Sonne am Westufer. Fabian Holting
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Bessell hatte die Angewohnheit, bei ernsten Gesprächen immer etwas teilnahmslos und desinteressiert dreinzublicken. Ihm selbst war das nicht bewusst, doch nach einem Vorstellungsgespräch vor einigen Jahren hatte ihn ein Personalchef darauf angesprochen. Die Stelle hatte er aus diesem Grund nicht bekommen. Bessell nahm eine aufrechte Sitzhaltung ein und sah dann beide Kommissare abwechselnd mit ernster Miene an.
»Doch, doch auch ich habe schon vom Toten unten am See gehört und natürlich ist mir auch das Aufgebot an Polizeiwagen nicht entgangen. Ich bin nur etwas perplex, weshalb sie gerade mich befragen und was die ganze Sache mit meinen Nachbarn zu tun haben könnte.«
»Gut«, sagte Favalli in fast gönnerhaftem Ton, »wir wollen offen mit Ihnen reden. Der Tote unten am See ist Herr Hengartner und wir hatten in Erfahrung gebracht, dass Sie mit ...«
An dieser Stelle stockte Favalli und tat so, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Dann nahm er den Faden wieder auf.
»... mit den Hengartners befreundet sind.«
Bessell erhob sich aus seinem Sessel.
»Von wem haben Sie das denn gehört?« Er wandte sich ab, und noch bevor Favalli antworten konnte, fragte Bessell:
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Nein, danke«, sagten beide fast gleichzeitig. Bessell schenkte sich Mineralwasser ein und kehrte dann zu seinem Sessel zurück. Bevor er sich hinsetzte, nahm er einen großen Schluck.
»Das hat uns jemand hier aus dem Ort erzählt«, gab Favalli endlich zur Antwort. »Würden Sie dieser Aussage nicht zustimmen?«
»Nein, sicher nicht. Ich kenne sie eigentlich nur vom Sehen, und wenn das ausreicht, um befreundet zu sein, dann habe ich mittlerweile trotz meiner kurzen Zeit hier am Lago Maggiore viele Freunde.« In Favallis Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab. Doch er schien nicht bereit zu sein, den Grund hierfür zu erläutern.
»Gut, lassen wir das«, sagte er und in seiner Stimme lag ein Hauch von Resignation. Jetzt ergriff Caroni das Wort.
»Dann würden wir von Ihnen als Nachbarn gerne hören, ob Ihnen gestern etwas aufgefallen ist. Haben Sie die Hengartners im Laufe des Tages gesehen oder gesprochen?«
»Nein, tagsüber war ich hier in der Wohnung und habe geschrieben. Erst als ich abends rausging, um noch etwas Essen zu gehen, habe ich bemerkt, dass die beiden Autos der Hengartners in der Straße standen.«
Caroni nickte zufrieden. Er saß ganz entspannt auf dem Sofa mit rundem Rücken und hielt sich mit beiden Händen an seinem rechten Knie fest, beinahe so, als würde er mit intellektueller Bewunderung einem vorgetragenen Gedicht folgen. Bessell überlegte angestrengt. Er wollte nichts Falsches sagen.
»Als ich draußen auf der Straße stand, habe ich lediglich Frau Hengartner kurz am Fenster gesehen. Sie unterhielt sich offenbar mit ihrem Mann, zumindest habe ich eine männliche Stimme gehört.« An dieser Stelle schaltete sich Favalli wieder ein.
»Stand das Fenster denn offen?«
»Nein das nicht, aber ...« Bessell veränderte seine Sitzposition. Man konnte seiner Mimik ansehen, dass er mühsam nach den richtigen Worten suchte.
»... ich hatte den Eindruck, dass ihre Unterhaltung sehr emotional geführt wurde.«
Favalli lachte kurz auf und besann sich dann wieder auf einen Gesichtsausdruck, der besser zu der Situation passte. Etwas zu ernst fügte er hinzu:
»Sie meinen, dass sie sich gestritten haben?« Bessell sah Favalli misstrauisch an.
