Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr

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Die Servator Verschwörung - Jürgen Ruhr

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wieder lauschend bewegte er sich auf die Hintertüre zu. ‚Ein einfaches Schloss‘, bemerkte er mit Kennerblick. Das würde kein großes Hindernis darstellen. Wie stundenlang zu Hause geübt, hielt der Mann innerhalb von Sekunden den richtigen Dietrich in der Hand. Das Öffnen der Tür war wirklich ein Kinderspiel!

      Doch bevor der Einbrecher die Tür öffnete, suchte er in dem grünen Licht des Nachtsichtgerätes nach einem Hinweis auf eine Alarmanlage. Dann stieß er die Tür vorsichtig auf, immer darauf gefasst, das schrille Geheul einer Sirene zu hören. Doch nichts geschah. Lediglich das leise und offensichtlich sehr weit entfernte Klirren eines Glases schreckte ihn kurz auf. Lautlos huschte der Mann in den Flur und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Dann schlich er weiter zu dem Arbeitszimmer.

      Der Einbrecher hatte den Grundriss des Hauses komplett im Kopf. Schließlich war die Putzfrau sehr auskunftsfreudig gewesen. Die Diele, in der er sich befand, führte im rechten Winkel durch das gesamte Erdgeschoss und direkt zur Eingangstüre an der Straße. Somit verfügte das Haus über zwei Türen im Erdgeschoss: vorne die Eingangstüre und hinten die Türe zum Garten. Direkt neben dem Haupteingang befanden sich eine Gästetoilette und daneben das Treppenhaus, das sowohl in den Keller, als auch in die erste Etage führte. Und über mehr als diese eine Etage verfügte das Haus, das in einem bungalowähnlichen Stil erbaut war, auch nicht.

      Gegenüber der Gästetoilette, direkt neben der Küche, lag der Raum, dem der Mann jetzt entgegenstrebte: das Arbeitszimmer. Eine für seine Vorstellung merkwürdige Anordnung der Räume, denn das eigentliche Wohnzimmer lag jetzt zu seiner Linken. Aber das interessierte ihn nicht. Vielleicht würde er auf dem Rückweg später dort einmal vorbeischauen, ob sich noch einige lohnende Dinge finden ließen. Aber auf Fernseher oder andere elektronische Geräte hatte er es ja sowieso nicht abgesehen. Er war schließlich Profi und keiner dieser Laieneinbrecher.

      Die Tür zur Küche stand offen und er erkannte in dem Dunkel das Leuchten der Digitaluhr an der Mikrowelle. Ein Uhr zweiundfünfzig. Perfekt. Um diese Zeit schliefen die meisten Menschen tief und fest. Die Tür des Arbeitszimmers stand einen Spalt offen und ein schmaler Lichtschein fiel in die Diele. Im Nachtsichtgerät erschien dieser Schein wie ein grüner Feuerstreifen. Der Mann streifte das Gerät vom Kopf und hielt es unschlüssig in den Händen. Sollte er es zunächst in den Rucksack packen? Dann entschied er sich dagegen.

      Während seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, überlegte der Einbrecher, was die Putzfrau über Licht im Haus gesagt hatte. Um Anwesenheit zu simulieren, würden diverse Lampen über Zeitschaltuhren ein- und ausgeschaltet werden. Langsam stieß er die Türe weiter auf. Der Lichtbalken vergrößerte sich zusehends.

      Im gleichen Moment erstarrte der Einbrecher erschreckt. Im Licht der Lampe erkannte er einen Mann, der mit dem Kopf auf dem Schreibtisch lag. Innerlich verfluchte er die Putzfrau, die ihn mit falschen Informationen versorgt hatte. Schlief der Mann am Schreibtisch? Der erste Gedanke des Eindringlings war der an Flucht. Er müsste ebenso leise, wie er gekommen war, wieder aus dem Haus verschwinden. Schon wollte er sich umwenden, als ihm eine merkwürdige helle Masse auf dem Schreibtisch auffiel. Neugierig trat er nun doch einen Schritt näher. Dann erkannte er das Blut auf dem Möbelstück und erbrach sich würgend im Raum. Erst jetzt erkannte er, dass der Mann nicht schlief, sondern tot war. Blut sickerte an den Schreibtischrändern zu Boden. Die helle Masse auf dem Möbel musste das Gehirn des Toten sein. Erneut begann der Einbrecher zu würgen.

      Panik überkam ihn und er wandte sich rasch um. Seine Gedanken überschlugen sich und er wollte nur noch fort. Raus aus dem Haus! Er achtete jetzt nicht mehr darauf, möglichst leise zu sein.

