Blutendes Silber. Peter Raupach

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Nun ja, schaut Euch an! Einen Beutel über der Schulter, also habt ihr noch keine Schlafstatt. Eure Kleidung spricht für sich. Ihr habt etwas von einem Schmied, nein lasst mich raten. Eure Arme sind nicht muskulös, ach, und die Hände sind schmal. Nun gut, ihr mögt ein Goldschmiedelehrling sein. Eure Kleidung ist fein, das Tuch von ausgewählter Qualität. Es ist aber bestimmt kein sächsischer Schnitt, den Ihr tragt, nein Ihr seid Hesse oder Braunschweiger!“ Nun konnte Heinrich nicht mehr an sich halten: „Wenn Ihr so viel über mich zu wissen glaubt, dann sagt mir doch wie ich hier und bald aus dieser Stadt komme. Und sagt mir, was Ihr dafür begehrt!“ Die Antwort des Fremden war: „Ich benötige von Euch das wenige Geld, dass ihr habt. Davon erspiele ich Euch eine Reisemöglichkeit. Das ist natürlich nicht alles. Ihr fahrt, wenn mir heute Abend das Glück beim Würfelspiel hold ist, morgen mit einem Salzschiff nach Magdeburg. In Magdeburg übernehmt Ihr mein Pferd, welches ich in einer Posthalterei untergestellt habe. Ihr reitet dann ohne Verzögerung nach Wolfenbüttel zum Schloss und überlasst das Pferd dort dem kurfürstlichen Stallwart. Das ist alles. Das ist mein Angebot. Wie Ihr nach Eurer Heimatstadt kommt, müsst Ihr dann selber sehen. Ich denke aber, dass dies nicht allzu weit weg sein sollte. Seid Ihr einverstanden?“

      „Über dieses Angebot muss ich erst nachdenken“, meinte Heinrich darauf zurückhaltend. „Versteht, ich kenne Euch nicht. Andererseits scheint das in dieser Stadt so üblich zu sein.“ Und schon mehr zu sich selbst: „Kurze Absprachen, Angebote. Entweder man nimmt sie oder man schlägt sie aus.“ Heinrich wollte seine Unsicherheit etwas überspielen und sagte deshalb zu dem Fremden: „Übrigens, wenn Ihr bei meiner Kleidung ausgewähltes Tuch erkennt, dann erkenne ich an Euch, dass Ihr trotz scheinbar weniger ausgewählter Kleidung Euch teuren Kautabak aus Ostindien leisten könnt. Er duftet nach Vanille. So etwas leistet sich mein Vater nur an Festtagen.“ Darauf verzog sich die Narbe des Fremden etwas. Es sollte wohl ein Lächeln sein.

