Blutendes Silber. Peter Raupach

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Blutendes Silber - Peter Raupach

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Tour bezahlt, aber fürs Essen müsst ihr selbst aufkommen. Heißer Tee ist fertig! Der Eimer für Eure Notdurft steht dort in der Ecke. Bringt ihn dann herauf und kippt ihn selbst aus. Waschen könnt Ihr Euch oben. Wir haben viel Wasser um uns!“ Dann lachte er schallend und polterte die Treppe hinauf aufs Deck. Nun setzte sich Heinrich auf und musterte erst einmal seine Umgebung. Die Kajüte war winzig. Gleichzeitig wurde Heinrich bewusst, dass er hier ein großes Privileg nutzte. Auf solchen Flussschiffen gab es höchstens eine einzige Kajüte. Dieser Gottfried musste wohl etwas mehr Geld beim Würfeln gewonnen haben. Sollte er wirklich so viel Glück haben, jetzt schon auf dem Weg nach Magdeburg zu sein? Merkwürdig! Seine Schulter schmerzte nun richtig. Er versuchte, genauer hinzuschauen und spürte, dass sie mit einem kreuzartigen Verband fest verbunden war. Vorsichtig stieg er aus der ungewohnten Hängematte. Heinrich kletterte die schmale Leiter, denn eine Treppe war es wirklich nicht, mit dem stinkenden Eimer nach oben. Nun erst merkte er, wie sich seine Augen an das Halbdunkel der Kajüte gewöhnt hatten. Die Sonne blendete Heinrich und er hatte Mühe, seinen Eimer über die Bordwand zu bringen. Da rief auch schon der Schiffer: „Aber Ausspülen, junger Mann! Nehmt das Seil! Ich will meinen Eimer nicht verlieren!“ Heinrich kam sich an zu Hause erinnert vor. Als alles erledigt war, setzte er sich hinter den Schiffer, der stand und konzentriert mit einer Stange manövrierte. „Ich kann Euch leider den Tee nicht einschenken, hier gibt’s verdammte Sandbänke!“, lachte der Schiffer. „Herr, seid Ihr mit Eurer Arbeit hier allein auf dem Schiff?“, fragte Heinrich. „Nein, junger Herr. Mein Sohn hilft mir. Er liegt weiter vorne hinter einem Scheiben. Er hatte die ganze Nacht Wache gehalten.“ „Und was nun wieder ist ein Scheiben?“, fragte Heinrich. Der Schiffer brummte, ohne sich umzusehen: „Ihr Landratten würdet dazu Fass sagen.“ Heinrich merkte, dass er nun nicht noch mehr Fragen stellen sollte. Also begann er, den kleinen Beutel aufzuwickeln. Etwas Brot und Speck aus der Schlossküche sollten schon darin sein, dachte Heinrich. Im Beutel befanden sich zwei umwickelte Gegenstände. Ein Päckchen war kleiner und etwas schwerer als das größere. Dann zog er noch ein Tuch heraus. Was sollte das denn? Es war ein Schweißtuch. Solch ein Tuch trugen Bäcker oder einfache Mühlenarbeiter als Halstuch bei Kälte oder zum Schutz vor dem Mehlstaub, dachte Heinrich verwundert. Neugierig wickelte er den schwereren Gegenstand aus. Speckschwarte konnte eigentlich nicht so schwer sein, vielleicht harter Käse? Plötzlich hatte er eine seiner silbernen Medaillen in der Hand liegen. Er spürte es augenblicklich. Es war wie ein kleiner Stromschlag. Seine Handfläche wurde warm. Conrad von Wiese hatte ihm eine der Medaillen mit in den Beutel gelegt. Wieso hatte er das getan? Heinrich schaute sich die runde silbern glänzende Scheibe genauer an. Jetzt bemerkte er, dass es sein erstes Stück war, welches er noch mit dem alten Oberstempel geschlagen hatte. Das Relief war nach Heinrichs Meinung