Die Bärin Roman. Wilhelm Thöring

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Die Bärin  Roman - Wilhelm Thöring

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geordneten Verhältnissen leben, sagt Pastor Mildenberg.

      Auf den Trümmerbergen versuchen Frauen, die Kriegsspuren zu beseitigen. Schmale Schienen sind gelegt worden, und in Loren wird der Schutt fortgeschafft. Andere hocken dazwischen und putzen Steine, das Klirren und Knirschen ihrer Beile und Hämmer geht von früh bis in den späten Abend und ist zur Melodie eines neuen Beginns geworden.

      Auch Ursula Andreae reinigt Steine. Ihre Hände sind rau und rissig geworden, und wenn sie jemandem die Hand gibt, dann spürt er eine derbe Männerhand. Anfangs ging sie krumm, und sie musste sich aufstützen, wenn sie sich erhob. Jetzt ist sie flink und behände, als hätte sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes gemacht als Steine geputzt. Ab und zu steht der Vater bei ihr und berichtet, was er auf seinen Touren gesehen oder erlebt hat. Ihn scheint der Schwarzmarkt zu locken, der im Stadtviertel einen Aufschwung erlebt, dass mancher an nichts anderes denkt als daran, wie er daraus Nutzen ziehen kann. An diesen Orten bekomme man beinahe alles, wonach einem der Sinn stehe, weiß er zu berichten, aber nur, wenn man etwas dagegen zu bieten habe, das einen entsprechenden, oft einen weitaus höheren Gegenwert habe.

      „Willst du da mitmischen?“ fragte die Tochter ihn einmal.

      „Ich bin doch nicht verrückt und lass mich auf meine alten Tage einsperren! Wen die schnappen, mit dem gehen sie ganz schön rüde um! Ne, Urschel, ich bleibe bei meinen Touren. Damit geht’s uns doch nicht schlecht, oder?“

      Nein, schlecht geht’s ihnen nicht, aber gut... Sicher, mancher lebt elendiger als sie und weiß nicht, wie er den Tag überstehen soll oder ob er das nächste Wochenende noch erleben wird. Da sind sie besser dran! Sie haben nicht nur Kaninchen auf dem Balkon, sondern seit einem Monat auch fünf Legehennen. Der Vater hat mit dem Bruno den Balkon so verkleidet, dass die Verschläge für die Tiere von der Straße aus nicht zu sehen sind. Am Luisenpark haben sie einem alten Mann, der seine Hühner in der dritten Etage eines zerbombten Hauses versteckt hielt, alle Hennen gestohlen. Als er die Tiere füttern wollte, da lagen nur noch deren Köpfe im Stall. Vom Bulgaren Nikolai Wasow, der sich zwei Häuser weiter in einer Parterrewohnung eingerichtet hat, wird erzählt, dass der im Bad in der oberen Wohnung ein Schwein hält! Und Abend für Abend steigt er hinauf, um vor der Tür seines Schweinestalls zu schlafen, damit ihm niemand diese Kostbarkeit klauen kann. Es heißt auch, er habe immer ein langes Fleischermesser bei sich, und seine Frau Mascha schlafe, statt mit ihrem Nikolai, mit einem Beil im Bett.

      „Ja, es geht aufwärts“, sagt jetzt auch die Großmutter, wenn jemand sie nach ihrem Ergehen fragt. „Du lieber Himmel, man mag gar nicht daran denken, wie es im Frühjahr noch gewesen ist, als wir im Irrenhaus und später im Keller gehaust haben! Da sieht es heute doch anders aus! Eine trockene und warme Stube, in der es schön ist zu sitzen, fließendes Wasser... Doch das Beste ist, dass es keine Sirenen mehr gibt, die uns in den Bunker scheuchen und auch keine Bomben über dem Kopf, stattdessen Nachtruhe und sicheres Schlafen... Was will man mehr! Ja, und der Sohn ist aus dem Krieg heimgekehrt und hat sich wieder eingelebt. Arbeit hat er noch keine, aber das wird sich auch bald ändern! Wenn man sich nur bescheiden kann und ein wenig Geduld aufbringt!“

      In den letzten Tagen, seitdem es heiß geworden ist, ist die Großmutter Emma Straeten auch wieder öfter auf der Straße zu sehen. Sie steht bei der Tochter oder wandert zu den anderen Frauen, um mit ihnen zu plauschen und etwas zu erfahren. Sie fühle sich wohl in dieser Wohnung, und sie werde sie nicht mehr verlassen, sagt sie, obwohl sie sich anfangs mit Händen und Füßen gesträubt habe, in die Nähe dieses verfluchten braunen Hauses zu ziehen. Wenn es Zeit ist, eine Mahlzeit vorzubereiten, dann geht sie in ihr Reich zurück, wie sie zu der Wohnung sagt. Und bei diesem oder jenem fügt sie auch schon einmal hinzu: Ein Großreich haben sie uns genommen, aber ein kleines, friedliches, das haben wir gefunden. Und da bin ich gerne!

