Blutendes Silber. Peter Raupach
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Es lagen nur noch drei runde silberne Rohlinge in der Holzlade. Heinrich legte den Hammer beiseite und griff sich in den Nacken. Er drehte und streckte sich. Nun erst spürte er diese Stille in dem unterirdischen Gewölbe. Schlagartig fröstelte er ein wenig. Diese feuchte Kälte hier unten, dachte Heinrich, kann auf Dauer auch nicht gut sein für einen Münzer. Er dachte wieder an seine Münzergesellen aus der Lehre. Wenn er sich vorstellte, dass sie später als Münzer solche Arbeit zwölf Stunden lang in dieser Kälte zu verrichten hatten. Nein, für Heinrich wird dieser Beruf wohl nicht der richtige sein. Aber er musste erst einmal dem Willen seines Vaters gehorchen. Sein älterer Bruder hatte es bereits zu einer höheren Gunst geschafft. Dieser war bereits Münzmeister! Da hatte man schon vieles Andere und weitaus angenehmere Arbeiten zu tun. Aber wie geht es jetzt weiter? Das Silber ist fast alle, überlegte Heinrich. Er stand nun auf und rief laut nach dem Oberprediger: „Hallo! Hallo Herr Oberhofprediger von Wiese?“ Er ging zur Tür. Erstaunt stellte er fest, dass diese nicht verschlossen war. Das man als Münzer eingeschlossen wurde, war für Heinrich nichts Ungewöhnliches. Auch alle Gesellen des Goldschmiedes wurden in einen großen Raum eingeschlossen. Ein wenig Essen und Trinken war jeweils auf einem Tisch bereitgestellt. Ein Ort zur Verrichtung der Notdurft war in Form eines verschließbaren Kübels in einer gesonderten, etwas abgeteilten Ecke häufig vorhanden. All dies diente nicht nur dem Schutz des Edelmetalls vor eindringenden Dieben und Räubern. Auch das Hinaustragen frisch geprägter Geldstücke oder halbbearbeiteter Metalle wurde so von vornherein unterbunden. Der jeweilige Goldschmiedemeister oder Münzmeister hatte den Schlüssel. Einige Jahre früher mussten alle Lehrlinge noch aufgenähte Glöckchen an ihren bunten Gewändern tragen. Sie wären nicht weit gekommen. Ein jeder hätte einen solchen Flüchtenden gehört oder gesehen. Langsam öffnete Heinrich die Tür, jeden Moment gewärtig von zwei Soldaten gepackt zu werden. Vor ihm hing nun ein großer Wandteppich als schwerer Vorhang. Heinrich war sich sicher, dass er beim Betreten des Raumes noch nicht da war. Der Oberprediger musste zuerst die Tür hinter Heinrich geschlossen und dann den Wandteppich mit einem speziellen Mechanismus auf einer weit oben angebrachten Stange davor drapiert haben. Der Wandteppich verbarg so sicher sehr gut die Eingangstür zum Münzerraum. Der Teppich war dick und fühlte sich für Heinrich so schwer an, dass für ihn nun ein weiterer Zweck erkennbar wurde. Selbst wenn man einige wenige Schritte vor dem Teppich stand, hätte man sicher kaum etwas hören können von möglichen Geräuschen, die aus einem dahinter liegenden Raum kamen. Heinrich zwängte sich zwischen Teppich und Wand hinaus. Vor ihm erstreckte sich der halbdunkle Rittersaal. Nichts geschah! Es waren keine Wachen da. Dann hörte er ein leises helles Scheppern von Metall und gleichzeitig einen feinen hohen Ton. In einer Ecke des Rittersaals standen Turnierrüstungen. Dahinter bemerkte Heinrich ein bläuliches Licht. Das Licht beleuchtete eine unwirklich erscheinende Szene. Ein riesiger Raum tat sich hinter den Rüstungen auf. Vorsichtig näherte sich Heinrich dieser gigantisch erscheinenden Öffnung und dem Lichtschein. Was er nun sah, ließ ihm den Atem stocken. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Er näherte sich lautlos weiter. Nun leicht von der Seite, um nicht gesehen zu werden. Ihm war plötzlich bewusst, dass er so schnell als möglich hier weg musste. Es war sicher verboten dies hier zu sehen. Was war das nur? Die Schatzkammer des Papstes? Der Oberprediger kniete vor einer großen Truhe und schaufelte, ja Heinrich konnte deutlich ein großes Scheffelmaß erkennen. Der Oberprediger schaufelte in großer Hast Silberstücke, Ketten, Kelche, kleine Monstranzen aus der Truhe in daneben stehende Ledereimer. Dabei züngelte ein bläuliches Licht um den Kopf des Oberpredigers. Heinrich schwindelte plötzlich. Ein Blick hinter dieser Szene ließ ihn vor Schreck fast hinfallen. Seine Augen hatten sich nun an das Halbdunkel gewöhnt. Im Hintergrund konnte er eine große Anzahl von schwarz glänzenden Särgen erkennen. Sie sahen jedenfalls für Heinrich wie Särge aus, wie sehr große Särge. Eigentlich hatten sie große Ähnlichkeit mit Sarkophagen, wie sie in manchen Kirchen in den Seitenschiffen für ehrbare Stifterfamilien eingerichtet wurden. An immer neuen Stellen schienen sich neue dieser Särge aus dem Dunkel herauszuschälen. Tausende kleine silbern schimmernde Totenschädel, kryptische Zeichen und Runen bewegten sich in Wellen über die Oberfläche dieser unheimlichen Behälter. Heinrichs Magen krampfte nun. Säuerlicher Speichel schien hochsteigen zu wollen. Mechanisch setzte er den ersten Fuß nach hinten. Wie in Zeitlupe strebte er nun rückwärts. Aus Angst gesehen zu werden, wagte er es nicht sich umzudrehen und einfach in Richtung Münzerraum zu laufen. Dort endlich angekommen, konnte er sich lange Zeit nicht richtig erholen. Dunkle Flecken hatten sich unter seinen Achseln gebildet. Nach etwa zwei Stunden erschien der Oberhofprediger. Er stutzte nur kurz an der Tür, da sie offen war und murmelte etwas von Vergesslichkeit und viel Arbeit in