Sonne am Westufer. Fabian Holting

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Sonne am Westufer - Fabian Holting

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Bessell tat es ihr gleich und gemeinsam gingen sie das letzte Stück die Straße hinauf, passierten die Eisenbahnunterführung, und als sie nur noch wenige Meter vor sich hatten, murmelte Frau Hengartner, so leise, dass Bessell es gerade eben hören konnte:

      »Wer nimmt sich bloß das Recht heraus, einfach einen Menschen zu töten, nur weil er vielleicht gerade zur falschen Zeit am falschen Ort war?« Dann fragte sie halblaut:

      »Meinen Sie wirklich, der BMW, könnte demjenigen gehört haben, der meinen Mann getötet hat?«

      »Ich weiß es nicht, das wird sicherlich die Polizei herausfinden.«

      Bessell nahm ihr die Klappbox aus der Hand und trug sie vor seine Haustür. Frau Hengartner lachte kurz und hell auf.

      »Glauben Sie das wirklich? Wissen Sie, welchen Eindruck ich von den beiden Kommissaren hatte?« Bessell schüttelte den Kopf.

      »Die denken wohl eher, dass ich meinen Mann erschlagen habe, schließlich wollten wir uns ja scheiden lassen und lebten im ständigen Streit.«

      »Haben sie diese Vermutung Ihnen gegenüber geäußert?«, fragte Bessell.

      »Nein, aber es war deutlich aus ihren Fragen herauszuhören, glauben Sie mir.« Frau Hengartner gab Bessell die Hand. Ihre Augen leuchteten jetzt förmlich und sie sah wieder etwas frischer aus. Bessell konnte nicht widerstehen, ihr kurz auf den Mund zu sehen. Trotz seines flüchtigen Blicks, schien sie es bemerkt zu haben. Nachdem sie sich schon abgewandt hatte, fuhr sie noch einmal herum und fragte ihn:

      »Haben Sie Lust und Zeit, mit mir morgen einen kleinen Ausflug in die Berge oder nach Locarno zu machen? Ich glaube ich könnte etwas Ablenkung gebrauchen und würde mich freuen, nicht allein zu sein.«

      Bessell hatte nichts dagegen und so wie sie vor ihm stand, hätte er ihr auch keinen Wunsch abschlagen können.

      6

      Die Kaffeemaschine gluckste und gab Sauggeräusche von sich. Bessell stand in Boxershorts und einem bunten T-Shirt barfuß daneben. In der Hand hielt er zwei Textseiten, die er am Abend zuvor geschrieben hatte. Mit verbissener Miene las er seine Zeilen. Zwischendurch nahmen seine Gesichtszüge einen genügsamen Ausdruck an, doch im nächsten Moment schon hatte man den Eindruck, er hätte in eine saure Zitrone gebissen. So richtig zufrieden schien er mit seiner Arbeitsleistung nicht zu sein. Die letzten Tropfen fielen in die Glaskanne, die fast zur Hälfte mit pechschwarzem Kaffee gefüllt war und verursachten eine interessante kreisförmige Wellenbewegung. Bessell nahm sich einen Becher aus dem Schrank. Als er sich Kaffee einschenkte, fiel ein letzter Tropfen auf die Heizplatte der Kaffeemaschine und tanzte zischend umher. Filterkaffee trank er nur noch selten, eigentlich nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Auch jetzt hätte er viel lieber einen Espresso oder Cappuccino getrunken, doch dafür hätte er hinunter ins Café gehen müssen. Carla Menotti hätte ihre Freude daran gehabt, ihn mit einem süffisanten Lächeln zu empfangen. Diese Situation wollte er sich unbedingt ersparen. Beim Einschlafen hatte er noch eine ganze Weile über Frau Hengartner und ihren Mann nachdenken müssen. Obwohl es ihm eigentlich egal sein konnte, ging ihm die Frage nicht aus dem Kopf, welche Schlüsse die Leute im Ort aus seinem gemeinsamen Spaziergang mit Frau Hengartner wohl zogen. Denn es war klar, dass es sich herumsprechen würde.

      Als Bessell von seinem schwarzen Kaffee nippte, musste er daran denken, dass es nicht besonders abwegig war, dass Frau Hengartner ihren Mann erschlagen hatte. Und wer erst einmal bei diesem Gedanken angelangt war, der konnte sich gut vorstellen, dass der Schriftsteller Bessell es auch für sie getan haben könnte. Bessell sah aus dem Fenster. Die Kaffeetasse hatte er in der Hand behalten und gelegentlich nahm er einen kleinen Schluck. Es war noch recht früh. Das Wetter schien selbst noch nicht zu wissen, wie es an diesem Tag werden wollte. Immerhin war es trocken. Bessell überlegte, ob Frau Hengartner tatsächlich kommen würde, um mit ihm einen Ausflug zu machen, so wie sie es gestern Abend angekündigt hatte. Zuzutrauen wäre es ihr, und wenn er ehrlich war, dann freute er sich sogar darauf, obwohl die Umstände natürlich alles andere als erfreulich waren.