      Sorgen macht sich die Mutter um Bruno. Der langweilt sich und weiß nichts anzufangen mit der vielen Zeit. Wenn man mich doch wieder arbeiten ließe, klagt er, dann wäre ich zu etwas nütze. Aber so! Der Vater schlug vor, er könne ihn auf seinen Touren begleiten oder das eine oder andere reparieren. Doch vor Arbeiten im Haus drückt er sich, und für Vaters Touren sei er auch nicht zu gebrauchen. Geht mir weg! Für so etwas bin ich nicht geschickt genug, redet er sich heraus. Ich brauche andere Arbeit, richtige Arbeit. Dann träumt er am offenen Fenster den Wolken nach und denkt wohl an die Jahre, die ihm genommen worden sind oder was er im Feld erlebt hat.

      Die Ursula bemerkte einmal der Mutter gegenüber: „Was dem Bruno fehlt, ist nicht nur Arbeit, dem fehlt auch eine Frau.“

      „Eine Frau? Du bist nicht gescheit! Was du so denkst! Der Junge ist immer noch vom Krieg gezeichnet, so etwas vergisst man nicht von heute auf morgen. Er ist schwach und immer noch so mager... Und da kommst du ihm mit einer Frau!“

      „Ich komme nicht mit einer Frau, ich meine nur, dass ihm ein Mensch fehlt, der ihm hilft, die schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten.“

      „Er hat mich. Was braucht der Bruno eine Frau! Und was heißt schlimme Erlebnisse? Haben wir nicht auch Schlimmes erlebt?“

      „Dir hat keiner ein Gewehr an den Kopf gehalten!“

      „Haben sie das mit ihm gemacht?“

      „Frage ihn. Ob es so war, das weiß ich nicht...“

      Die Mutter schabt nachdenklich die Möhren. Ja, der Bruno ist anders geworden. Das ist nicht der Junge, der von ihr weg in den Krieg gezogen ist. Es ist möglich, dass er Schreckliches erlebt hat, über das er nicht reden will. Vielleicht klebt doch Blut an seinen Händen, obwohl er es bestritten hat und er ist deswegen so seltsam geworden und unzufrieden und stiert stundenlang in die Luft. Ein Gewehr trägt keiner wie einen Fingerring mit sich herum; Bruno hat es getragen, um damit auf Menschen zu schießen. War es nicht so, dass derjenige, der viele Feinde ins Jenseits beförderte, geehrt wurde und einen Orden nach Hause trug? Nun, wenn Bruno auf Menschen geschossen hat, dann war es Notwehr, weil der andere ihm das Gewehr an den Kopf gehalten hat. Was blieb ihm da übrig als abzudrücken? Nein, nein, Bruno ist ein grundanständiger Mensch, der handelt nicht leichtfertig und tötet, wer ihm über den Weg läuft! Ich bin seine Mutter, ich weiß es! Vielleicht mache ich mir auch unnütze Gedanken. Würde er nicht gleich aufbrausen, dann würde ich schon einmal danach fragen. Ach, es ist alles so gekommen, wie es kommen musste, und das andere wird auch kommen, wie es kommen muss! In den ersten Nächten konnte er nicht in einem warmen, weichen Bett schlafen, und jetzt ist er nicht herauszukriegen. Er wird auch mit dem fertigwerden, worüber er nicht sprechen mag.

      Sie sammelt die Möhrenabschnitte zusammen und trägt sie auf den Balkon zu den Kaninchen. Unten steht Bruno bei Rosi Vederle, dieser leichtsinnigen und liederlichen Person, die sich darauf versteht, den Männern den Kopf zu verdrehen und Geld oder anderes aus ihnen herauszupressen. Wenn er nach oben kommt, dann wird sie ihn vor diesem Weib warnen müssen, denn die Frauen auf den Trümmern erzählen sich unglaubliche Geschichten von der Vederle.

      Zum Räumen der Schuttberge sind Besatzungssoldaten mit Bulldozern eingesetzt worden. Seit dem frühen Vormittag rattern und dröhnen sie durch die Straße, und mancher kommt vor die Tür gelaufen, um zu sehen, was sie anstellen. Da stehen sie Spalier und applaudieren: Jetzt wird es allmählich schöner werden in der Stadt und besser, mutmaßen sie, und das Normale und die Ordnung werden wieder die Oberhand gewinnen.

      Mehr Aufmerksamkeit als die schweren Bulldozer haben zwei Schwarze, die unter der Aufräumkolonne sind: Wenn sie lachen, und sie lachen gerne, dann zeigen sie so leuchtende Zähne, als würde ein Licht sie anstrahlen! Beim ersten Sehen waren die Frauen ängstlich, jetzt sind sie begeistert, vor allem Rosi Vederle, die den Soldaten zuwinkt, die mit einem Schwarzen scherzt und ihm sogar eine Tasse Kaffee hinaufreicht. Nachdem er vorsichtig davon gekostet hat, hat er sich vor Ekel geschüttelt und ihn in weitem Bogen ausspuckt, und er wirft ihr die Tasse zu, dass sie von oben bis unten bekleckert ist. Solchen Kaffee tränken die Sieger nicht, wird die

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