      Nach einiger Zeit nickte Heinrich. „Ist das ein Ja, Herr?“, fragte Gottfried. Heinrich nickte noch einmal. „Mein Name ist Heinrich Hulter und mein Vater ist in der Tat Tuchhändler, deshalb meine Kleidung.“ Dann nach kurzem Zögern: „Und welche Sicherheit habt Ihr eigentlich dabei? Ich könnte doch mit Eurem Pferd gleich nach Hause reiten!“ „Die hier!“, dabei zeigte Gottfried auf seine bisher versteckt gehaltene Pistole, in dem er seinen Umhang leicht zur Seite zog. „Und das!“, wobei Gottfried mit dem Zeigefinger auf seinen Kopf zeigte. „Glaubt mir, Heinrich. Ich kenne mich mit Menschen aus. Ihr macht so etwas nicht, stehlen!“ Es waren nur ein paar Schritte von der Marktkirche bis zum Gasthof „Zum grauen Hund“. Hier kehrte nicht der Bürgermeister und seines Gleichen ein. Aber es sei eine leidlich sauber geführte Wirtschaft mit ordentlichen Zimmern, versicherte Gottfried. Der eigentliche Anziehungspunkt hier war aber das täglich stattfindende Würfelspiel. Sonntags verging kaum eine Predigt in den Kirchen der Stadt, ohne dass nicht dieser Umstand erwähnt wurde. Die Prediger und Pfarrer zogen gegen die vermeintliche Verlockung des Teufels mit Worten zu Felde, ohne freilich viel zu erreichen. Mancher brave Bürger, der dem Spiel verfallen war, gab aber aus diesem Grunde sonntags etwas mehr in den Klingelbeutel. Und so war eine Art friedlicher Stellungskampf zwischen der Geistlichkeit und dem Gasthaus entstanden. Die Kirchen blieben gut gefüllt, der Gastwirtschaft „Zum grauen Hund“ fehlten oft genug die Sitzplätze. Gottfried hatte dies Heinrich auf dem Weg in knappen Worten erzählt. Dann fand sich Heinrich beim Betreten der Wirtschaft in einer für ihn zwar ungewohnten, aber nicht minder angenehmen Umgebung wieder. Es war hier warm und es roch nach Entenbraten. An vier der fünf Tische spielten und tranken für ihre Zunft typisch gekleidete Leute. Es waren vor allem Angehörige einer Bruderschaft, die Sole aus den vier Solebrunnen der Stadt förderten und in großen Pfannen zu Salz verkochten. Gottfried nickte in Richtung eines Tisches, wo besonders kräftige Kerle saßen, die für Heinrich mehr als verwegen aussehen mussten. Gottfried erklärte mit einem Kopfnicken in Richtung der Männer grüßend halblaut, so dass diese es hören mussten: „Und das, Heinrich sind ehrenwerte Bornknechte. Sie fördern die Sole aus den einzelnen Bornen, den Solebrunnen. Dafür braucht man Kraft. Und schau, hier sind auch die ehrenwerten Salzwirker. Sie sieden dann die Sole in großen Pfannen, dass sie zu Salz werde. Dafür braucht man Geschicklichkeit und Ausdauer. Auch Beamte vom Flusshafen und Schiffer findest Du hier. Sie alle sichern den Wohlstand dieser Stadt.“ Die Leute im Gastraum waren von dieser Lobesrede freundlich angetan und hießen beide einladend willkommen. Heinrich und Gottfried nahmen an einem freien Tisch, neben dem einzigen Fenster des Gasthauses, Platz. Gottfried bestellte kurz darauf zwei Abendmahlzeiten beim Wirt. Gottfried schien dem Wirt, der ein Riese von Wuchs war, bekannt zu sein. Zumindest kam es Heinrich so vor. „Gottfried, oder wie Ihr richtig heißt, Ihr wisst, dass ich das nicht bezahlen kann“, sagte Heinrich, nachdem der Wirt gebratenes Geflügel, Soße und warmes Brot auf den Tisch gestellt hatte. „Sorgt Euch nicht Heinrich, gebt mir das Geld, welches Ihr habt. Vertraut mir.“ Was blieb Heinrich nun noch übrig. Während Gottfried sich eine Geflügelkeule griff und aufmunternd zu Heinrich blickte, fühlte Heinrich nach seinem Geldbeutel. Dieser war von der Magd gut in die Innenseite des Unterhemdes eingenäht. Sie hatte ihm gezeigt, wie er den Beutel ziehen musste, um an das Geld zu gelangen. Ein möglicher Dieb hätte dies nicht geschafft, ohne das gesamte Hemd mitnehmen zu müssen. Heinrich gab Gottfried nun schnell das Geld. Seine Hand war dabei halb vom Tisch verdeckt.

