Die Efeufrau. Nieke V. Grafenberg

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Die Efeufrau - Nieke V. Grafenberg

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Ohr.

      „Hier Brandner.“

      „Hallo Muttchen, ich bin's - Eva! Was treibst du, dass du so abgekämpft klingst?“

      „Ach du bist's ...“

      Ein deutliches Zögern, sie schien nach Worten zu suchen, bekundete dann spitz: „Was ich treibe? Ich liege - wie meistens übrigens, wenn du anrufst - gerade in der Badewanne!“

      „Oh, das tut mir aber Leid! Ich kann mich ja später noch einmal melden!“

      Eva wollte schon einhängen, da rief ihre Schwiegermutter schnell: „Nein, nein, bleib dran! Jetzt, wo ich schon mal draußen bin ...“

      Sie ächzte und stöhnte, als würde sie einen ihrer mit Büchern gespickten Glasschränke über das Parkett schieben, brachte dann heraus: „Na, endlich – geschafft, die Hausschuhe sind an! Ist bei euch alles in Ordnung?“

      „Das wollte ich gerade dich fragen - sag, geht es dir gut?“

      „Danke für die Nachfrage, jetzt nach dem heißen Bad ... Na, du weißt ja, der Rücken, jeder Schritt tut weh, aber ich kann doch den ganzen Tag nicht nur liegen! Dienstag bin ich beim Doktor, mal sehen, was er mir diesmal Unnützes verschreibt!“

      Das Leder des auberginefarbenen Sofas knarzte, Schwiegermutter legte wohl wie üblich die Beine hoch, thronte jetzt halb liegend, halb sitzend inmitten üppiger Seidenkissen.

      „Wie geht es meiner Enkelin in Australien“, begann sie im Plauderton, „was macht ihr Heimweh?“ Ehe Eva antworten konnte, fuhr sie fort: „Seit Tagen versuche ich, das Kind zu erreichen, aber es ist wie verhext: Immer wenn ich richtig wach bin, scheint sie zu schlafen ... oder sie ist gerade außer Haus!“

      Evas presste die bebenden Knie zusammen. Nach all den Wochen der Trennung spürte sie immer noch den schier unbezähmbaren Drang, in unbeherrschte Schluchzer auszubrechen, sich durchschütteln zu lassen, bis jeder einzelne Muskel schmerzte. Annas Abflug, die Faust in der Magengrube, so schmerzhaft hatte sie sich die Trennung nicht vorgestellt. Nach einem Seitenblick hatte Ernst gesagt: „Mein Gott, das Kind ist doch nicht aus der Welt!“

      Ein Summen im Hörer, ein Knacken, Schwiegermutters: „Bist du noch da?“ ganz weit weg. Dann kam die Stimme wieder.

      „Auf jeden Fall bin ich froh, dass du hinfliegst! Meinst du, Ernst wird es sich noch einmal überlegen?“

      „Muttchen, Ninas und seine Ferien gehen dann dem Ende zu. Außerdem will er nur wandern, wandern, du kennst ihn ja, er ...“

      „Entschuldige wenn ich dich unterbreche, aber mir fällt ein ... Habe ich richtig gerechnet, ist er schon gut eine Woche unterwegs?“

      „Ja, genau deshalb rufe ich an ... “

      „Wie seltsam ... bisher kein Lebenszeichen im Briefkasten. Sonst hat er mir doch auch ab und zu eine Karte geschickt!“

      Ab und zu entsprach keineswegs den Tatsachen, von seinen Wanderungen pflegte er ihr täglich einen Etappengruß zu schicken. Ob er es tat, weil er nach Anerkennung lechzte? War er auf Bewunderung aus für eine Leistung, die daheim nicht genügend gewürdigt wurde? Oder war diese Handlung ein bloßer Akt der Pflichterfüllung, weil er seine Mutter so selten anrief? Auch wenn Eva sich über den Grund nicht klar werden konnte, der Stoß Ansichtskarten in Schwiegermutters Bücherschrank war nicht wegzuleugnen. Jede einzelne Karte hatte sie ihr vorgeführt, Ernsts schwungvolle Handschrift stand Eva deutlich vor Augen:

      Viele Grüße aus ..., wo ich zu Fuß hingegangen bin.

      Ohne Anrede, aber: Dein Ernst.

      Der Text immer gleichbleibend, nur die geschönten Ortsansichten mit den Schneekuppen im Hintergrund und die Briefmarken wechselten mit dem Datum.

