er nicht zum Schutz für seinen Kopf.

      „So? Und wer ist dieser wichtige Mensch?“

      „Alois Grabenthin, ein Werkskalfaktor.“

      Die Mutter kichert: „Werkskalfaktor... In welchem Werk ist der Grabenthin Kalfaktor?“

      „In der Eisengießerei.

      „Kalfaktor? Was hat der denn zu tun? Die arbeiten doch gar nicht mehr, heißt es. Haben die Alliierten nicht alles abgebaut und fortgeschleppt?“

      „Für einen Menschen wie Grabenthin

Скачать книгу