Panoptikum des Grauens. Thomas Riedel

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Panoptikum des Grauens - Thomas Riedel

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Mit ihren nackten Füßen schritt sie langsam die kalten und glatten Marmorstufen der großzügig angelegten Freitreppe des Nachbarhauses hinauf.

      Mit einer tiefen Verbeugung empfing sie der Mann aus dem Hochland Zentralasiens, aber sie nahm es nicht wahr. Sie sah durch ihn hindurch, als sei er gar nicht existent. Unter der mentalen Kontrolle des Orientalen entging ihr auch der Krummdolch in dessen Gürtel. Mit einem hämischen, diabolischen Grinsen betrachtete er sie aus seinen dunklen mandelförmigen Augen.

      Mit schlafwandlerischer Sicherheit durchquerte sie die Vorhalle des Hauses, schritt über einen bunten indischen Teppich und wandte sich nach links, um die Galerie zu erreichen.

      Gleich darauf stand sie, ohne anzuklopfen, im Zimmer des geheimnisvollen Mannes. Wortlos ließ sie sich in einen goldenen, reichlich bestickten Sessel fallen. Mit gespannter Aufmerksamkeit wartete sie, als willenlose Marionette, hoch aufgerichtet, auf seine neuen telepathischen Befehle.

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      Kapitel 2

      G

      eräuschlos hatte er das Zimmer betreten und musterte die junge Frau eine Weile. Er tat es in der Art und Weise eines wissbegierigen Forschers, der sein aktuelles Studienobjekt auf einem Glasträger durch das Okular seines Lichtmikroskops betrachtete.

      »Mein Name ist Kianoush Timurcan Shabistari«, stellte er sich nach einiger Zeit des Schweigens vor. »Ich besitze zwar einen iranischen Pass und damit die iranische Nationalität, aber eigentlich bin ich Pakistani. Mein Geburtsort liegt in jenem Teil des Landes, der 1947 nach dem Abzug der britischen Kolonialtruppen an die Moslems fiel. Allerdings war der Vater meines Großvaters zu diesem Zeitpunkt bereits aus ganz bestimmten Gründen in den Iran geflohen. Ich bin mir sicher, dass Ihnen Ihr Urgroßvater, Sir Winston, davon erzählt haben wird, Miss Coleman.«

      »Mein Urgroßvater spricht ständig über seine Zeit in Indien, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass er Sie oder Ihren Vater jemals erwähnt hätte«, antwortete sie und hob vertrauensvoll ihr Engelsgesicht, das umrahmt war von einer Flut blonder Haare.

      »Das mag schon möglich sein«, räumte Shabistari ein. »Er hat auch allen Grund dazu, diese Episode aus seinem Leben zu verschweigen ... Ich werde Sie also einweihen in das düstere Geheimnis, das Ihren so jovialen und beliebten Urgroßvater begleitet, … seit nahezu siebzig Jahren.« Er schwieg, um sich zu konzentrieren. Seine Nasenflügel bebten. Wie unter einer furchtbaren, seelischen Anspannung rang er seine schmalen Künstlerhände, ehe er fortfuhr: »Ihr Urgroßvater war zu jener Zeit sechsundzwanzig Jahre alt, Major und Kommandeur einer Gurkha-Einheit. Sein Auftrag war es, einen der vielen lokalen Aufstände mit aller Härte niederzuschlagen. Der Widerstand der Eingeborenen war ungewohnt heftig. Sie standen unter der Führung eines Gurus, nämlich meines Urgroßvaters, der den Engländern eine empfindliche Niederlage bereitet hatte. Lord Coleman nahm unser Dorf, das Zentrum des Widerstandes, ein und gab es prompt zur Plünderung frei. Mein Urgroßvater hatte noch rechtzeitig in die Berge fliehen können. Aber meine Urgroßmutter, … jung verheiratet, … wurde von den Gurkha-Soldaten aufgestöbert und als Frau des Anführers der Aufständischen erkannt. Man schleppte sie zu Major Winston Coleman, der daraufhin meinen Urgroßvater zu erpressen versuchte. Er ließ ihm die Nachricht zukommen, dass er meine Urgroßmutter dem zügellosen Soldatenhaufen überlassen würde, wenn er nicht innerhalb von zwei Tagen Nachricht bekäme, dass mein Urgroßvater sich aller agitatorischen Maßnahmen enthalten und seine Anhänger nach Hause schicken würde. Zusätzlich sollte mein Urgroßvater seine Heimat, sein Land verlassen. Nun, … mein Urgroßvater akzeptierte. Es blieb ihm ja auch keine Wahl, wenn er seine Frau retten wollte. Also gelobte er feierlich, alle Bedingungen des erzwungenen Vertrages zu erfüllen. Lord Coleman vertraute ihm. Die Gefangene wurde ausgetauscht. Beide Seiten hatten sich an die Vereinbarungen gehalten, sobald mein Urgroßvater die Landesgrenze hinter sich gebracht hatte.«

      »Dann ist doch alles gut«, atmete Kayleen erleichtert auf.

