Kaana. Rudolf Jedele

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Kaana - Rudolf Jedele

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plötzlich klar, dass auch er selbst in diesen Tagen und Monden eine Art Tod erlebt hatte. Der Clansmann Joshara war langsam gestorben. Sehr langsam und nun war er mitten im Übergang zu einem neuen Leben. Er hoffte in naher Zukunft ein Mann des Volkes Kaana zu sein und fragte sich, ob auch diejenigen, die er getötet hatte, ihren Übergang so bewusst erlebt hatten wie er es tat.

      Bis die Sonne im Zenit stand, hatte er gut zwei Drittel des Abstiegs hinter sich gebracht und das letzte Drittel schien ihm bedeutend leichter zu durchklettern, als alles, was er bereits hinter sich gebracht hatte. Er erreichte ein Felsband, das breit genug war, dass er sich darauf setzen und sogar hinlegen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass er einschlief und im Schlaf vom Felsen rollte. Also legte Joshara an dieser Stelle eine Pause ein, stillte seinen Durst mit Wasser aus seiner Gürtelflasche, dann setzte er sich bequem und sah hinaus in die Steppe Kaana.

      Jetzt, da er gut siebenhundert Schritte tiefer stand, als am Nachmittag des Vortages, erkannte er, dass die Steppe keineswegs so flach und eben war, wie er es zunächst vermutet hatte. Jetzt konnte er Hügel erkennen und Täler. Weite, vom Wind zerzauste Flächen und geschützte Senken in denen irgendwelche Tiere weideten. Von Süden her bewegte sich ein dunkles und offensichtlich sehr großes Gebilde nach Norden und wenn Joshara alles richtig interpretierte, was er sah, handelte es sich bei dem Ding um etwas, das mit Menschen zu tun hatte. Er konnte aus der Entfernung nicht erkennen, ob sich dort mehr bewegte als nur der große, schwarze Fleck, doch manchmal meinte er auch kleinere Bewegungen wahrnehmen zu können. Was er ganz sicher wahrnahm, war die Tatsache, dass diesem ersten dunklen Fleck in einem beträchtlichen Abstand zwei weitere, ebenso große oder gar noch größere Flecken folgten. Keiner dieser seltsamen Flecken bewegte sich in gerader Linie nach Norden. Es gab immer wieder Abweichungen von einem geraden Kurs und diese Abweichungen waren größer, als es etwa einer zufälligen Abweichung entsprochen hätte.

      Joshara fragte sich, was das alles zu bedeuten haben mochte, doch nur kurz, dann konzentrierte er sich wieder auf seinen Abstieg und den Beginn seines zukünftigen Lebens.

      Der Nachmittag war noch nicht zur Hälfte vorbei, als Joshara seinen Fuß auf dem obersten Saum der Geröllhalde aufsetzte und erneut zur Steppe hinunter sah. Die Höhe der Geröllhalde hatte von oben geringer ausgesehen. Es waren bestimmt noch einmal mehr als tausend Schritte Höhenunterschied, die es zu überwinden galt, ehe er endgültig die Steppe erreicht hatte. An diesem Tag auch noch die letzte Etappe in Angriff zu nehmen schien ihm deshalb überzogen zu sein. Er brauchte sich nicht mehr zu beeilen, denn es gab keine Verfolger mehr auf seiner Spur und es war ohne Bedeutung, ob er sein neues Leben nun einen Tag früher oder später beginnen konnte. Viel wichtiger war, dass er gesund dort unten ankam. So begann er zunächst seine beiden Packen zusammen zu suchen und zu einem Standort zu schleifen, der ihm für die Fortsetzung des Abstiegs günstig erschien. Dann wanderte er am Fuß der Felswand entlang ein gutes Stück nach Osten, bis er eine Stelle erreichte, an welcher die Wand scharf nach Norden abbog und die Geröllhalde plötzlich zu Ende war. Die Wand ragte an dieser Stelle bis ganz hinunter senkrecht auf und am Fuß des Fels entdeckte Joshara einen blau leuchtenden See.

      Etwa tausend Schritte bis zum Wasser?

      Hinunter zu springen war ganz sicher unmöglich, er würde einen solchen Sprung kaum mit heilen Knochen überleben. Er war als Bergbewohner schon häufig aus großer Höhe in ein Wasser gesprungen und wusste nur zu genau, dass Wasser auch ganz schön hart sein konnte. Doch wenn er seine beiden Packen bis hierher schleppte und ins Wasser warf, konnte er sich jede Menge mühseliger Plackerei sparen. Die Lederplanen, in die er seine Habe gewickelt hatte, waren sehr gut eingefettet und würden das Wasser lange genug am Eindringen hindern, dass die beiden Packen an der Oberfläche schwammen anstatt unterzugehen. Er selbst konnte dann in einem halben Tag den Abstieg durch das Geröll bewältigen und die beiden Packen wieder aus dem Wasser ziehen. Auf diese Weise konnte er den Aufwand erheblich reduzieren.