      „Du also auch nicht!“ So etwas wie ein Schluchzer entrang sich Evas Kehle. „Dabei hatten wir so auf dich gehofft! Wenn nicht du, wer außer uns sollte von ihm gehört haben!“ Sie stöhnte auf. „Nina und ich, wir machen uns ziemliche Sorgen!“

      Versehentlich führte Eva die Tasse zum Mund. Bitter wie Galle rann die abgestandene Teepfütze ihre Kehle hinunter, sie würgte und rang nach Luft. Dann sagte sie mit halb erstickter Stimme: „Ehrlich gesagt, allein wegen Ernst rufe ich an. Letztlich die alte Leier ... seine Einstellung zur Unabhängigkeit beim Wandern ist dir ja nicht fremd. Wir mussten uns notgedrungen daran gewöhnen, dass er uns auf die Folter spannt, aber diesmal ... diesmal hat er die Grenze überschritten“. Evas Stimme wollte brechen, sie fing sich aber und brachte ein hässliches Krächzen zustande. „Muttchen, hör zu, es ist nicht zu fassen! Acht Tage sind vergangen, und bisher nicht das kleinste Lebenszeichen!“

      Eva zählte die Schweigesekunden, nach einer schier endlosen Spanne hörte sie ihre Schwiegermutter gepresst sagen: „Das ist ja wirklich seltsam ...“

      „Ich will dir nicht umsonst schlaflose Nächte bereiten ...“, fiel Eva ihr ins Wort, „aber eins musst du wissen: Nina und ich, wir machen uns mehr als nur Sorgen. Wir haben uns zu einer Vermisstenmeldung durchgerungen ... wir waren sogar schon bei der Polizei.“

      „Was sagst du da? Vermisstenmeldung? Bei der Polizei?“

      Zweifellos saß Schwiegermutter kerzengerade in ihren Seidenkissen. „Du denkst doch nicht ernsthaft, dass Ernst was passiert ist? Nein, unvorstellbar, er ist doch nicht dumm ... er hätte doch Hilfe geholt!“

      „Wie denn, wenn er verletzt ist!“

      Die Fernsehsendung neulich, ein Wanderer in der Abgeschiedenheit der Pyrenäen. Er war abgerutscht, hatte sich beim Sturz die Hüfte gebrochen. Den rettenden Rinnsal knapp außer Reichweite, war er rein zufällig entdeckt worden, sonst wäre er verdurstet.

      „Für die dämlichen Bullen hier sind wir Routine“, erklärte Eva ihrer Schwiegermutter, „sie wollen vorerst nichts unternehmen. Ich soll mich umhören, ja, ansonsten aber das Wochenende abwarten. Fast glaube ich, es war ein Fehler zu erwähnen, dass Ernst uns schon immer gern auf die Folter gespannt hat. Vermutlich hat man uns deshalb auf Montag vertröstet! Wenn er bis dahin nicht anruft ...“. Ein Schluchzen brach aus ihr heraus. „Du warst meine heimliche Hoffnung! Wen sonst würde Ernst anrufen, so ungern, wie er den Hörer in die Hand nimmt!“

      „Mag sein, jaja ... aber das ist doch alles ...“, Evas Schwiegermutter unterbrach sich nur kurz, „... wirklich, mir fehlen die Worte.“ Eva am anderen Ende der Leitung hörte sie stoßweise atmen. „Abwarten ... umhören ...“, höhnte sie dann, „als ob das nicht leichter gesagt als getan ist! Sturköpfe allesamt, träge dazu - wie stellen die sich das nur vor!“

      Eva schluckte und schwieg.

      „Dabei sollte man meinen“, die Stimme am anderen Ende der Leitung wurde schrill, „wenn die nicht die nötige Erfahrung haben, wer dann? Bestimmt machen wir uns ganz umsonst Sorgen! Ernst wird eine Erschöpfungspause einlegen, wenn es ihm besser geht, meldet er sich!“ Ihre Stimme blieb weg, sie räusperte sich ausgiebig. „Mein Gott, Kind, wenn du was erfahren solltest, ruf mich sofort an! Und auch, wenn es nur um euch beide geht - halte mich bloß auf dem Laufenden, hörst du!“

      Eva versprach es. Sie wischte die feuchtkalten Hände und die schweißnasse Hörmuschel an ihrer leichten Baumwollhose ab und blickte sich um.

      Da stand sie nun in ihrem gottverlassenen Haus. Mutters Hinfälligkeit

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