noch nicht so überzeugend gewesen. Deshalb hatte er Conrad gebeten, einen neuen Oberstempel herstellen zu dürfen. Aber wieso hatte Conrad das getan? Sollte dies doch der Lohn sein, für das Schlagen von über tausend Silberstücken? Heinrich hätte sich nie getraut zu fragen, ob er ein solches Gesellenstück mitnehmen hätte dürfen. Dazu waren diese Stücke viel zu wertvoll und Eigentum des Erzbischofs. Es war tatsächlich ein kleiner Schatz. Das Material war von außergewöhnlicher Qualität. Das Gewicht enorm. Er konnte bei jedem Kaufmann bestimmt mehrere Gulden dafür eintauschen. Schnell schlug er den Stoff wieder um das Silberstück. In dem anderen Päckchen befanden sich nun tatsächlich etwas Käse und Brot. Er nahm sein Messer, schnitt sich ein Stück Käse ab. Dann überlegte er kurz und rief zum Schiffer: „Wollt Ihr auch ein wenig Käse?“ Der Schiffer schaute kurz über seine Schulter und brummte: „Ja, wenn Ihr ihn entbehren könnt. Es wär mal eine Abwechslung.“ Heinrich schnitt ein größeres Stück ab. Unschlüssig, wo er damit hinsollte, fiel sein Blick auf das Schweißtuch. Er legte das Stück Käse auf das Tuch und schob beides in Reichweite des Schiffers. Wegen des Niedrigwassers kamen sie nur langsam voran. Heinrich wurde es auf dem Schiff nicht langweilig.

      Die Landschaft glitt sanft dahin. Er hatte nun endlich Zeit, über das Erlebte nachzudenken. Schwarzerlen glitten am Ufer lautlos vorbei. Nur selten streiften deren tiefhängende Äste noch vereinzelte Eisschollen. Vorbei zogen fast schneeweiße Uferbänke mit feinem Flusssand, auf denen schwarze alte Holzstücke lagen. Der Frost hatte sich schon vor Tagen zurückgezogen. Nasser, schwerer Schnee lag hier und da noch an sonnenabgewandten Seiten des Flussufers. Plötzlich ging es dem Schiffer schlecht. Es geschah beim Wortwechsel mit seinem Sohn über den günstigsten Winkel, um das Schiff an einer Sandbank vorbei zu manövrieren. Zuerst griff er sich mit beiden Händen an den Kopf. Die Manövrierstange rutschte über das Deck. Sein Sohn, ein kräftiger etwa 16 Jahre junger Bursche, sprang vor Schreck auf und rannte zu seinem Vater. Dieser sackte in einer Art Krampf auf die Knie und kippte dann langsam nach vorn. Fast gleichzeitig bewegte sich das Schiff gefährlich nach steuerbord in Richtung Ufer. Nun blieb der Bursche unschlüssig stehen, große Tränen standen ihm in den Augen. Er war völlig überfordert und wusste nicht was er tun sollte. Entweder, er half seinem Vater oder er nahm die Manövrierstange. Heinrich lief, so schnell es auf dem glatten Deck eben ging, zum Schiffer. Er nahm ihn in die Arme und legte dessen Kopf dabei auf sein Knie. Dann öffnete er dessen Hemd, um den Hals frei zu machen. Der Schiffer atmete stoßweise und Heinrich spürte das Fieber auf seinem Knie. Als der Bursche sah, dass Heinrich sich um seinen Vater kümmerte, reagierte er dann doch ziemlich vernünftig. Er nahm schnell die Manövrierstange und mit wenigen ruhigen Bewegungen brachte er das Schiff wieder auf Kurs. Heinrich sprach beruhigend auf den Schweratmenden ein. Der neigte den Kopf leicht zur Seite, was ihm offensichtlich schwer fiel. Er fieberte stark und flüsterte die Worte: „Mein geliebter Fluss komm, komm, kühle mich.