DER KELTISCHE FLUCH. Christoph Hochberger

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DER KELTISCHE FLUCH - Christoph Hochberger

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hielt wieder nach dem Ziel ihrer Sehnsüchte Ausschau.

      Tarcic saß ruhig da.

      Boudina bemerkte, dass Toromic seinen Bruder misstrauisch beäugte. Sie reckte den Hals ...

      Toromic blickte unauffällig zu Tarcic hinüber. Was er sah, gefiel ihm nicht. Sein Bruder war, wie die übrigen Clanangehörigen, mächtig herausgeputzt, doch konnten all seine Würdezeichen und Bemalungen nicht den dichten Schweißfilm verbergen, der seine Stirn bedeckte. Er war eindeutig betrunken. Toromic wusste, dass sein Bruder vor einer Zeremonie große Mengen Met trank, um den Übergang seines Geistes in die Anderswelt, das Reich der Geister und Ahnen, zu erleichtern, doch heute schien es zu viel gewesen zu sein. Tarcic hielt dem Druck, den die Rituale auf ihn ausübten, offensichtlich nicht mehr stand. Toromic bis sich auf die Lippen. Nach diesem Tag würde er Tarcic schonen, doch zuerst musste er wissen, ob die Ereignisse der Jagd als schlechtes Omen zu deuten waren.

      Cassatr, ein Angehöriger seines Gefolges, betrat den vordersten Kreis. Er hatte die Ehre, dem Häuptling und den Edlen den Eröffnungstrunk zu reichen. Die Männer nahmen die Hörner nacheinander an und tranken sie in einem Zug leer. Inzwischen war es sehr still im Versammlungshaus geworden. Boudinas Haltung verspannte sich. Endlich ging es los!

      Toromic erhob sich und wandte sich der Menge zu. Das Feuer warf den Schatten seiner hünenhaften Gestalt überlebensgroß an die Rückwand des Versammlungshauses.

      „Edle und Krieger, Frauen und Unfreie, Clan der Selgovater, ich eröffne die Versammlung.“

      Cassatr trat vor und rief: „Der Ri wird uns berichten.“

      Toromic wartete, bis sich Cassatr gesetzt hatte, dann begann er: „Letzten Mond befand ich mich mit einigen meiner tüchtigsten Männer auf der Jagd. Wir streiften lange durch das Land, ohne eine Fährte ausfindig machen zu können, doch schließlich war uns das Jagdglück doch noch zugetan. Ein mächtiger Hirsch wurde von den Hunden aus dem Wald getrieben.“

      Toromic wusste, dass die Geschichte bereits die Runde gemacht hatte, doch zum einen sollte jeder Clanangehörige wissen, worum es ging, zum anderen war es Brauch, die Ereignisse, über die in der Versammlung entschieden werden sollte, zu Beginn vorzutragen. Er fuhr fort: „Die Hunde stürzten sich auf ihn, doch er war ein starker Gegner. Er nahm einen meiner besten Wolfshunde aufs Geweih und trat einen anderen zuschanden, bevor es Beluc und Turumir gelang, ihm jeweils einen Pfeil in den Leib zu schießen. Beluc traf mitten in den Brustkorb, Turumir durchschoss den Hals. Das Tier stob in blinder Panik davon.“

      Anerkennendes Raunen lief durch den Saal. Toromic hob gewichtig die Hände. „Ihr alle wisst, dass Wild noch eine ganze Strecke weit fliehen kann, wenn man es nicht genau in Herz oder Auge trifft. Erst nach einer Weile wird es schwach und verendet schließlich. Wir machten uns also, der Beute gewiss, an die Verfolgung. Wir hätten die Jagdhunde gar nicht mehr gebraucht, denn die Blutspur war so offensichtlich, dass ihr ein kleines Kind hätte folgen können. Es verstrich eine ganze Weile, und nichts deutete darauf hin, dass wir ihm näher kamen. Also begannen wir das Treiben zu beschleunigen. Über die westlichen Hügel, durchs dunkle Moor, bis hin zum Tal der Steine verfolgten wir den Hirsch, bis wir ihn schließlich auf einer Bergkuppe, oberhalb des Tals, stehen sahen.“

      Toromic stemmte die Arme in die Seiten und starrte die Anwesenden an.

      „Ja, ich sage stehen! Er hatte sich nicht etwa in ein Gebüsch verkrochen, um dort zu verenden, wie es üblich ist, nein - dieser Hirsch stand! Zwar hatte er blutigen Geifer vorm Maul, und seine Flanken zitterten erbärmlich, doch er mochte sich nicht zum Sterben hinlegen. Im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, als erwarte er uns förmlich, als wolle er sich uns stellen!“

      Die Menschen steckten die Köpfe zusammen und flüsterten aufgeregt. Es war ein unheimliches Geschehnis, von dem der Häuptling da berichtete.