      Sein Entschluss stand rasch fest. Er kehrte um und begann seine Lasten am Fuß der Felswand entlang zum nächsten Abwurfplatz zu schleifen. Bis zum Abend hatte er diese Arbeit bewältigt und nun nutzte er das letzte Tageslicht, um die äußere Lederhülle noch einmal zu untersuchen. Er hatte großes Glück, denn beide Packen hatten den Sturz aus dem Fels und den Aufschlag im Geröll so unbeschadet überstanden, wie man es sich nur wünschen könnte. Die Speerschäfte waren zwar zersplittert, aber das Leder hatte kein Loch bekommen, war nirgendwo aufgeplatzt oder zerrissen und würde deshalb das Wasser wirklich lange genug am Eindringen in das Gepäck hindern.

      Joshara saß mit dem Rücken an die Felsen gelehnt und genoss die wärmende Kraft der letzten Sonnenstrahlen. Die Nacht, die vor ihm lag würde kalt werden, denn alles was er für ein Lager gebraucht hätte, befand sich in einem der beiden Packen und er dachte nicht daran, diese zu öffnen, um sich eine bequeme Nacht zu sichern. Eine Nacht ohne Bettrolle hat noch keinen Jäger aus den Bergen umgebracht, also würde auch er nicht daran sterben. Er hatte noch genug Wasser in seiner Gürtelflasche und auch noch einen ordentlichen Brocken getrocknetes Fleisch und da er bereits morgen Abend am Ufer dieses Sees da unten lagern würde, konnte er in der kommenden Nacht leicht auf alle Bequemlichkeiten verzichten.

      Als es dunkel wurde, legte sich Joshara seine Traglasten so zurecht, dass er auf der kleineren Last liegen konnte, während die größere Last als Schutz gegen kalte Winde aus der Steppe herauf wirksam wurde. Die Felsen in seinem Rücken hatten den ganzen Nachmittag Wärme gespeichert, so dauerte es bis weit nach Mitternacht, ehe er spürte, dass es kühler wurde. Von Kälte zu sprechen, wäre aber des Guten zu viel gewesen. Joshara lag also entspannt auf seinem notdürftig hergerichteten Lager und starrte in den klaren Sternenhimmel hinauf. Dabei wurde ihm zum ersten Mal bewusst, um wie viel weiter die Sterne hier unten von den Augen eines Menschen doch entfernt waren. Der intensive Kontakt zum Himmelsgewölbe, wie er ihn gewohnt war, wollte sich nicht einstellen. Stattdessen schlief er plötzlich und ohne Vorwarnung ein und fiel in einen, für ihn als Jäger völlig untypischen Tiefschlaf. Er befand sich in einer gefühlten Sicherheit und sein Körper verlangte sein Recht. Die Geister der Toten blieben verschwunden und so schlief Joshara zum ersten Mal seit Beginn seiner Flucht eine ganze Nacht lang tief und fest durch.

      Das frühe Grau der Morgendämmerung weckte ihn und er erschrak ein wenig über sich selbst und seinen Leichtsinn. Bei einem guten Jäger – Joshara hatte sich zu den Besten des Clans gezählt - hätte man einen derartigen Schlaf unter freiem Himmel nicht erwartet. Andererseits, was hätte ihm denn hier oben in der Felseneinöde schon groß passieren können? Außer ihm selbst war keine Menschenseele mehr in dieser trostlosen Wüste aus massivem Fels und rutschigem Geröll unterwegs und wilde Tiere hatte er hier oben ebenfalls nicht zu fürchten. Bären, Wölfe, silberne Berglöwen und dergleichen hatte er hier nicht zu fürchten gehabt, denn es gab ja nichts zu jagen. Herumziehende Luchse griffen keine schlafenden Menschen an, blieb noch der Vielfraß, das große, marderähnliche Raubtier. Doch Spuren eines Vielfraßes hatte er seit vielen Tagen nirgendwo mehr gesehen. Abgesehen davon war es ohnehin zu spät, sich über all diese Dinge Gedanken zu machen. Die Nacht war vorüber und es war nichts geschehen. Er hatte ausgeschlafen, fühlte sich derart voller Energie wie lange nicht mehr und schon in der nächsten Nacht würde er wieder beweisen können, wie leicht sein Schlaf tatsächlich war. Nun aber war es an der Zeit, mit der Umsetzung seiner Abstiegspläne zu beginnen. Die beiden Pakete lagen bereits dicht an der Kante des Simses. Ein kleiner Stoß mit dem Fuß müsste reichen und seine Besitztümer würden über die Kante kippen und in den See hinunter stürzen.

      Joshara schaute noch einmal über die Kante und überprüfte die Oberfläche des Sees, soweit er sehen konnte. Er entdeckte nichts, was ihn daran hätte hindern können, seinen Plan umzusetzen und die beiden Packen hinunter zu werfen. Zwei leichte Tritte genügten tatsächlich, dann kippten beide Bündel über die Kante und sausten der Wasserfläche entgegen. Kurz hintereinander ertönte das Klatschen, als die Packen im Wasser aufschlugen, er sah zwei hohe Fontänen aufspritzen, doch dann war es auch schon wieder ruhig unter ihm. Nur die kreisförmig sich ausbreitenden Wellen zeugten davon, dass gerade erst zwei recht schwere Gewichte herunter gefallen

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