Die Bärin Roman. Wilhelm Thöring
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Читать онлайн книгу Die Bärin Roman - Wilhelm Thöring страница 10
Jetzt meldet sich die Ursula, die nicht hören mag, wie der Bruder zur Mutter von Schuld spricht. „Es ist ganz unmöglich, dass der Vater am Tisch schläft. Wir sind drei Erwachsene. Wenn jeder ein Kind zu sich ins Bett nimmt, dann braucht sich keiner von uns die Nacht am Tisch um die Ohren zu schlagen!“
„Ich kann nicht mit einem Kind schlafen!“ wehrt sich der Vater. „Wenn ich am Tisch schlafe, dann bin ich ausgeruhter, als wenn mir einmal ein Kopf, dann ein Knie in den Bauch gestoßen wird. Nein, nein: ich schlafe hier!“ Er lässt seine flache Hand auf die Tischplatte fallen. „Und morgen, Urschel, hat auch der Bruno sein Bett. Ich weiß, wo ich danach suchen muss! Nicht nur der Bruno bekommt sein eigenes Bett, auch die Jungen. Und eins ist für...“ Er spricht vor der Mutter und dem Bruder nicht aus, wem er das Bett besorgen will. Er sagt: „Wie es mit Matratzen aussieht, das weiß ich nicht. Dann werden wir uns eben mit Strohsäcken behelfen. Als Kind hatte ich auch nur einen Strohsack!“
Ursula hilft der Mutter, Brunos Badewasser in die Wanne zu schütten. Das hat der Bruno tun wollen, aber die Mutter hat es nicht zugelassen. So mager, so schwach, wie er sei, da könne sie nicht zusehen, wie er sich mit dem Wasser abmühe.
Der Bruno lässt sich Zeit im Bad, so dass die Großmutter fürchtet, er sei in der Wanne eingeschlafen. Einige Male hat sie an der Tür gehorcht, aber sie getraute sich nicht, zu klopfen oder zu fragen. Wartend ist sie auf ihren Platz neben dem Ofen zurückgegangen, und wenn der Großvater sie ansieht, dann blickt sie etwas verschämt weg. Ursula ist ins Bett gegangen. Der Vater sitzt am Tisch und kämpft gegen den Schlaf an. Er möchte nicht vom Sohn mit Armen und Kopf auf der Tischplatte gesehen werden. Die stinkende Karbidlampe mit ihrem kalten Licht hat er weit von sich geschoben, so dass sein Gesicht im Dunkel liegt. Er wartet wie die Mutter darauf, dass der Bruno endlich aus dem Bad kommt. Als drinnen etwas umgestoßen wird, erhebt sich die Großmutter, um dem Bruno das Bett aufzudecken. „Na endlich“, murmelt sie.
Da steht der Bruno auch schon in der Tür, das Handtuch hat er um die Lenden geschlungen. „Das Bad hat dir gefallen, Bruno, du hast dir viel Zeit gelassen. Das Wasser ist wohl kalt geworden“, sagt die Mutter und streckt die Hand nach ihm aus, als wollte sie ihn zu seinem Bett führen. Der Bruno bemerkt das nicht, er bleibt zwischen Küche und Flur stehen, weil er nichts sehen kann. „Wo seid ihr? Ihr habt es sehr dunkel.“
Die Mutter fasst nach seinem Arm. „Hier bin ich, Junge. Du musst ins Bett, wenn du dich nicht erkälten willst.“
„Nach dem, was ich hinter mir habe, Mutter, werde ich mich hier in der Wohnung nicht erkälten. Im Wasser war es so gemütlich, dass ich gleich eingeschlafen bin.“
Ja, das versteht die Mutter. Leise öffnet sie die Stube, in der ihr Bett steht und schüttelt noch einmal das Oberbett auf. Sie legt ihm ein Flanellhemd hin, das der Großvater an kühleren Tagen trägt. „Zieh das an, Bruno. Das ist wärmer als dein Soldatenhemd. Ein Nachthemd für dich habe ich nicht. Brauchst du noch eine Decke dazu? Es ist nicht warm hier.“
„Mutter, ich bin es schon lange nicht mehr gewohnt, in einem Bett zu schlafen. Ein Deckbett hatten wir nicht – uns hat der Himmel zugedeckt...“
„Mein armer Junge! Jetzt hat das Elend ein Ende, und alles wird besser.“ Wie gut, dass es dunkel ist und der Bruno nicht sehen kann, dass sie wieder weint. Ihr ist danach, ihn in die Arme zu nehmen, aber das würde er nicht verstehen. Um etwas zu sagen, brabbelt sie vor sich hin: „In dieser Ecke schlafe ich... Hier zieht’s nicht durchs vernagelte Fenster... Da drüben schläft der Vater... Du erinnerst dich? Der Vater braucht immer frische Luft, auch heute noch... Gute Nacht, mein Junge.“
„Gute Nacht, Mutter.“
Die Mutter ist noch einmal zu ihm gegangen und hat nachgesehen, ob er gut zugedeckt ist, dann hat sie sich ausgezogen. Wie gut sie sich in der Dunkelheit zurechtfindet, wundert sich der Bruno. Sie läuft sicher durch den Raum, ohne irgendwo anzustoßen. Bruno hört, wie sie vor dem Bett auf die Knie geht. An diesem Abend betet sie lange, und manchmal seufzt sie. Alt ist sie geworden, denkt er. Und ihr Bemuttern hat sie noch immer nicht abgelegt! Ob sie es mit der Ursula ebenso macht? Die war den ganzen Abend über einsilbig, geradezu abweisend und hat ihn nicht nach Reinhold gefragt, wie sie es sonst machte, wenn er auf Heimaturlaub kam.
