Frau mit rotem Hut. Erich Hübener

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Frau mit rotem Hut - Erich Hübener

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mal, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, wie lange ein Falke über seiner Beute schwebt. Er wartet auf die günstigste Gelegenheit. Jeder Fehlversuch könnte das endgültige Ende seiner Observation sein. Und dann, im richtigen Moment, stößt er zu, aus großer Höhe, mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Zugriff! – Na ja, auch bei einem Falken ist nicht jeder Zugriff von Erfolg gekrönt. Seien Sie deshalb nicht zu sehr enttäuscht, wenn mal etwas misslingt. Überlegen Sie stattdessen, was Sie falsch gemacht haben und versuchen Sie es beim nächsten Mal besser zu machen.“

      Jetzt, da er den falschen Ausweis in der Hand hielt, wusste er, dass alles schnell gehen musste. Der „echte“ Sebastian Sommer saß in Untersuchungshaft. Und das konnte lange dauern. Man wollte ja eigentlich gar nicht ihn, sondern den reichen Magnaten, der ihn nur benutzte und hinter dem man den Kopf einer Fälscherbande vermutete.

      Winner erinnerte sich an einen alten Bekannten, einen Holländer, Jan de Fries. Dem hatte er mal den Sohn zurückgebracht, der ausgerissen war und ihm zufällig in die Hände fiel. Damals hatte Jan der Fries gesagt: „Wenn du mal Urlaub machen willst – ich habe ein Haus auf Lanzarote. Das steht meistens leer. Also, wenn du mal richtich utspannen willst, dann sachst du Bescheid.“

      (Wie es sich bei Holländer so anhört, wenn sie versuchen Hochdeutsch zu reden.)

      Winner griff zum Telefon und rief an. Jan de Fries zierte sich nicht lange und sagte: „Na klar, alter Junge, natürlik kannst du das Haus haben. Es ist cherade nicht bewohnt. Du cheest einfach zu Ramona und holst dir den Schlüssel. Sie wohnt chleich nebenan und kümmert sich ein bischen um das Haus, wenn niemand darin wohnt. Sie lüftet ab und zu mal und chießt die Planten. Ich ruf sie an, dann weiß sie chleich Bescheid. Also viel Spaß und chute Erholung.“

      Winner hatte nur einen kleinen Koffer gepackt. Nicht mehr als das, was man eben so braucht, wenn man ein paar Tage Urlaub machen will. Und da es auf Lanzarote immer schön warm sein soll, brauchte er ja auch keinen dicken Pullover mitzunehmen. Um sein Inkognito nicht zu gefährden, aber auch, um sich im Zweifelsfall ausweisen zu können, hatte er seinen Führerschein, seinen Dienstausweis und seine Krankenkarte in das Futter seiner Jacke eingenäht. Dann hatte er im Internet ein Last - Minute - Angebot für einen Flug und einen Urlaub auf Lanzarote gebucht: Zehn Tage in einem Hotel in Costa Teguise für 499 Euro. Das fand er in Ordnung. Und das Hotel würde ihn kaum suchen lassen, wenn er dort einfach nicht erschien. Bei den Tausenden an Gästen würden sie einen Einzelnen wohl noch nicht einmal vermissen – dachte er. Schließlich war das Zimmer bezahlt. Und das war sicher die Hauptsache.

      Schon am nächsten Tag um elf Uhr ging der Flug. Er hatte sich nicht großartig abgemeldet, sondern nur einen Zettel auf dem Schreibtisch hinterlassen auf dem stand: Bin unterwegs. Und das war ja noch nicht einmal gelogen. Bis seine Kollegen dahinterkommen würden, dass er sie ausgetrickst hatte, war er sicher schon weit weg und nicht mehr erreichbar.

      Bei der Gepäckkontrolle gab es keine Probleme. Nur bei der Passkontrolle meinte der Beamte nach längerer Betrachtung des Ausweises und der dazugehörigen Person: „Sie müssen mal ein neues Foto für Ihren Ausweis machen lassen.“

      „Ja, oder meinen Bart abrasieren“, antwortete er scherzhaft.

      „Genau“, sagte der Beamte und nickte.

      „Ich verspreche, dass ich mich darum kümmern werde“, sagte Winner und passiere die Kontrollstelle.

      Vier Stunden später schwebte Winner bereits im Landeanflug über Lanzarote.

      Aus der Vogelperspektive bot die Insel ein überwältigendes Bild. Wenn die vielen kleinen weißen Häuser nicht wären, könnte man meinen auf dem Mond zu landen, so zerklüftet und eintönig sah das Land aus. Braun war die beherrschende Farbe. Ein Aschekegel reihte sich an den anderen und dazwischen gähnten die leeren Trichter der erloschenen Vulkane. Kaum etwas Grünes war zu sehen, stattdessen spiegelte sich die Sonne in den türkisfarbenen Swimmingpools der Ferienhäuser und der Touristenanlagen. Von einem Swimmingpool hatte Jan de Fries nichts gesagt, oder?

      Winner erinnerte sich gerade an eine der Nachbarinseln: Teneriffa. Dort hatte er vor Jahren einmal vier Wochen im Rahmen eines Amtshilfeersuchens bei der Polizei gearbeitet. Es ging damals um deutsche Touristen, die mehrere krumme Dinger gedreht hatten. Bei den Verhören hatten sie sich in solche sprachlichen Spitzfindigkeiten geflüchtet, dass selbst ein guter Dolmetscher an seine Grenzen gekommen war. Aus dieser Zeit stammten auch Winners bescheidene Kenntnisse der spanischen Sprache. Er hatte zwar schon als junger Mann einen Spanisch-Grundkurs bei der Volkshochschule absolviert, aber das war lange her und es war nicht mehr sehr viel davon hängen geblieben. Er kannte ein paar der gängigen Redewendungen und einige Sätze, die zum Einkaufen reichten oder um in einem Restaurant die Speisekarte zu lesen und das Essen zu bestellen. Aber es machte ihm Spaß, in einem Restaurant oder an einer Bar anscheinend unbeteiligt neben anderen Gästen zu sitzen und zu lauschen. Immerhin reichte sein Sprachverständnis dann oft dazu aus, wenigstens zu verstehen, worum es in deren Gespräch ging.

      Eine „Unsitte“ der Spanier konnte er allerdings überhaupt nicht leiden, nämlich dass sie seiner Meinung nach viel zu schnell sprachen und dann oft auch noch die Endungen der Wörter verschluckten. Manchmal konnte man den Eindruck haben, dass ein Satz aus einem einzigen sehr langen Wort bestand. Außer, wenn sie das Wort „pero“ – also „aber“ – einschoben. Dann machten sie immer eine kurze oder etwas längere Pause, um nachzudenken oder um Luft zu holen und dann mit unverminderter Geschwindigkeit fortzufahren. Der spanische Kollege auf Teneriffa hatte damals gesagt: „Meinst du, dass es uns mit der deutschen Sprache anders ergeht?“

      Die Kontrolle am Flughafen Lanzarote war eigentlich ziemlich unproblematisch. Man ging einfach zwischen zwei Schaltern hindurch und dann war man auf der Insel. Gelegentlich wurde zwar ein Fluggast gefragt, ob er etwas zu verzollen habe, aber kontrolliert wurde selten.

      Als Winner den Schalter bereits passiert hatte wurde er von einem Beamten der Polizei angesprochen: „Bitte, folgen Sie mir“, sagte er auf Deutsch und führte Winner in einen kleinen Nebenraum.

      Was war das? Lag es an seinem kleinen Gepäck? So reist doch kein echter Urlauber. War er aufgeflogen oder war er nur zufällig die Nummer soundso, die routinemäßig kontrolliert wurde?

      Bei ihm wurde eine Leibesvisitation durchgeführt und sein Koffer wurde einmal aus- und wieder eingepackt. Dann sagte der Beamte: „Entschuldigen Sie bitte die Störung“, und Winner durfte gehen.

      Draußen machte er sich allerdings noch einige Gedanken. War man ihm auf der Spur oder war es nur eine Stichprobenkontrolle, die ihn zufällig getroffen hatte? Oder war der kleine Ganove aus Deutschland, dessen Identität er benutzte, hier doch bekannt? Oder war alles doch nur reiner Zufall? Aber als Kriminalhauptkommissar mit etlichen Dienstjahren auf dem Buckel hatte er es sich eigentlich abgewöhnt an Zufälle zu glauben.

      Er kaufte sich am Flughafen einen deutschen Reiseführer für Lanzarote und stellte fest, dass man den Ort Mala mit einem öffentlichen Bus erreichen kann. Den nahm er dann auch, denn er wollte sicher gehen, dass man seine Spur nicht über die Taxizentrale verfolgen konnte.

      E-Mail

      Von: Flughafenpolizei Arrecife

      An: Polizeistation Haria

      Betreff: Amtshilfeersuchen zwecks Überprüfung einer

      Person

      Haben soeben einen deutschen Fluggast

      kontrolliert – nennt sich Sebastian Sommer,

      ist

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