Panoptikum des Grauens. Thomas Riedel

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Panoptikum des Grauens - Thomas Riedel

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soll diese Kayleen denn sein, zum Donnerwetter?«, erkundigte sich seine Lordschaft. Er kniff ein Auge zu und starrte ihn fragend an. »Ist das Mädchen wenigstens hübsch?«

      »Ich spreche von Ihrer Urenkelin, Sir Winston«, stellte Whitemoore klar, und sein Blick wanderte zwischen den beiden alten Leuten irritiert hin und her, während er zu ergründen suchte, was hier gerade vor sich ging.

      Der greise Mann wusste mit dieser Erklärung offenbar nichts anzufangen, während seine Tochter eine sehr naheliegende, aber falsche Möglichkeit andeutete, als sie mit dem Finger drohte und sagte: »Ein Gentleman trinkt nicht vor acht Uhr abends, Roger.«

      Whitemoore schaute völlig verwirrt zwischen den beiden hin und her. Dann nahm er unaufgefordert Platz. »Sie wollen also allen Ernstes behaupten, Sie hätten keine Enkelin Kayleen, einundzwanzig Jahre alt, etwa fünfeinhalb Fuß groß, blond, blauäugig, mit einem winzigen Muttermal hinter dem rechten Ohr?«, fragte er Sir Winstons Tochter, davon ausgehend, dass sie die beiden alten Herrschaften einen absurden Scherz mit ihm erlaubten.

      »Verstehst du das, Sarah?« Seine Lordschaft zwirbelte seinen eisgrauen Walrossbart. Er warf seiner Tochter einen fragenden Blick zu.

      »Sicher«, erwiderte sie, allerdings nicht mehr ganz so gnädig. In ihrer Stimme schwang ein kriegerischer Ton mit. Sie beachtete Whitemoore kaum noch, sondern bedachte ihn lediglich noch mit einem beiläufigen Kopfnicken. »Entweder hat er seine zahllosen Amouren durcheinandergebracht, oder der ständige Klimawechsel bekommt ihm nicht.« Erst jetzt wandte sie sich wieder Whitemoore zu. »Roger, Sie müssen mir versprechen, dass Sie umgehend einen Arzt aufsuchen.« Sie klopfte auf dem Platz neben sich. »Und jetzt seien Sie brav, setzen Sie sich zu mir, und erzählen Sie von Ihrer letzten Reise. Sie können das so ausgezeichnet. Sie dürfen nur nicht wieder so einen ausgefallenen Spaß mit uns treiben.« Sie zwinkerte ihm wohlwollend zu. »In meinem Alter lasse ich mir keine Enkelin mehr unterschieben, die es nicht gibt, Roger.«

      Entweder träume ich, oder ich bin in einem Irrenhaus gelandet, dachte Whitemoore, während Lady Sarah nach dem Butler klingelte, um ihm einen Tee anzubieten.

      Als der der Bedienstete im Livree eintrat, schoss Whitemoore hoch, lief auf ihn zu und rief: »John, Sie kennen mich, und Sie kennen diese beiden Herrschaften ... Kennen Sie auch eine Miss Kayleen Coleman?«

      John war ein hagerer Mann mit einem bleichen Gesicht und von unbestimmbarem Alter. Sein Haar lichtete sich bereits auf dem Hinterkopf. Er zögerte mit der Antwort. »Ich muss gestehen, … den Namen höre ich heute zum ersten Mal, Sir«, erklärte er mit würdevoller Steifheit.

      Whitemoore war sich sicher, dass John sich niemals einen Spaß mit einem der Gäste des Hauses erlauben würde. Entsprechend verzweifelt fuhr er mit einer Hand durch sein kurz geschnittenes blondes Haar. Seine vom Aufenthalt in die Vereinigten Arabischen Emiraten war sichtlich eine Spur blasser geworden.

      »Sie wollten doch mit dem Unsinn aufhören«, mischte sich Lady Sarah schneidend und vorwurfsvoll ein, nur um gleich darauf deutlich sanfter hinzuzufügen: »Nun setzen Sie sich endlich zu mir, und seien Sie endlich ein braver Junge, Roger.«

      »Nun, dann helfen offensichtlich nur noch Beweise«, stöhnte Whitemoore verzweifelt. »Würden Sie mir bitte folgen?«

      »Wozu? Und wohin überhaupt?«, erkundigte sich Sir Winston gereizt.