“ Dann, plötzlich, wurde Heinrich etwas bewusst. Er hatte sie bisher nicht bemerkt, weil er so etwas noch nie gesehen hatte. Aber nun sah er sie deutlich, diese Flecken. Da waren sie, blauschwarze Flecken in der Halsbeuge. Oh mein Gott, dachte Heinrich, das durfte einfach nicht sein, die Pest! Im selben Moment fing er an zu zittern, er fror, seine Zähne klapperten aufeinander. Es war die Pest, es war die Angst. Mit nasskalter klebriger Zunge leckte sie auf seiner Stirn, dann unter den Achseln. Sein Hemd klebte an der Brust. Heinrich versuchte, sich zu konzentrieren, es klappte nicht, die Angst wurde größer. Seine Beine fingen an zu schütteln. Der Kopf des Schiffers schlug dadurch hin und her. Heinrich hielt den Kopf fester. Vielmehr hielt er sich an dem Kopf des Schiffers fest. Er versuchte zu beten, doch nichts fiel ihm ein. War der Teufel hier? Dann legten sich kalte nasse Hände langsam um seinen Hals. Schlagartig versteifte sich sein Körper. Er war wie gelähmt. Er versuchte zu schlucken, bis es im Hals schmerzte. Dann schmeckte er bitteren Speichel, er schluckte und schluckte und spürte seine Zunge, die sich wie ein Fremdkörper in seinem Mund bewegte. Heinrich glaubte zu spüren, wie sich die Fingerknochen der fremden Hand fast elegant leicht anspannten. Heinrich würgte sofort. Sein Puls raste und übergangslos spürte er ein hartes Klopfen im Kopf. Jedem Schlag folgte ein stechender Schmerz im Hinterkopf. Immer noch hielt er mit seiner linken Hand den Kopf des Schiffers, mit der rechten tastete er jetzt unbewusst nach seinen Sachen. Vielleicht suchte er Halt nach etwas ganz Persönlichem, wie ein Kind, dass nach seiner Strohpuppe sucht, um bei ihr Trost zu finden. Er fand das kleine Bündel. Schwer glitt das Metallstück aus den Lappen. Er drückte es instinktiv an seine heiße Stirn und schloss dabei stöhnend die Augen. Schlagartig hörten das Klopfen und die Schmerzen auf. Erleichtert öffnete er die Augen. Was er noch flüchtig sah, bevor es sich farblos werdend auflöste, würde er sein Leben lang nicht vergessen. Hunderte Rattenaugen schauten ihn an. Er war sich sicher, er hatte auch ein Bedauern in diesen Augen gesehen. Dieses Bild brannte sich in Heinrichs Gehirn ein. Die Zunge hatte also ein Gesicht. Aber es ging ihm sofort besser, der Albtraum schien vorüber. Heinrich schaute nach vorn. Der Sohn des Schiffers saß leicht zusammen gekrümmt an einem Salzfass. Er war wohl völlig erschöpft von der ungewohnten Arbeit und Verantwortung für das Salzschiff. Dann sah Heinrich, wie der Junge versuchte, aufzustehen. Er schwankte dabei stark. Die Bordwand kam gefährlich näher. Der Junge schlug hart mit dem Kopf an ein massives Holzteil der Ankerwinde. Heinrich blickte völlig gebannt. Das alles dauerte keine drei Sekunden. Durch den harten Schlag wieder bei Sinnen, rappelte sich der Junge vor Schmerz stöhnend hoch. Doch als er endlich wieder stand, verlor er das Gleichgewicht und kippte einfach über Bord. Heinrich schrie vor Angst: „Nein!“ Dann sah er den Lockenkopf auftauchen. Er war schon meterweit von der Bordwand entfernt. Heinrich legte den Kopf des Schiffers schnell aber vorsichtig auf den beplankten Boden. Dann rannte er auf das hintere Deck, wo Tauwerk und Stangen lagen. Die Taue waren lang und schwer. Ohne zu Zögern, legte sich

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