»Für diesen kurzen Augenblick machte es zumindest den Anschein, obwohl Frau Hengartners Stimme nicht zu hören war. Ich bin dann gleich weitergegangen.«
Caroni, der sich noch immer mit beiden Händen am Knie festhielt, hakte nach.
»Haben Sie nicht daran gedacht, die Hengartners kurz zu begrüßen, schließlich waren sie doch einige Wochen nicht in ihrer Wohnung hier in Gerra.«
Bessell sah Caroni verständnislos an.
»Daran habe ich überhaupt nicht gedacht, schließlich kenne ich die Hengartners nur flüchtig, auch wenn Sie sich das nicht vorstellen können.«
Favalli bemerkte Bessells Unzufriedenheit mit Caronis Frage und wollte schlichten.
»Bitte verstehen Sie uns nicht falsch, wir glauben Ihnen ja. Ich begrüße meine Nachbarn auch nicht, wenn sie aus dem Urlaub zurückkommen.«
Caroni schlug das linke über das rechte Bein und lehnte sich zurück. Die Arme platzierte er neben seinen Oberschenkeln auf der Sitzfläche.
»Dürfen wir fragen, wo Sie zu Abend gegessen haben?, erkundigte er sich schließlich und sah daraufhin kurz Favalli an, als ob er sich vergewissern wollte, dass dieser mit seiner Frage einverstanden war. Bessell sah Caroni missmutig an. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die beiden ihn mit der ganzen Angelegenheit in Verbindung brachten. Nur den Grund dafür, konnte er sich nicht zusammenreimen. Vielleicht war der Besuch der beiden Kommissare aber einfach nur dem Umstand geschuldet, dass er der Nachbar des Toten war. Und es bestand ja tatsächlich die Möglichkeit, dass ihm etwas aufgefallen war, was zur Aufklärung des Falls hätte beitragen können. Doch komisch kam ihm die ganze Sache schon vor. Auch wenn er schon einige Male im Restaurant in San Nazzaro war, wusste er nicht, wie das Lokal hieß.
»Sie werden sich vielleicht wundern, aber ich merke mir nur selten die Namen der Restaurants, in denen ich esse. Aber es ist eine Art Pizzeria in San Nazzaro, in der ich gestern Abend war. Gleich vorne an, auf der rechten Seite, wenn Sie aus Gerra kommen und in den Ort hineingehen.«
Caroni nahm ein kleines Notizheft aus der Innentasche seiner Jacke und notierte einen Namen.
»Ich glaube, ich weiß, welches Restaurant Sie meinen. Sind Sie mit dem Auto dort hingefahren?«
»Nein, ich habe meinen Wagen vor einigen Monaten verkauft. Ich brauche hier nicht unbedingt ein Auto. Ich gehe gern zu Fuß oder fahre mit dem Bus und demnächst werde ich mir ein vernünftiges Fahrrad zulegen.«
»Wann sind Sie gestern Abend in Ihre Wohnung zurückgekehrt?« Caroni setzte den Kugelschreiber bereits an und wartete geduldig auf eine Antwort.
»Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber es war bestimmt halb zwölf.«
»Und haben Sie noch jemanden auf der Straße gesehen oder ist Ihnen sonst etwas aufgefallen?«, mischte sich jetzt wieder Favalli ein, der schon seit einigen Minuten ungeduldig auf dem Sofa hin- und herrutschte und eine unzufriedene Miene machte. Vermutlich hatte er sich mehr von dem Gespräch mit Bessell erhofft. Bessell hatte schon vor einigen Minuten an den BMW mit dem rumänischen Kennzeichen denken müssen. Vielleicht wäre das ein Hinweis, der die Polizisten zufrieden stimmen könnte.
»Eine Sache ist mir tatsächlich noch aufgefallen. Unten an der Hauptstraße, eigentlich genau dort, wo jetzt die Straße durch die vielen Einsatzfahrzeuge versperrt ist, stand gestern Abend, als ich zurückkam, ein 7er BMW. Ich glaube sogar, das aktuelle Modell.«
Die beiden Kommissare sahen Bessell ungläubig an. Dann senkte Caroni seinen Blick und starrte wieder angestrengt in sein Notizheft. Beinahe gelangweilt murmelte er: