Frau mit rotem Hut. Erich Hübener

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Frau mit rotem Hut - Erich Hübener

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um sich die eigenartigen runden Gebilde anzusehen, die ihm schon bei seinem Eintreffen aufgefallen waren. Bei näherem Hinsehen meinte er zu erkennen, dass es sich um Zisternen handelte, in denen man früher anscheinend Regenwasser aufgefangen hatte.

      Ein paar Schritte davon entfernt glitzerte etwas im trockenen Gras. Er trat hinzu und sah mehrere kleine weiße Porzellanscherben am Boden liegen. Er hob einige davon auf und stellte fest, dass es sich offensichtlich um Scherben von früheren Porzellanfiguren handelte, denn er fand sogar ein Teil eines kleinen Kopfes. Waren es Scherben kleiner Nippes-Figuren, wie die Frauen sie früher auf Schränke, in Regale oder auf Fensterbänke stellten oder war es zerbrochenes Kinderspielzeug? Sollten hier tatsächlich einmal Kinder gelebt haben? Und wenn ja, wie lange mochte es her sein? Fragen über Fragen. Winner steckte alle Scherben ein und beschloss, sich beim Inselmuseum zu erkundigen. Für heute war es genug, beschloss er. Aber er würde wiederkommen, das stand fest.

      Die Piraten

      „Opa Albertos, erzähl uns doch bitte nochmal die Geschichte von den Piraten“ bat Isabel, als sie mit ihm und Diego an einem Nachmittag wieder einmal in der schattigen Laube saß.

      „Ja, ja, ihr beiden“, sagte er, „das war eine schlimme Zeit damals, als wir immer wieder überfallen wurden. Sie kamen übers Meer von irgendwoher, aus Spanien oder Portugal oder auch vom afrikanischen Festland, aus Marokko. Sie überfielen uns einfach und plünderten uns aus. Sie nahmen alles mit, was sie gebrauchen konnten, auch unsere Vorräte an Korn, Fleisch und Wein. Wer sich ihnen in den Weg stellte wurde umgebracht oder gefangen genommen. Sie nahmen vor allem die jungen gesunden Männer mit. Und wenn man sie wiederhaben wollte, musste man viel Geld bezahlen, sonst wurden sie als Sklaven in die ganze Welt verkauft. Aber wir Lanzaroteños wussten uns schon immer zu helfen. Wenn unsere Fischer auf dem Meer ein Piratenschiff sahen, dann haben sie uns mit Blinkzeichen gewarnt. Und die Männer auf den Aussichtstürmen haben die Signale weitergegeben. Dann haben sich alle Frauen und Kinder in den Höhlen versteckt, in der Cueva de los Verdes und der Los Jamos del Agua. Die große Höhle ist mehrere Kilometer lang und sehr verzweigt. Nur die Einheimischen kannten sich dort aus. Es gibt heute dort noch Gänge, wo man niemals jemanden finden würde, der sich dort absichtlich versteckt. Die Männer trafen sich dann am Hafen um mit dem Grafen zusammen die Insel zu verteidigen. Manchmal haben sie es geschafft und manchmal haben sie verloren.“

      „Opa! Die Geschichte!“, unterbrach Isabel ihn.

      „Ach so, ja“, fuhr er fort. „Einmal kamen die Piraten in der Nacht und unsere Fischer konnten uns nicht rechtzeitig warnen. Als wir die Piraten bemerkten, standen sie schon vor dem Haus des Grafen. Sie forderten viel Geld, Gold und Silber. Aber der Graf sagte: Wir haben weder Gold noch Silber. Auf unserer Insel wohnen nur Bauern und Fischer. Der Pirat sagte: Wieso tragen eure Frauen keinen Schmuck, keine Ketten und keine Ringe? – Weil wir so etwas nicht haben! sagte der Graf. - Du lügst!, sagte der Pirat, sicher habt ihr den Schmuck irgendwo versteckt. Ich gebe euch Bedenkzeit bis Sonnenaufgang. Wenn du mir dann kein Geld oder keinen Schmuck geben kannst, dann werde ich deine Tochter mitnehmen. – Oh nein! rief der Graf, ich flehe dich an. Nimm all unseren Wein und mein Schiff kannst du auch haben. Aber lass bitte meine Tochter hier.“

      „Opa Albertos, wie hieß die Tochter des Grafen?“, fragte Isabel scheinheilig.

      „Ich glaube, sie hieß Isabel, so wie du“, antwortete er.

      „War sie hübsch?“

      „Natürlich. Genau so hübsch wie du.“

      „Erzähl weiter“, bettelte Isabel.

      „Als die Sonne aufging hatte der Graf gerade mal eine Handvoll Münzen gesammelt. Das reichte dem Piraten nicht. Er zwang Isabel mit auf sein Schiff zu gehen und segelte davon. Aber der Graf hatte schon in der Nacht heimlich Boten an die befreundeten Grafen der Nachbarinseln geschickt und um Hilfe gebeten. Und mit vollen Segeln verfolgten sie gemeinsam die fliehenden Piraten. Sie kreisten sie ein und der Sohn des Grafen der Nachbarinsel befreite Isabel aus ihrer Gefangenschaft. Dann versenkten sie das Piratenschiff mit Mann und Maus. Nur den Anführer ließen sie am Leben. Sie nahmen ihn mit nach Lanzarote und brachten ihn auf die Burg Castillo Santa Barbara. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und gefesselt in den Gefängnisturm geworfen. Isabel aber heiratete ihren Retter und sie lebten viele viele Jahre zusammen und bekamen viele Kinder.“

      „Danke, Opa Alberto“, sagte Isabel. Dann lief sie mit Diego zu ihrem Versteck. Es war eine kleine Höhle unten am schwarzen Strand. Sie war gerade groß genug, dass die zwei Kinder nebeneinander darin sitzen konnten. Aber sie war schwer zu erreichen, denn sie lag hinter einem Felsvorsprung, der so weit ins Meer hinausragte, dass die Wellen den Zugang versperrten. Man musste warten, bis die großen Wellen eine Pause machten. Dann musste man innerhalb weniger Sekunden um die Felsen herumlaufen um den Eingang der Höhle zu erreichen.

       Als sie in ihrem Versteck saßen fragte Diego: „Glaubst du eigentlich alles, was mein Opa erzählt?“

      „Natürlich!“, antwortete Isabel sofort.

      „Aber meine Mutter hat gesagt, dass er manchmal ein paar Sachen durcheinanderbringt. Manchmal vergisst er auch etwas und manchmal dichtet er etwas dazu.“

      „Ist mir egal“, sagte Isabel, „ich finde seinen Geschichten jedenfalls sooo schön.“

      Das Bild

      Kommissar Winner ging den Weg hinab, den er heraufgekommen war. Er fand seine eigene Spur an den sandigen Stellen und auch die des Unbekannten, aber keine führte vor seiner eigenen hinunter. Wo war der Andere geblieben? Winner beruhigte sich damit, dass der Fremde auch einen anderen Weg bergab genommen haben konnte und dass das Ganze wahrscheinlich gar nichts mit ihm zu tun hatte.

      Das Fahrrad stand noch an der gleichen Stelle, an der Winner es abgestellt hatte. Er setzte seine Fahrt auf der Straße fort, denn eigentlich wollte er heute ja ans Meer. Er erreichte schon sehr bald die FKK-Anlage Charco del Palo. Es war so etwas wie ein kleines Dorf. Es gab mehrere Privathäuser und ein paar zweistöckige Appartements, die zu mieten waren, wie Winner aus den Hinweis- schildern ersehen konnte.

      Er folgte dem ausgeschildeten Radweg und erreichte das Restaurant Romantika. Es stand auf der höchsten Erhebung am Strand oberhalb des Atlantik. Winner genoss zunächst den Ausblick. Es war grandios. Zur Rechten und zur Linken zog sich die felsige Küste weit entlang und am Horizont konnte man im Dunst die afrikanische Küste erahnen.

      Auf der Terrasse des Restaurants standen ein paar Tische und Stühle, die von Sonnenschirmen beschattet wurden. Es mochte fast Mittag sein. Die Sonne stand hoch und strahlte vom wolkenlosen Himmel herab.

      Winner setzte sich und bestellte beim Kellner einen Eisbecher und einen Cappuccino. Während er beides genoss betrachtete er das Treiben der Nackten in der Senke unterhalb des Restaurants. Auf einem provisorischen Sandplatz spielten ein paar Jugendliche Volleyball, am Hang neben der Treppe wurde von der älteren Generation Boccia gespielt. Weiter unten waren neben einem betonierten Teich Natursteinterrassen angelegt, auf denen sich einige Nackte sonnten. Der Atlantik rauschte und jedes Mal, wenn eine größere Welle auf die Sperrmauer traf sprudelte Meerwasser durch die Öffnungen in den Teich.

      Winner empfand nichts Anstößiges an dem Treiben der Nackten. Er selbst hatte zwar im Moment nicht unbedingt das Bedürfnis an Sonne auf seiner nackten Haut, hatte aber auch nicht den Eindruck, dass es dort unten irgendwie erotisch oder gar sexuell anstößig zuging. Im Gegenteil: Das Ganze machte den Eindruck, als ob alle Beteiligten

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