Blutendes Silber. Peter Raupach

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Blutendes Silber - Peter Raupach

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Münzprägeraum ausgewählt und so vorbereiten lassen, dass kaum ein Bediensteter auch nur in die Nähe dieser Arbeiten kam. Sächsische Grenadiere bewachten den Nebenraum vom Rittersaal. Heinrich, der nun neue Münzer und Graveur des Erzbischofs, arbeitete tief gebeugt über einem neuen Unterstempel. Der erste war ihm nicht gut genug. Der neue Oberstempel aber war perfekt. Dieser lag auf dem niedrigen Holztisch neben dem Holzklotz, in den Heinrich seinen zu bearbeitenden Unterstempel fest eingespannt hatte. Conrad nahm den Oberstempel für die Geburtstagsmedaille des Erzbischofs und schaute auf das seitenverkehrte Portrait und die Schrift. Was für ein kleiner Künstler! Wie konnte ein so junger Mann ein so überzeugendes Portrait fertigen? Conrad konnte noch kleine Zeichenreste auf dem Stempel am Portrait erkennen. Das waren kleine Striche, die der junge Künstler im Stahl nicht ausgearbeitet hatte. Als hätte er sie im letzten Moment noch weggelassen. Beim genauen Hinschauen, erkannte Conrad, dass zwei kleine Striche Augensäcke angedeutet hätten und drei andere Linien das Gesicht des Erzbischofs hagerer und somit kränklicher hätte erscheinen lassen. Wirklich bemerkenswert! Der Künstler hatte sich dann beim Eingravieren in den Stahl dafür entschieden, das Gesicht jünger und gesünder erscheinen zu lassen. Hexerei? Wirst du mein kleiner Hexer sein? Oder stirbst du an der Pest, dachte Conrad, als er den Stempel wieder hinlegte. „Arbeitet schneller… Lehrling Heinrich!“ meinte Conrad und ging mit langen Schritten aus dem Münzerraum. Nach einigen weiteren Tagen war der letzte Stempel fertig. Unmittelbar danach fing Heinrich an, aus den vom Oberhofprediger bereitgestellten silbernen Rohlingen Medaillen zu schlagen. Die Arbeit ging gut voran. Heinrich arbeitete still vor sich hin. Gelegentlich hielt er inne, weil ihm die rechte Hand von dem schweren Hammer schmerzte. Bei jedem Schlag auf den Oberstempel nahm der Schmerz im Gelenk seines Daumens zu. Münzer, oder wie die Leute auf der Straße sagten Präger, würde er wohl nicht werden können, dachte Heinrich. Er war dafür einfach körperlich nicht geeignet. Er war nicht zu klein geraten, hatte aber in den Armen und Händen einfach zu wenig Kraft. Selbst auf der Lateinschule hatte man ihn manchmal im ersten Jahr gehänselt, er würde mit seinen dunklen Augen und den langen Wimpern wie ein Mädchen aussehen. Dies störte ihn eigentlich nicht so sehr. Selbst sein Freund aus Kindheitstagen, der dicke Bäckersjunge, gab ihm zu verstehen, dass dies später nur von Vorteil sein könne. Die Mädchen würden oft auf solche Typen wie ihn, Heinrich, stehen. Das schlimme an diesen Lästereien der Mitschüler war etwas anderes. Heinrich wurde jedes Mal rot. Flammende Wärme plötzlich im Gesicht, für Heinrich war das einfach nur schrecklich. Dies stachelte hartnäckige Mitschüler dazu an, noch weiter zu machen. Auch während seiner Lehre beim Goldschmied lernte Heinrich eben solche Münzer und deren Gehilfen kennen. Selbst im Vergleich mit diesen Gleichaltrigen zog Heinrich den Kürzeren. Das waren meist schon mit zwanzig Jahren sehr kräftige Kerle mit breiten Schultern, diese Münzgesellen. Allerdings fiel es Heinrich allein schon von seinem Naturell her schwer, ein längeres Gespräch mit ihnen zu führen. Die Gespräche drehten sich von deren Seite her meist um sehr banale Dinge. Sie konnten sich einen halben Vormittag über einen Witz, den einer von ihnen von den Gauklern auf dem Markt nachmachte, amüsieren. Immer wieder klatschten sie sich dabei gegenseitig auf die Schultern und krümmten sich vor Lachen, während sich andere gegenseitig vor Vergnügen auf die Brust boxten. Kam der Goldschmiedemeister dann in die Lehrstube, schoben sie sich gegenseitig die Schuld zu, wer denn den Anderen von der Arbeit abgehalten hätte. Heinrich galt in den Augen der zukünftigen Münzer zwar als Schwächling. Aber dennoch achteten sie ihn auf ihre Weise, da er ehrlich und hilfsbereit war. Oft brachte er deren Lehrstücke, z.B. einen Anhänger oder eine Gürtelschnalle zu Ende, oder verbesserte das Aussehen der einfachen Schmuckstücke mit einer kleinen Gravur. Und über noch etwas war selbst der Goldschmied erstaunt. Heinrich konnte ohne eine Vorlage Dinge wiedergeben und diese unmittelbar auf ein Pergament zeichnen oder in eine Kupferplatte schneiden. Diese Kunst beherrschten nur wenige.

