DER KELTISCHE FLUCH. Christoph Hochberger

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DER KELTISCHE FLUCH - Christoph Hochberger

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vor Morgengrauen noch einmal zunahm, ließ die Wachen auf dem Wall ihre Mäntel enger um die Schultern ziehen.

      Die Spuren einer langen Nacht standen den Brüdern in die Gesichter geschrieben. Eine unheilschwangere Atmosphäre lastete zwischen ihnen. Ab und an tranken sie aus ihren verzierten Trinkhörnern, ohne den anderen dabei aus den Augen zu lassen.

      Eigentlich, dachte Toromic, hatte der Tag gut begonnen. Er und einige seiner Krieger waren auf der Jagd gewesen und hatten einen stattlichen Hirsch zur Strecke gebracht. Unter normalen Umständen wäre das ein guter Jagderfolg gewesen und man hätte reichlich Fleisch für Tage und Fell für den Winter gehabt. Außerdem waren sie auf einen Trupp von Brigantern, ihrem großen, weiter südlich siedelnden Bruderstamm, gestoßen, die ihnen mitteilten, dass seit langem keine Caledonier mehr gesehen worden waren.

      Was den Clanführer der Selgovater beschäftigte, waren die Geschehnisse der Jagd. Er nahm noch einen tiefen Schluck des süßlichen Hefebieres, welches die Mundschenke seines Clans vorzüglich zu brauen verstanden, ließ das dickflüssige Getränk seine Kehle hinunterrinnen und fixierte dann seinen Bruder.

      Tarcic starrte zurück. Seine mit heiligen Runen verzierte Brustplatte reflektierte matt den Schein des Feuers. Die Stirn des Sehers lag in tiefen Falten, was, durch den Schein der Flammen beleuchtet, besonders die riesige Narbe hervorhob, die sich von seinem Schädeldach über die Schläfen und den Hals bis hinunter zum Brustkorb zog.

      Plötzlich antwortete er mit rauer Stimme: „Fordere es nicht von mir.“

      Toromic verspannte sich. Seine Stimme wurde eindringlich, als er es noch einmal versuchte: „Du weißt, dass ich dich schonen würde, wenn ich könnte, doch wir müssen wissen, ob die Götter erzürnt sind, ob es ein böses Omen ist.“

      Tarcic hielt seinem Blick kurz stand, blickte dann aber ins Feuer und ließ sich mit einer Antwort Zeit. Toromic bemerkte den dünnen Schweißfilm auf der Stirn seines Bruders, und wusste, dass der Jüngere Angst hatte. Tarcic kippte den letzten Rest seines Trinkhornes in einem Zug herunter, warf es dann mit fahriger Gebärde neben sich und erwiderte: „Es ist nicht gut, die Runen zu befragen. Es kostet viel Kraft und könnte die Aufmerksamkeit der Götter auf uns lenken.“

      Toromic schüttelte den Kopf. „Wir müssen erfahren, was es mit dieser Sache auf sich hat. Mir scheint, dass dich die lange Zeit, in der niemand unsere Frevel bemerkte, dazu verleitet, dich sicher zu fühlen. Doch solange wir leben, werden wir auf der Hut sein müssen.“

      „Verdammt sei das zweite Gesicht!“, fluchte Tarcic. Mit zitternden Händen nahm er sein Horn wieder auf und schenkte sich aus dem Rindslederbeutel nach, der neben ihm auf dem Boden lag. Toromic beugte sich vor. „Es muss einen Grund dafür geben, dass uns die Götter bisher noch nicht bestraft haben...“

      „Sei still! Du weißt ja nicht, was du da sagst“, rief Tarcic erregt.

      So unbeherrscht hatte Toromic seinen Bruder schon lange nicht mehr erlebt. „Etwas leiser, Vates, meine Familie schläft“, sagte er ruhig, aber bestimmt. Doch auch die Nennung seines Ehrentitels, des Sehers des Clans, konnte Tarcic nicht beruhigen. „Hätte die Axt doch einen anderen getroffen“, knirschte er durch die Zähne, „ich wünschte, die Kraft würde von mir weichen!“

      Toromics Züge wurden starr, und seine Stimme bekam einen drohenden Unterton. „Beherrsche dich endlich. Nur wir beide und Shana wissen die Wahrheit. Hätte einer der übrigen Krieger während der Schlacht bemerkt, dass dein Gegner ein Druide war ... , du wärest des Todes gewesen.“ Jetzt bebte seine Stimme vor Erregung, denn die Erinnerung an die große Schlacht gegen die Caledonier spielte sich wieder vor seinem geistigen Auge ab. „Keiner der Unsrigen sah, dass der Caledone unter dem Wolfsfell die Tätowierungen der Derwydd trug. Ich schlug ihm den Kopf ab, ich warf meinen Mantel über dich und trug dich fort, aus der Schlacht! Und seit du genesen bist, hast du diese Kraft. Die Anderen glauben, du seist von einem normalen Krieger geschlagen worden. Bedenke: sie akzeptieren deine Fähigkeit ... keiner weiß, wie du sie empfangen hast.“