      Als sie beide aßen, wurde es allmählich immer voller in dem Gastraum. Der Wirt bahnte sich mit ruhigen Bewegungen den Weg durch die Menschenmasse. Dabei hielt er in der einen Hand fünf Krüge und mit der anderen stemmte er sich an der Decke festhaltend entlang. Als dann ein Spielmann seine Fiedel herausholte und zu spielen begann, strömten noch mehr Leute herein. Sicher kann man die Musik wegen des offenen Fensters bis auf den Vorplatz der Marktkirche hören, dachte Heinrich. An ihrem Tisch waren mittlerweile alle Stühle besetzt. Gottfried nahm irgendwann schwungvoll einen hölzernen Becher aus seiner Tasche und setzte diesen bedeutungsvoll verkehrt herum auf den Tisch. Aha, dachte Heinrich, so macht man das, ohne Worte. Ein Gottfried gegenübersitzender Mann, der wie ein Beamter aussah, legte daraufhin eine geschnitzte Pfeife, ein anderer einen Beutel mit Tabak auf die Mitte des Tisches. „Nichts da, meine Herren! Ich muss Sie enttäuschen, heute geht es nicht um solche guten Dinge. An diesem Tisch wird heute nur um Geld gespielt“. Im selben Augenblick sah Heinrich, wie Gottfried, einen Gulden, eben seinen Gulden, auf den Tisch warf. „Oh mein Herr, das ist viel Geld für eine Partie Würfel“, meinte der Beamte. Dann, nach einer kurzen Überlegung und mit einem aufmunternden Nicken in Richtung des Mannes, der den Tabakbeutel als Einsatz gelegt hatte: „Nun gut, ich denke wir nehmen die Partie an. Allerdings nur unter einer Bedingung.“ „Nur zu!“, antwortete Gottfried und lehnte sich bequem zurück. Der Beamte meinte darauf: „Also, bitte dann aber nicht mit Euren Würfeln. Ich,… eh… wir wünschen Würfel des Hauses!“ Gottfried nickte darauf und meinte: „So soll es sein!“ Fast wie auf ein Stichwort fragte der Wirt plötzlich laut aus Richtung seines Schankbrettes: „Meine Herren, Ihr wünscht noch etwas?“ Gottfried antwortete für alle: „Es werden Würfel gewünscht!“ Auch jetzt wieder erschien es Heinrich, als ob es dieser Gottfried sehr eilig hatte, seine Ideen umzusetzen. Er kannte solch einen auffälligen Charakterzug noch nicht und fand dies interessant. Zu Hause galt Ungeduld als etwas Unschickliches, ja sogar als eine Art des unhöflichen Benehmens. „Wollt Ihr Würfel aus Stein oder aus Bein, mein Herr?“, fragte der Wirt in Richtung Gottfried. „Heute spielen wir mal mit steinernen Würfeln, Wirt!“ Mit einem Achselzucken ging der Wirt darauf zu einer Lade, die an der Wand stand. Er schien einige Zeit darin zu suchen. In Wirklichkeit ließ er jeden einzelnen der zwei Dutzend Würfel durch seine Finger gleiten. Er musste möglichst schnell den einen speziellen Würfel finden. Manchmal gab es bei dem verwendeten Mineral Einschlüsse von anderen, eben schwereren Mineralien. Der Steinschleifer kannte die genaue Struktur dieser Steine und hatte gute Arbeit geleistet. Der gesuchte Würfel, den er bald darauf zwischen den Fingern spürte, wies dadurch in einer Ecke ein größeres Gewicht auf. Im Spiel brachte das, wenn er Gottfried glauben sollte, eine dreimal höhere Gewinnchance. Diese Form der Manipulation war für einen uneingeweihten Spieler nicht zu entdecken. Auf andere Möglichkeiten der Manipulation, wie zum Beispiel durch kleine Bleistückchen auf der Seite der Eins deren Gewicht zu erhöhen, und somit mehr Sechsen beim Würfeln zu erzielen, hatte man bewusst verzichtet. Selbst die Möglichkeit, Würfel mit zwei Sechsen und fehlender Eins auszustatten, wurde verworfen. Obwohl der Wirt erst anderer Meinung

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