      „Es war, als wäre Cernunnos, der Gehörnte, in ihn gefahren und hätte ihm diese Kraft verliehen!“

      Bei der Nennung des Namens des hochverehrten Jagd- und Kriegsgottes der Stämme ging ängstliches Wispern durch den Saal.

      „Um ein Ende zu machen, schoss Beluc zwei weitere Pfeile aus nächster Nähe in sein Herz, und jetzt endlich brach er zusammen.“

      Toromic zögerte.

      „Die Hunde, die noch einen Augenblick zuvor wie toll an ihren Leinen gerissen hatten, zogen plötzlich die Schwänze ein, winselten und machten keinerlei Anstalten mehr, sich der Beute zu nähern. Sie schienen große Angst zu haben.“

      Man konnte den Wind um das Versammlungshaus fauchen hören, und das Knistern des Feuers schien überlaut zu sein, so vollkommen war das Schweigen, das seinen Worten folgte. Boudina hielt den Atem an.

      „Als wir ihn aufbrechen wollten, begann er auf einmal auszuschlagen und versuchte sich wieder aufzurichten!“ fuhr der Häuptling fort. „Es war, als sei sein Geist noch einmal in seinen Leib zurückgekehrt. Da zog Borix sein Schwert und hieb ihm den Kopf ab. Nun war das Tier tot.“

      Toromic erwähnte nicht, dass außer ihm selbst Borix der einzige unter den Männern gewesen war, der sich noch an das Tier herangewagt hatte. Die übrigen Jäger hatten mit von abergläubischer Furcht gezeichneten Gesichtern um den Kadaver herumgestanden. Er erhob die Stimme und breitete seine Arme aus: „Ich halte die Vorgänge für ein schlechtes Omen!“

      Unruhe machte sich breit. Viele Krieger schlugen vor ihre Brustplatten, das Abwehrzeichen gegen böse Geister. Heftige Diskussionen setzten ein.

      Boudina war aufgeregt. Schwer atmend stand sie an den Pfosten gelehnt, von dem aus sie die Ereignisse verfolgt hatte, und sah sich hektisch um. Die Erzählung Toromics ängstigte sie, vor allem aber zerrte die allgemeine Unruhe an ihren Nerven. Während ihr Blick wieder zu Toromic wanderte, der ihr mittlerweile wie ein düsterer Bote des Unheils erschien, glaubte sie plötzlich etwas Seltsames zu hören; etwas, dass wie ein weit entferntes Rauschen klang. Sie riss die Augen auf. Was war das? Da, wieder! Wie das ferne Dröhnen eines Wasserfalls klang es in ihrem Kopf. Sie schüttelte sich, als müsse sie wach werden, doch das Geräusch blieb und deckte langsam den Lärm der Umgebung zu. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als würde sich eine Hand auf ihren Hinterkopf legen, ganz sachte, doch deutlich fühlbar. Boudina fuhr herum, aber es stand niemand hinter ihr. Panik beschlich sie. Ihr Atem ging heftig und sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Ihre Finger krallten sich in den Balken, an dem sie bis eben noch gelehnt hatte. Mühsam versuchte die Tochter Helweds ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. Was geschieht mit mir? fragte sie sich entsetzt …

      ... In der heimischen Hütte gab Helwed ein überraschtes Keuchen von sich. Der Raum war in eine Wolke gräulichen Rauchs gehüllt, den nur die Flammen der Feuerstelle geisterhaft durchglühten. Es stank nach verbranntem Fliegenpilz und Stechwurz. Helwed kniete vornübergebeugt auf dem Boden. Sie schien zu beten, doch ihr Geist befand sich nicht hier. Sie hatte schließlich die Kräuter gefunden, die sie für eine Trance benötigte, und sofort begonnen, mit der Anderswelt, der Welt der Ahnen, Kontakt aufzunehmen. Ihr Geist hatte ihren Körper verlassen und war durch die Gefilde zwischen den Welten gewandert, um ein Ziel in dieser Welt zu erreichen. Sie wollte wissen, wie es Boudina erging. Doch etwas stimmte nicht. Üblicherweise tauchte sie in den Verstand eines sensiblen Menschen ein, um mit dessen Sinnen ihre Umgebung wahrnehmen zu können. Dabei musste sie unendlich behutsam vorgehen, denn in diesem Stadium der Suche wusste sie nie, wessen Körper sie betrat. Erst wenn sie in den Geist eines Menschen eingedrungen war, konnte sie dessen Gedanken fühlen und durch seine Augen sehen. Vorher blieb ihr nur blindes Tasten. Es gab Menschen, in die einzudringen, einfach war, und andere, bei denen es sich als fürchterlich schwer erwies. Doch ganz gleich, zu welcher Sorte der Erwählte zählte - ein Mensch der ihre Anwesenheit

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