      Tarcic starrte eine Weile mit leerem Blick ins Feuer. Der Nachtwind heulte um die Hütte und zerrte an dem riedgedeckten Dach. Plötzlich straffte sich seine Gestalt, und Entschlossenheit kehrte in seine Augen zurück. „Du hast Recht, Bruder, ich stehe auf immer in deiner Schuld, auch ohne die Blutsbande. Bitte vergiss`, dass ich so weibisch tat. Der Wille der Götter ist oft schwer zu verstehen, doch soll es das letzte Mal gewesen sein, dass ich mich dagegen sträube, sie anzurufen. Berufe für morgen die Versammlung ein, ich werde die Runen lesen.“

      Toromic atmete auf und nickte feierlich. Nur mit der Hilfe seines Bruders konnte er Klarheit darüber erlangen, was die seltsamen Umstände der Jagd zu bedeuten hatten, denn die Druiden hatten schon lange nicht mehr sein Land bereist.

      Er stand auf und zeigte so an, dass die Unterredung beendet war.

      „Ich bin dir dankbar, Bruder“, sagte er in gemessenem Ton. „Mögen dir die Götter einen ruhigen Schlaf schenken.“

      Tarcic nickte müde. „Ich muss mich auf die Zeremonie vorbereiten.“

      Die Brüder umfassten ihre Unterarme und drückten fest zu.

      „Friede deinem Schlaf, Bruder, wir sehen uns am morgigen Tage“, verabschiedete sich Tarcic. Toromic folgte ihm zum Ausgang. Er sah Tarcic nach, bis er zwischen den Schatten der umstehenden Hütten verschwunden war, und ging anschließend zurück zum Feuer.

      Als er sich gerade niedergelassen hatte, fegte ein besonders heftiger Windstoß über sein Heim und ließ sogar die im Boden verankerten Tragebalken leicht erzittern. Toromic hob sein Trinkhorn an die Lippen, bemerkte, dass es bereits leer war, und schenkte sich nach.

      Er war ein großer Mann. Einen guten Kopf größer als die meisten Krieger seines Clans. Sein muskulöser Körper wurde von zahlreichen Tätowierungen überzogen, die schlangenförmig über alle Gliedmaßen verliefen, sich um Hals, Hände und Füße wanden und dort schließlich endeten. Er hatte langes, mittelblondes Haar, das ihm lose über die Schultern fiel, und tiefblaue Augen, deren wachsamen Blicken nichts zu entgehen schien. Seine Wangen waren glatt rasiert, wohingegen er den Oberlippenbart, nach Sitte der Vorväter, lang und dicht trug.

      Der Häuptling der Selgovater hatte noch keine sechsundzwanzig Winter erlebt, doch die Unbefangenheit der Jugend war bereits aus seinem Gesicht gewichen. Um die Augen herum hatten sich Falten eingegraben, die seinem Antlitz den Ausdruck von Erfahrung und Strenge verliehen. Wer ihn kannte, wusste, dass er kein böser Mensch war, doch Fremde erschraken nicht selten beim Anblick der rauen, unbeweglichen Züge und dem stechenden Blick seiner blauen Augen.

      Er und Tarcic waren die Söhne Tolurics, eines großen selgovatischen Clanführers. Ihr Vater hatte unter den Häuptlingen der übrigen Selgovaterclans ein solch hohes Ansehen genossen, dass sie ihn Ri nannten, was König bedeutete. Toluric war vor Jahren in einer Schlacht gegen die weiter südlich siedelnden Cornovier gefallen. Danach hatte Toromic, als ältester Sohn, seine Nachfolge angetreten. Auch er durfte sich nun Zeit seines Lebens Ri nennen, denn dieser Titel war erblich.

      Zwischen Tarcic und ihm hatte es nie, wie es sonst häufig vorkam, Streitigkeiten um die Nachfolge des Häuptlingsthrons gegeben. Die beiden Brüder hatten sich seit ihrer Kindheit gut verstanden. Immerhin waren sie die einzigen männlichen Überlebenden ihrer Familie.

      Fünf Kinder hatte ihre Mutter Enid dem stolzen Toluric geboren, drei Söhne und zwei Töchter. Die einzige noch lebende Schwester, Lunicca, war schon während ihres vierzehnten Winters nach Melavoc, dem Königssitz der Briganter, verheiratet worden und kam nur selten zu Besuch. Der zweitgeborene, Tarugus, hatte den ersten Winter nicht überlebt. Nach ihm waren im Abstand von nur

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