DER KELTISCHE FLUCH. Christoph Hochberger

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DER KELTISCHE FLUCH - Christoph Hochberger

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begann zu weinen.

      Boudina stapfte durch die Gassen des Dorfes auf das Versammlungshaus zu. Sie hatte ihrer Mutter wegen ein fürchterlich schlechtes Gewissen, doch andererseits hielt sie es vor freudiger Erwartung kaum aus. Endlich würde sie Tarcic wieder sehen, und endlich würde sie dem Versteckspiel ein Ende bereiten. Doch ihre freudige Erwartung trübte sich, als abermals das sorgenvolle Gesicht ihrer Mutter vor ihrem geistigen Auge aufstieg. Helwed ängstigte sich im Augenblick sicher zu Tode. Seufzend strich Boudina eine Haarsträhne beiseite, die ihr der scharfe Wind ins Gesicht wehte, und stieß einen Laut des Unmuts aus. Sie liebte ihre Mutter und wollte sie nicht verletzen, aber darauf konnte sie im Augenblick keine Rücksicht nehmen. Sie wollte Tarcic, denn sie liebte ihn.

      Das Versammlungshaus kam näher. Es mussten sich bereits die meisten Clanangehörigen eingefunden haben, denn das Gewirr vieler Stimmen war bis hierher zu vernehmen. Boudina lief schneller und kam keuchend am Eingang des Rundbaus an. Die beiden wachhabenden Krieger warfen ihr gleichgültige Blicke zu, denn jeder Clanangehörige, ob jung oder alt, hatte das Recht, an einer Versammlung teilzunehmen.

      Boudina durchquerte den kurzen Vorgang. Als sie das Innere des Baus betrat, verschlug es ihr fast den Atem: Die Ausdünstungen hunderter von Menschen, der Duft gebratenen Fleisches und honigsüßen Mets, verbanden sich mit dem Qualm der Feuerstelle und dem durchdringenden Geruch von Fett und Öl. Ein schwer erträglicher Brodem.

      Sie sah sich um. Nicht weit von ihr drängte sich eine Gruppe junger Mädchen, die sie kannte. Sie reckten die Hälse, um mehr von dem mitzubekommen, was sich vorne abspielte.

      Boudina zuckte verächtlich die Achseln. Bleibt nur, wo ihr seid, dachte sie, ich suche mir einen besseren Platz. Forsch balancierte sie durch die Reihen der am Boden sitzenden Clanangehörigen, vorbei an den niederen Kasten, bis sie ihr Temperament schließlich an einem der großen Tragepfosten des Gebäudes zügelte. Weiter durfte sie sich nicht vorwagen, ohne in Gefahr zu geraten, ernsthafte Schwierigkeiten zu bekommen. Denn sie befand sich nicht mehr weit hinter den Reihen der Krieger. Die bösen Blicke anderer Clanangehöriger ignorierte sie geflissentlich.

      Eigentlich gab es eine strenge Sitzordnung, doch Boudina, die ohne Vater aufgewachsen war, hatte früh gelernt, forsch aufzutreten. Die übrigen Dorfbewohner waren ihrer Mutter und ihr gegenüber ohnehin sehr zurückhaltend, denn dass Helwed bei den Matrae in die Kunst der Kräuterheilkunde unterwiesen worden war, wussten alle und hatten Respekt. Außerdem trauten sie dem schweigsamen Weib noch ganz anderes zu.

      Boudina wusste, dass ihre Grenzen erreicht waren.

      Sie blickte nach vorn: Dort saßen die Häuptlingsbrüder.

      Zuvorderst, auf dem Sitz des Häuptlings, thronte Toromic. Neben ihm hatten Tarcic und die wichtigsten und wohlhabendsten Männer des Clans Platz genommen. Sie bildeten den innersten Zirkel der Sitzordnung. Je wohlhabender und wichtiger einer der Edlen und Unterführer war, desto näher durften er und sein Gefolge dem Häuptling im Kreis der Anführer sitzen.

      Boudina starrte Tarcic an: Er schien ein fremdes Wesen zu sein. Der Bruder des Toromic hatte sein ohnehin helles Haar mit Kalk gewaschen. Schlohweiß glänzte es im Schein des Feuers. Es war straff über den Schädel zurückgekämmt und am Hinterkopf zu mehreren Zöpfen geflochten. Über Tarcics schmales Gesicht verliefen geschwungene schwarze Striche abwärts. Diese Bemalung verblasste jedoch bei dem Anblick, den seine gigantische Narbe bot. Tarcic hatte sie, von der Stirn bis zum Hals hinunter, mit rotem Ocker eingefärbt. Sie prangte wie ein Brandzeichen auf seinem Gesicht und lenkte die Blicke aller Anwesenden auf sich. Der edle, mit Rabenfedern besetzte Umhang, den er sich um seinen nackten Oberkörper geschlungen hatte, sein mächtiger goldener Halsring und auch seine Brustplatte - all diese Zeichen von Macht und Würde erschienen bedeutungslos beim Anblick dieser Narbe. Boudina war entsetzt. Er sah völlig anders aus, als sie ihn kannte, so fremd und kalt. Einen Augenblick benötigte sie, um den Schrecken zu überwinden, dann schalt sie sich eine Närrin. Natürlich sah Tarcic anders aus als bei helllichtem Tage, wenn er durch die Siedlung schritt oder auf einem der das Dorf umgebenden Hügel stand und in die Ferne sah. Jetzt war er eine mystische Figur, ein Mittler zwischen der Anderswelt und dem Diesseits, ein heiliger Mann.