Bruno hört, wie die Mutter ihre Gebete murmelt, wie sie sich mühsam erhebt und ins Bett legt. Und wieder seufzt und stöhnt sie, als hätte sie Schmerzen. Unter ihr knarrt die Bettstelle, aber was ist das schon! Er liegt warm und sicher und braucht sich nicht vor irgendwelchen Überraschungen oder gar Bedrohungen zu fürchten.
In der Nacht schrecken alle auf, weil der Bruno sich die Seele aus dem Leib schreit. Der Vater und die Ursula laufen in die Schlafstube, der Vater leuchtet mit einem seiner Pfeifenspäne – vor dem Bett liegt der Bruno auf dem Boden und sieht entgeistert um sich. Neben ihm kniet die Mutter, die ihn umklammert und zu beruhigen versucht.
„Er hat schlecht geträumt“, sagt sie, seinen Kopf streichelnd, den sie in ihrem Schoß liegen hat. „Ist das ein Wunder? Nach allem, was der Junge durchgemacht hat! Legt euch wieder hin, es ist nichts, nur ein schlechter Traum...“
„Du kannst einen aber auch erschrecken“, sagt Ursula. „So zu schreien, nur weil du schlecht geträumt hast! Ich dachte, dich hätte jemand überfallen.“
„Es ist das Bett“, meint Bruno. „In einem Bett kann ich nicht schlafen, so weich, so warm...“
„Ja, wo kannst du denn schlafen, Junge?“ Die Großmutter wirft ihren Zopf nach hinten, der dem Bruno ins Gesicht zu fallen droht.
„Auf dem Boden. Mutter, Vater, lasst mich auf dem Fußboden schlafen.“
Die Mutter beugt sich tief über ihn und meint: „Ja, bist du denn ein Hund? Auf dem Fußboden...“
Für jemanden, der Jahre auf dem blanken Boden gelegen habe, sogar auf gefrorenem Boden, für den sei ein Bett so ungewohnt wie für die Katze der zugefrorene Dorfteich, sagt der Vater. „Mutter, lass Bruno auf dem Boden schlafen. Es wird nicht lange dauern, und er wird von allein ins Bett steigen! Hier hast du das Kopfkissen, das Oberbett... Leg dich auf eine Decke, der Boden ist kalt. Und jetzt: Gute Nacht!“
„Gebt mir Zeit, ich muss es wieder lernen, normal zu leben. – Vater, mir wäre wohler, wenn du in deinem Bett…“
„Lass mal, Bruno. Da wo ich geschlafen habe, drüben am Tisch, da habe ich nicht so fürchterliches Zeug geträumt, wie du. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Vater.“
Der nächste Tag beginnt mit Dunst, als hätte es des Nachts geregnet. In der Frühe ist der Vater auf Tour gegangen, um nach Betten zu sehen. Er ist auch fündig geworden, und mit Brunos und Ursulas Hilfe kommen noch drei Bettstellen ins Haus, dazu eine Matratze.
„Wozu denn drei Betten?“ fragt die Großmutter. „Willst du ein Hotel aufmachen?“
„Na, weißt du, wer noch alles kommen kann?“
Die Großmutter wendet sich ab und lässt ergeben ihre Hand gegen die Hüfte klatschen. „Du hast immer zusammengehamstert, was zu hamstern war, du eigensinniger Dickschädel, du!“
„Oft hat sie zu nörgeln über das, was ich heranschaffe“, sagt der Vater zum Bruno. „Hinterher ist sie mir dankbar dafür. Aber glaube nicht, dass sie mir das auch nur ein Mal sagt!“ – und zur