      »Gut? Keineswegs!«, zischte er. In seinen Augen loderte offener Hass. »Meine Urgroßmutter, … sie hat längst Selbstmord begangen, … war eine ausgesprochen schöne Frau. Ihr Urgroßvater, Miss Coleman, damals noch unverheiratet, konnte der Versuchung nicht widerstehen. Es geschah, kurz bevor meine Urgroßmutter freigelassen wurde. Niemand fand die Möglichkeit ihrem Mann die Nachricht überbringen zu können. Er war völlig ahnungslos, und … diese Vergewaltigung … sie hatte Folgen!«

      »Dann wären Sie ja ...« In ihren Blick mischte sich Verwirrung und Entsetzen.

      »Kein Wort mehr, Miss Coleman!«, fauchte Kianoush Shabistari. Sein Gesicht war jetzt eine einzige Fratze aus Wut und Verzweiflung, und er brauchte eine Weile, ehe er seine Fassung zurückgewann. »Mein Urgroßvater ist schon lange Tod, aber mein Großvater und mein Vater, sie starben vor acht Jahren bei einem Bombenanschlag in Pakistan, erzogen mich im Hass auf die Engländer im Allgemeinen und Lord Coleman im Besonderen«, berichtete er weiter. »Sie zogen sich mit mir in die Einsamkeit zurück. Wir widmeten uns der Vorbereitung einer Rache, wie sie die Welt noch nicht erlebt hatte. Sie wiesen mich in alle okkultistischen Geheimlehren des Fernen Ostens ein, unterrichteten mich in Hypnose und Telepathie, Meditation und Telekinese, ohne aber die modernen Fächer zu vernachlässigen, die zur Erziehung junger Menschen gehören. Ich wurde schnell das, was man in Ihrem Land einen ›Allroundman‹ nennen würde. Reichtum stellte sich ganz nebenbei ein. Er war die natürliche Folge der übernatürlichen Kräfte meines Großvaters und Vaters, die Kranke heilten, Dämonen vertrieben und Unbequeme verschwinden lassen konnten. Sie sammelten eine Schar von Anhängern um sich und residierten in einer Felshöhle wie der Schahanschah persönlich. Tatsächlich drang ihr Ruf bis Teheran. Aber sie schlugen keinen Nutzen daraus, lebten nur für den Tag der Rache, auf den sie mich konsequent vorbereiteten. Und jetzt, Miss Coleman, ist es soweit.«

      »Was haben Sie vor?«, fragte sie. Die Ankündigung versetzte sie in Panik.

      »Damit Sie begreifen, was Ihren Urgroßvater erwartet und seine ganze Familie, will ich Ihnen zeigen, was ich jenem Mann angetan habe, der meine Familie auf Befehl von Colonel Winston Coleman in Pakistan aufspürte und meinen Urgroßvater und Vater ermorden wollte«, erwiderte Shabistari mit einem diabolischen Grinsen. »Der gute Lord Coleman fühlte sich nämlich nach seinem Verbrechen nicht mehr allzu sicher. Er fürchtete um seinen guten Ruf bei Hofe. Leute vom Geheimdienst, Überläufer und Kollaborateure aus dem Grenzgebiet trugen ihm die Nachricht zu, die sein schlechtes Gewissen ständig wachhielt.«

      Er winkte ihr auffordernd zu, worauf sie sich widerstrebend erhob.

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      Ihr Instinkt warnte sie, aber sie besaß weder den Mut noch die Kraft, sich gegen seinen Willen aufzulehnen. Sie war unfähig, eine eigene Entscheidung zu treffen, und in der Hand eines Mannes, dessen Ziel es war, ihren Urgroßvater und die ganze Familie mehr leiden zu lassen, als es das je ein Mensch zuvor musste.

      Shabistari führte seine Gefangene in einen dunklen Raum. Er stand dicht neben ihr, sog den Duft ihres Haares ein und fühlte ihre Gestalt an seiner Seite. Ein Umstand, der seine Vorfreude auf das, was er ihr anzutun gedachte, noch verdoppelte.

      Ihr blieb nichts anderes übrig, als stumm auf den Beginn der Demonstration zu warten. Sie ahnte nicht, dass er ihr genau die Rolle zugedacht hatte, in der sich seine unglückliche Urgroßmutter vor nahezu siebzig befand. Aber irgendeine Vorahnung, ein unfassbares Grauen ließen sie bis ins Mark erzittern, ohne dass sie die Kraft fand zu fliehen und sich in Sicherheit zu bringen.

      Shabistari

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