      Da im Augenblick weder Tarcic noch Toromic Anstalten machten, mit der Zeremonie zu beginnen, nutzte Boudina die Zeit, um die übrigen Männer in ihrer Nähe in Augenschein zu nehmen.

      Wann kam sie den Hohen des Clans schon einmal so nahe?

      Ihr Blick blieb an den Vertrauten des Häuptlings hängen - an den Kriegern Borix und Turumir. Diese beiden hätten vom Aussehen her nicht unterschiedlicher sein können. Borix, der hinter Toromic saß, war eine beeindruckende Erscheinung. Sein kahlgeschorener Schädel saß auf breiten muskelbepackten Schultern. Mächtige, mit blauen Tätowierungen verzierte Arme ließen keinen Zweifel an der Kraft ihres Besitzers. Auf den ersten Blick erschien er grob und einfach, doch wer genauer hinsah, die wachsamen Augen unter den buschigen Brauen und die geschmeidigen Bewegungen dieses Mannes beobachtete, erkannte, dass sich unter der Fassade des tumben Rohlings noch anderes verbergen mochte. Wegen seines dürftigen Haupthaares als Junge oft verspottet, trug er seit seiner ersten Schlacht den Schädel kahlrasiert. Zum Ausgleich für diesen Nachteil - die Männer aller Stämme waren stolz auf ihre Haarpracht - ließ er seinen Schnauzbart über beide Mundwinkel bis zum Kinn hinunter wachsen. Boudinas Blick wanderte zu dem Krieger, der hinter Tarcic saß. Turumir war hochgewachsen, intelligent und hatte rotblondes Haar, genau wie sie. Er war seit seiner Jugendzeit der Freund und Vertraute Tarcics gewesen, sein erster Mann. Doch seit Tarcic über die Gabe des Sehens verfügte, gab es nicht mehr viele Situationen, die einen Beschützer erforderlich machten. Von den Beschwörungen und Ritualen, die Tarcic durchführte, verstand Turumir nichts, und mehr als ein wenig freundschaftliche Zuneigung ließ der Bruder des Häuptlings schon lange nicht mehr zu. So diente Turumir nach außen hin Tarcic, während er in Wirklichkeit längst Toromics zweiter Mann geworden war.

      Da noch immer nichts geschah, ließ Boudina ihre Blicke durch den Rundbau schweifen. Hinter der ersten Riege des Clans hatten die Krieger in Gefolge aufgeteilt Platz genommen. Sie machten einen Großteil der Anwesenden aus. Nach ihnen kamen die Frauen, die mit ihren Kindern, Müttern, Schwestern, Cousinen und Tanten, je nach Verwandtschaftsgrad, in Gruppen zusammen saßen. An der Außenwand des Gebäudes standen die Gemeinen, Unfreien und Sklaven, an denen sich Boudina eben vorbeigedrückt hatte. Während die Gemeinen und Unfreien, meist Handwerker oder Viehzüchter, einiges Ansehen genossen, da ihnen in Kriegszeiten das Recht zustand, Waffen zu tragen, bildeten die Sklaven die unterste Schicht der Gemeinschaft. Sie waren meist Gefangene anderer Stämme oder aber Menschen, die die strengen Gesetze der Clans gebrochen hatten. Bis auf die Elite der Leibsklaven der Edlen und Hohen ging es ihnen schlecht. Sie waren rechtlos und ihr Leben zählte nicht viel.

      Schwatzen und Raunen erfüllte das Innere des Rundbaus, ab und zu plärrte ein Kind. Die Krieger saßen stolz schweigend und ließen sich von der Unruhe in den hinteren Reihen nicht anstecken. Goldene, bronzene und eiserne Torques - aus mehrfach ineinander verschlungenen Strängen gefertigte Halsringe - die den Rang und den Wohlstand ihrer Besitzer symbolisierten, glänzten im Schein des Feuers. Versteinerte Gesichter und starre Körperhaltung bewirkten den Eindruck von Unnahbarkeit. Die reichsten Männer, die Edlen, trugen mit Bronze und Goldlegierungen verzierte Helme. Zum Zeichen ihres Ruhms hatten die Krieger ihre besten Waffen und wertvollsten Trophäen mitgebracht. Diese lagen auf ihren Schilden neben ihnen. Die Trophäen waren die einbalsamierten Schädel der tapfersten Feinde, gegen die sie gekämpft und gesiegt hatten. Die Kraft des Feindes, seine Numina, floss auf denjenigen über, der seinen Schädel nahm. Boudina wurde es unheimlich, als ihr Blick auf die seltsam entstellten Gesichter der mumifizierten Schädel fiel. Die meisten sahen wächsern und tot aus, gar nicht so, als hätten sie einmal gelebt - doch es gab auch welche, denen der Schrecken in die Züge gegraben war, den sie empfunden haben mussten, als sie getötet wurden.

      Boudina schüttelte sich. Sie hatte nie einen Vater

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