Panoptikum des Grauens. Thomas Riedel
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Читать онлайн книгу Panoptikum des Grauens - Thomas Riedel страница 5
»Wie interessant«, murmelte seine Lordschaft, wenig überzeugt, wechselte einen Blick geheimen Einverständnisses mit seiner Tochter und versenkte beide Hände in den Taschen seines Hausmantels.
»Hören mir jetzt gut zu«, beschwor Whitemoore die Hundedame und nahm den Kopf des Tieres zwischen beide Hände. »Geh‘ und such‘ Frauchen, Joyce … Such‘!«
Der Hündin stutzte, rannte dann los und kratzte an der Haupttür.
Whitemoore schaute Sir Winston triumphierend an.
Seine Lordschaft schickte einen verzweifelten Blick an die Zimmerdecke.
Whitemoore öffnete dem jaulenden Tier. Joyce schoss in den Park und er lief hinterdrein.
»Vermutlich hat sie draußen einen Knochen vergraben«, höhnte Lord Coleman, der mit seinem Gehstock unter der Tür stehengeblieben war.
Der ›English Pointer‹ rannte zielstrebig den Kiesweg hinunter. Gleich darauf kratzte die Hundedame an der Verbindungspforte zum Nachbargrundstück.
Als Whitemoore atemlos aufschloss, zögerte er für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er entschlossen den Türgriff nach unten drückte.
Doch das Tor war versperrt.
Gespannt spähte Whitemoore durch das wuchernde Grün hinüber. Dabei bemerkte er den Fremden, der auf dem Balkon stand, den Rauch einer Zigarette aus einer elfenbeinernen Spitze inhalierte und ihn, wie ein lästiges Insekt, mit unverhohlenem Hohn betrachtete.
»Haben Sie den Schlüssel?«, rief Whitemoore ihm zu.
Der Orientale schüttelte stumm den Kopf.
»Kennen Sie eine gewisse Kayleen Coleman?«, setzte er verzweifelt nach.
»Ich kümmere mich nicht um meine Nachbarn«, antwortete Kianoush Shabistari gelassen. »Aber soviel ich weiß, gibt es in der Familie seiner Lordschaft niemand mit diesem Namen. Aber fragen Sie Sir Winston doch selbst.«
Wie betäubt wandte Whitemoore sich um, während die Hündin immer wieder kläffend an der verschlossenen Pforte emporsprang. »Komm‘, Joyce«, flüsterte er. »Uns beiden glaubt ja eh niemand.« Aber damit ließ sich die ›English Pointer‹-Dame nicht beruhigen, und er kniete nieder, um sie zu besänftigen. Und plötzlich stutzte er.
Im Gras lag ein dünnes Goldkettchen mit einem Anhänger, eine etwas kitschige türkische Arbeit, die aber mit einem wertvollen Rubinherz verziert war. Auf einer winzigen Goldplatte jedoch waren die Worte eingraviert: ›Kayleen. In Liebe – Roger‹.
»Da ist der Beweis!«, rief er erregt, während er mit seinem Fund zu seiner Lordschaft gerannt war.
Der greise Mann lächelte überheblich. »Da steht aber nichts davon, dass diese geheimnisvolle Kayleen meine Urenkelin ist«, stellte er klar.
Whitemoore warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wenn es nicht gerade Mittag wäre, genügte ein Anruf beim Standesamt«, knirschte er. »Das würde Sie doch überzeugen, nicht wahr?«
»Nur davon, dass auch britischen Behörden Fehler unterlaufen«, parierte Sir Winston ironisch, worauf seine Tochter lauthals auflachte.
Es war offensichtlich, dass die beiden Alten langsam des seltsamen Spieles überdrüssig wurden.
»Ich weiß, dass da irgendetwas nicht stimmt«, überlegte Whitemoore halblaut. »Ich ahne, dass Kayleen in Not ist.«
»Sie haben doch einen Onkel beim Yard, Roger«, schlug seine Lordschaft im Scherz vor. »Vielleicht können Sie den für Ihre Jagd nach dieser mysteriösen Kayleen einspannen.«
»Er hat gerade eine neue Abteilung ins Leben gerufen«, nickte Whitemoore. »Das ›B.O.O.R.‹, ›Bureau of Occultism Research‹, und befasst sich mit allen Kriminalfällen, die den Rahmen des Üblichen sprengen. Zwei seiner Leute, ein gewisser Chief Inspector Issac Blake und dessen Partner Inspector Cyril McGinnis, haben gerade einen erstaunlichen Fall gelöst, der in Durness, an der Nordküste Schottlands spielte, wie Sie den Zeitungen sicher entnommen haben werden, Sir.[1]«
»Ich erinnere mich an die Artikel«, stimmte Sir Winston zu.
»Kann ich von hier aus telefonieren«, fragte Whitemoore erschöpft. Er war mit seinem Latein am Ende.
Seine Lordschaft nickte. »Geheimnisvoll am lichten Tag, lässt sich Natur des Schleiers nicht berauben. Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben«, brummte er leise vor sich hin.
Kapitel 4
M
it wachsender Unruhe beobachtete Kianoush Shabistari die Arbeit der britischen Polizei, die, von Roger Whitemoore alarmiert, mit zwei Fahrzeugen vor dem Nachbarhaus vorgefahren war.
Es waren mehrere Beamte in Uniform und Zivil vom New Scotland Yard, die offenbar einen Arzt mitgebracht hatten.
Der Orientale lächelte grausam in sich hinein, während er, hinter der Gardine verborgen, in seinem Arbeitszimmer stand und das Geschehen verfolgte, soweit es ihm von dort aus möglich war. Er wusste, dass sich der Mediziner an der harten Nuss die Zähne ausbeißen würde und niemals die hypnotische Sperre brechen würde, mit der er Lord Colemans Bewusstsein blockiert hatte. Und auch bei dessen Tochter und dem Personal würde es ihm nicht anders ergehen.
Er hatte sie alle langsam, aber sicher unter den erstickenden Einfluss seines dämonischen Willens gezwungen. Sie handelten und antworteten, dachten und redeten nicht mehr wie freidenkende Menschen. Die Gedanken der von ihm Hypnotisierten kreisten in harmlosen Bahnen ungehindert dort, wo sie ihm nicht schaden konnten. Er hatte sie in Bezug auf Kayleen Colemans Person ausgeschaltet und alle Begleitumstände ihres rätselhaften Verschwindens. Selbst, wenn man sie mit einem einwandfreien Geburtsschein der Vermissten konfrontiert hätte, diese Marionetten wären nie bereit gewesen, die Existenz des unglücklichen Mädchens anzuerkennen. Alle Erinnerungen waren gelöscht. Wäre dieser Roger Whitemoore nicht aufgetaucht, niemals wäre eine Anzeige erfolgt.
So aber musste er sich eingestehen, dass sein System Lücken aufwies, und es galt, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Er klingelte nach seinem Getreuen.
Der Tibetaner erschien lautlos und prompt wie der Geist aus Aladins Flasche. Stumm verbeugte er sich mit ehrerbietigem Gruß, ging in gebührendem Abstand auf die Knie und erwartete die Befehle seines Herrn – unterwürfig wie ein Hund.
»Wir werden verschwinden müssen«, entschied Kianoush Shabistari. »Du wirst vorausgehen. Du weißt, wohin! Nimm alle meine