      »Wir sollten ihm den Gefallen tun, Vater«, entschied Lady Sarah großmütig. »Der junge Mann regt sich sonst unnötig auf. Wir wollen doch nicht, dass er noch einen Herzanfall bekommt, nicht wahr?«

      »Nein, natürlich nicht, mein Kind.«

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      Roger Whitemoore stürmte die Treppe in den ersten Stock der Villa hinauf, rannte den Korridor entlang und riss die Tür zu Kayleens Zimmer auf. Er sah auf den ersten Blick, dass sich hier nichts verändert hatte.

      Nur ihr Schrank war leer. Da war nichts mehr, dass an Kayleen Coleman erinnerte. Es war, als habe sie nie existiert. Auch die zahlreichen Urkunden der Tennissiege, auf die sie immer so stolz gewesen war, hingen nicht mehr an der Wand.

      »Das ist unser Gästezimmer«, meinte seine Lordschaft ruhig, nachdem er zu ihnen aufgeschlossen hatte. »Was ist damit?« Er zuckte fragend die Achseln. »Was sollte das schon beweisen?«

      »John soll das Familienalbum bringen«, bat Whitemoore verstört. »Es muss doch irgendeine Spur von Ihrer Urenkelin geben, Sir Winston.«

      »Jetzt hören Sie doch endlich damit auf, uns eine Enkelin aufschwatzen zu wollen«, protestierte Lady Sarah.

      Whitemoore klingelte nach dem Hausangestellten.

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      Zehn Minuten später erschien der Butler mit dem gewünschten Album und legte es vor, ohne eine Miene zu verziehen.

      Whitemoore schlug Seite auf Seite um, aber nirgends gab es eine Aufnahme von Kayleen. »Dieses Bild, dies und das hier ebenfalls, sind erst kürzlich durch Landschaftsaufnahmen ersetzt worden«, stieß der Architekt aufgebracht hervor. Er deutete auf die entsprechenden Stellen. »Ich kann Ihnen auch genau sagen, was sich vorher dort befunden hat.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf eine Stelle rechts oben. »Hier zum Beispiel konnte man Kayleen als Dreizehnjährige sehen mit ihrem ersten Pony. Und hier unten …«, er hatte eine Seite umgeschlagen, »Kayleen mit ihrem ›English Pointer‹.« Whitemoore stutzte. »Die Hündin! Natürlich!«, rief er. »Joyce lag vorhin neben der Küchentür.«

      »Das ist doch nicht ungewöhnlich, Roger. Das tut er immer«, meinte Lady Sarah. Sie sah ihn ratlos an.

      »Er gehört Kayleen.«

      »Nein, er gehört mir«, bestritt Sir Winstons Tochter energisch.

      Whitemoore war nahe daran, seine Hände um den faltigen Hals der Mittsiebzigerin zu legen und fest zuzudrücken. »Jetzt kommen Sie«, bat er, sich mühsam beherrschend. »Geben Sie mir noch eine Chance.«

      »Roger«, sagte Sir Winston gelassen, »Sie wissen, ich habe eine Menge für Sie übrig. Aber Sie sollten meine Geduld nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.«

      »Nun las ihn doch, Vater«, tadelte ihn seine Tochter. »Du siehst doch, wie wichtig das alles für ihn ist und wie es ihn mitnimmt. Der Junge ist ja völlig durcheinander.« Beschwichtigend legte sie ihre Hand auf den Arm ihres Vaters.

      Unterdessen stürmte Whitemoore bereits wieder in das Erdgeschoss und lockte die Hündin. »Na, komm schon! … Joyce! Na, altes Mädchen?«

      Schweifwedelnd kam die ›English Pointer‹-Dame auf ihn zu und begrüßte ihn herzlich. Sie hatte ihn und Kayleen auf manch einem ausgedehntem Spaziergang begleitet und war von ihnen verwöhnt worden.

      Seine Lordschaft betrachtete den jungen Architekten mit Misstrauen. »Wie wollen Sie mir eigentlich mit Hilfe eines Hundes beweisen, dass ich in eine Irrenanstalt gehöre? … Ich mag ja inzwischen geistig nicht mehr so leistungsfähig sein, und in meinem gesegneten Alter ist das sicher gestattet, junger Mann, aber ich bin keineswegs verwirrt«, bemerkte er spöttisch. »Wenn ich eine Urenkelin hätte, wäre ich der erste, der sich darüber freuen würde. Ich mag Kinder.«

      Whitemoore wusste sich das rätselhafte Verhalten nicht zu erklären, aber ahnte,

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