      Es lagen nur noch drei runde silberne Rohlinge in der Holzlade. Heinrich legte den Hammer beiseite und griff sich in den Nacken. Er drehte und streckte sich. Nun erst spürte er diese Stille in dem unterirdischen Gewölbe. Schlagartig fröstelte er ein wenig. Diese feuchte Kälte hier unten, dachte Heinrich, kann auf Dauer auch nicht gut sein für einen Münzer. Er dachte wieder an seine Münzergesellen aus der Lehre. Wenn er sich vorstellte, dass sie später als Münzer solche Arbeit zwölf Stunden lang in dieser Kälte zu verrichten hatten. Nein, für Heinrich wird dieser Beruf wohl nicht der richtige sein. Aber er musste erst einmal dem Willen seines Vaters gehorchen. Sein älterer Bruder hatte es bereits zu einer höheren Gunst geschafft. Dieser war bereits Münzmeister! Da hatte man schon vieles Andere und weitaus angenehmere Arbeiten zu tun. Aber wie geht es jetzt weiter? Das Silber ist fast alle, überlegte Heinrich. Er stand nun auf und rief laut nach dem Oberprediger: „Hallo! Hallo Herr Oberhofprediger von Wiese?“ Er ging zur Tür. Erstaunt stellte er fest, dass diese nicht verschlossen war. Das man als Münzer eingeschlossen wurde, war für Heinrich nichts Ungewöhnliches. Auch alle Gesellen des Goldschmiedes wurden in einen großen Raum eingeschlossen. Ein wenig Essen und Trinken war jeweils auf einem Tisch bereitgestellt. Ein Ort zur Verrichtung der Notdurft war in Form eines verschließbaren Kübels in einer gesonderten, etwas abgeteilten Ecke häufig vorhanden. All dies diente nicht nur dem Schutz des Edelmetalls vor eindringenden Dieben und Räubern. Auch das Hinaustragen frisch geprägter Geldstücke oder halbbearbeiteter Metalle wurde so von vornherein unterbunden. Der jeweilige Goldschmiedemeister oder Münzmeister hatte den Schlüssel. Einige Jahre früher mussten alle Lehrlinge noch aufgenähte Glöckchen an ihren bunten Gewändern tragen. Sie wären nicht weit gekommen. Ein jeder hätte einen solchen Flüchtenden gehört oder gesehen. Langsam öffnete Heinrich die Tür, jeden Moment gewärtig von zwei Soldaten gepackt zu werden. Vor ihm hing nun ein großer Wandteppich als schwerer Vorhang. Heinrich war sich sicher, dass er beim Betreten des Raumes noch nicht da war. Der Oberprediger musste zuerst die Tür hinter Heinrich geschlossen und dann den Wandteppich mit einem speziellen Mechanismus auf einer weit oben angebrachten Stange davor drapiert haben. Der Wandteppich verbarg so sicher sehr gut die Eingangstür zum Münzerraum. Der Teppich war dick und fühlte sich für Heinrich so schwer an, dass für ihn nun ein weiterer Zweck erkennbar wurde. Selbst wenn man einige wenige Schritte vor dem Teppich stand, hätte man sicher kaum etwas hören können von möglichen Geräuschen, die aus einem dahinter liegenden Raum kamen. Heinrich zwängte sich zwischen Teppich und Wand hinaus. Vor ihm erstreckte sich der halbdunkle Rittersaal. Nichts geschah! Es waren keine Wachen da. Dann hörte er ein leises helles Scheppern von Metall und gleichzeitig einen feinen hohen Ton. In einer Ecke des Rittersaals standen Turnierrüstungen. Dahinter bemerkte Heinrich ein bläuliches Licht. Das Licht beleuchtete eine unwirklich erscheinende Szene. Ein riesiger Raum tat sich hinter den Rüstungen auf. Vorsichtig näherte sich Heinrich dieser gigantisch erscheinenden Öffnung und dem Lichtschein. Was er nun sah, ließ ihm den Atem stocken. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Er näherte sich lautlos weiter. Nun leicht von der Seite, um nicht gesehen zu werden. Ihm war plötzlich bewusst, dass er so schnell als möglich hier weg musste. Es war sicher verboten dies hier zu sehen. Was war das nur? Die Schatzkammer des Papstes? Der Oberprediger kniete vor einer großen Truhe und schaufelte, ja Heinrich konnte deutlich ein großes Scheffelmaß erkennen. Der Oberprediger schaufelte in großer Hast Silberstücke, Ketten, Kelche, kleine Monstranzen aus der Truhe in daneben stehende Ledereimer. Dabei züngelte ein bläuliches Licht um den Kopf des Oberpredigers. Heinrich schwindelte plötzlich. Ein Blick hinter dieser Szene ließ ihn vor Schreck fast hinfallen. Seine Augen hatten sich nun an das Halbdunkel gewöhnt. Im Hintergrund konnte er eine große Anzahl von schwarz glänzenden Särgen erkennen. Sie sahen jedenfalls für Heinrich wie Särge aus, wie sehr große Särge. Eigentlich hatten sie große Ähnlichkeit mit Sarkophagen, wie sie in manchen Kirchen in den Seitenschiffen für ehrbare Stifterfamilien eingerichtet wurden. An immer neuen Stellen schienen sich neue dieser Särge aus dem Dunkel herauszuschälen. Tausende kleine silbern schimmernde Totenschädel, kryptische Zeichen und Runen bewegten sich in Wellen über die Oberfläche dieser unheimlichen Behälter. Heinrichs Magen krampfte nun. Säuerlicher Speichel schien hochsteigen zu wollen. Mechanisch setzte er den ersten Fuß nach hinten. Wie in Zeitlupe strebte er nun rückwärts. Aus Angst gesehen zu werden, wagte er es nicht sich umzudrehen und einfach in Richtung Münzerraum zu laufen. Dort endlich angekommen, konnte er sich lange Zeit nicht richtig erholen. Dunkle Flecken hatten sich unter seinen Achseln gebildet. Nach etwa zwei Stunden erschien der Oberhofprediger. Er stutzte nur kurz an der Tür, da sie offen war und murmelte etwas von Vergesslichkeit und viel Arbeit in

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