      Als Bessell sich endlich Frühstück machen wollte, sah er Kommissar Favalli und einen uniformierten Polizeibeamten die Straße hinaufspazieren. Er trat zwei Schritte zurück, denn er wollte nicht am Fenster gesehen werden. Erst vermutete er, sie seien auf dem direkten Weg zu ihm, doch dann sah er, wie beide abbogen und drüben bei Frau Hengartner klingelten. Einen Augenblick dachte er darüber nach, hinauszugehen und ihr beiseite zu stehen. Doch gleich darauf wunderte er sich über einen solch merkwürdigen Gedanken. Er sah an sich herunter und beschloss, sich erst einmal anzuziehen, falls Favalli und sein Kollege ihm doch noch einen Besuch abstatten sollten. Frau Hengartner stand mittlerweile an der Haustür und sprach mit dem Kommissar. Sie machte ein betroffenes Gesicht. Bessell wandte sich ab und ging ins Schlafzimmer. Nachdem er die Hose übergestreift hatte, klingelte es tatsächlich an seiner Tür. Er knöpfte die Hose zu und lief zur Haustür. Vor ihm stand der uniformierte Polizist. Er sprach ihn auf Deutsch an.

      »Signore Bessell, entschuldigen Sie bitte die Störung, Commissario Favalli möchte Ihnen gerne einige Fragen stellen.« Favalli stand auf der Straße und schien auf Frau Hengartner zu warten, die ganz offenbar ins Haus zurückgegangen war, um etwas zu holen. Als er sich umdrehte und Bessell in der Tür stehen sah, winkte er ihm zu.

      »Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«, rief er Bessell über die kurze Entfernung auf Italienisch zu. Bessell nickte und sein Ja war so leise, dass Favalli es unmöglich hören konnte. Der uniformierte Polizist trat einen Schritt zurück und ließ Bessell vorbei, der sich noch schnell seine Jacke von der Garderobe genommen hatte.

      Als er neben Favalli stand, kam Frau Hengartner mit zwei Autoschlüsseln in der Hand aus dem Haus. Sie begrüßte Bessell durch ein neutrales »Guten Morgen« und sah ihn nur kurz an. Favalli fing an zu erklären, was er vorhatte. Er sprach jetzt deutsch, sehr gut und fließend.

      »Ich habe Frau Hengartner gebeten, ihren eigenen Autoschlüssel und den ihres Mannes zu holen. Herr Bessell, Sie hatten gestern angegeben, dass Sie zur Zeit kein Auto besitzen.« Bessell nickte stumm.

      »Gibt es jemanden hier im Ort, der Ihnen gelegentlich sein Auto leiht, wenn Sie ihn darum bitten?« Bessell verneinte die Frage.

      »Was hat das alles mit dem Tod meines Mannes zu tun?«, mischte sich Frau Hengartner ein und sie klang sehr gereizt.

      »Ich will ganz offen sein«, sagte Favalli übertrieben wichtig.

      »Die Gerichtsmedizin in Bellinzona hat bereits eine Aussage zur Tatwaffe gemacht. Es soll sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein mittelschweres, verchromtes Rohr oder Werkzeug handeln. Ein Radschraubenschlüssel oder etwas Ähnliches ist naheliegend. Außer einem Stück Schwemmholz haben wir aber nichts gefunden. Natürlich hatten wir auch das untersuchen lassen.«

      »Sie glauben, dass ich meinen Mann umgebracht habe, das wollen Sie doch damit sagen.« Frau Hengartner sah sehr ärgerlich aus. Ihre Stirn legte sich in Falten und man hatte fast den Eindruck, sie wäre den Tränen nahe. Bessell stand stumm daneben.

      »Was ich glaube, ist nicht von Interesse. Meine Pflicht ist es nur, das aus kriminalistischer Sicht Naheliegendste auszuschließen oder zu bestätigen. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Täter aus dem direkten Umfeld des Opfers kommt, glauben Sie mir. Und jetzt würde ich gerne einen Blick in den Kofferraum Ihres Autos und den Ihres Mannes werfen.«

      Wortlos folgte Frau Hengartner dem Kommissar, der einige Schritte vorausgegangen war. Bessell war stehen geblieben, der uniformierte Polizist stand direkt neben ihm. Favalli drehte sich im Gehen um.

      »Herr Bessell,

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