      Kurz vor der Hintertür meldeten sich aber trotz aller Panik andere Gedanken. Die an seine Schulden zum Beispiel. Der Mann im Arbeitszimmer war tot, doch der Tresor wartete noch. Vielleicht stand der ja sogar offen.

      Widerwillig und mit sich selbst kämpfend, trat der Einbrecher den Weg in das Arbeitszimmer erneut an. Da lag der Tote noch. Langsam schlich er um den Schreibtisch herum, immer den Würgereiz unterdrückend. Hier von hinten erkannte er ein kleines Loch im Hinterkopf des Toten.

      Fast mechanisch und immer darauf bedacht, nicht mit dem Blut in Berührung zu kommen, schaltete er die Lampe aus und setzte das Nachtsichtgerät wieder auf. In einer Hand hielt der Tote noch einen Luftpolsterumschlag, den der Einbrecher vorsichtig an sich nahm. Gut, dass kein Blut daran klebte. Dann öffnete er vorsichtig eine Schublade des Tisches.

      Aber der Eindringling kam nicht weit, denn plötzlich vernahm er Geräusche von der Eingangstüre her. Erneut überfiel ihn Panik. Mit dem Umschlag in der Hand stürmte der Mann in die Diele. Er spürte förmlich, wie das Schloss der Eingangstüre entriegelt wurde und seine Panik steigerte sich weiter. Zur Hintertür würde er es niemals schaffen! Ohne viele Gedanken zu verschwenden, lief er in letzter Sekunde die Treppe zum Obergeschoss hoch. Hinter sich hörte er, wie die Haustüre leise quietschend geöffnet wurde. Rasch erreichte er den oberen Treppenabsatz und sah sich gehetzt um. Das Schlafzimmer lag am Ende des Flures und verfügte über einen Balkon. Aber die Angst führte ihn in Richtung des Badezimmers, als vermeintlich besseres Versteck. Jetzt drangen aus dem Erdgeschoss leise Geräusche zu ihm herauf und sein Denken setzte aus.

      Mit zittrigen Fingern verriegelte der Einbrecher die Badezimmertüre und sah sich panisch um. Ein kleines Fenster über der Badewanne spiegelte das matte Licht der Straßenlaternen wider. Der Fluchtweg! Doch zunächst warf er einen kurzen Blick in den Umschlag. Fluchend wühlte er zwischen einigen Notizzetteln herum, fand aber kein Bargeld. Dann lauschte er angestrengt. Jetzt ließen sich von unten keine Geräusche mehr vernehmen und ein wenig legte sich seine Panik. Wer immer durch die Vordertür eingebrochen war, befand sich bestimmt schon wieder außerhalb des Hauses. ‚Vielleicht ist es ja der Mörder, der sich von dem Ergebnis seiner Tat überzeugen will und deswegen in das Haus eingebrochen ist‘ dachte er und wähnte sich jetzt ein wenig sicherer. Seine Gedanken kreisten um die Flucht aus diesem Haus und er blickte sich in dem Raum um. Schließlich wandte er sich dem kleinen Fenster zu und wurde zum zweiten Mal enttäuscht. Das Fenster war fest verriegelt und ohne Schlüssel würde es sich nicht öffnen lassen. Wieder stieg eine Welle von Panik in ihm hoch, als ihm klar wurde, dass er jetzt in der Falle steckte. Doch dann erinnerte er sich an seine Dietriche. Rasch ließ er den Umschlag in dem Rucksack verschwinden und begann mit zittrigen Händen das Schloss zu öffnen.

      Plötzlich wurde die Klinke der Badezimmertüre knirschend niedergedrückt. Aber die Tür war verschlossen, der Mörder könnte nicht so einfach in das Bad gelangen. Was aber, wenn der auch über einen Dietrich verfügte? Schließlich musste der Mann ja die Eingangstüre auch irgendwie aufbekommen haben? Der Einbrecher verdoppelte seine Bemühungen.

      In diesem Moment erschollen Polizeisirenen auf der Straße. Gleichzeitig hörten die Geräusche an der Badezimmertür auf. Rufe erschollen, offensichtlich drangen mehrere Polizisten in das Haus ein. Jetzt endlich gab auch das Schloss am Fenster nach und nachdem er sein Nachtsichtgerät hastig verstaut hatte, warf er seinen Rucksack, ohne lange zu überlegen, hinaus und beeilte sich ihm zu folgen.

      In dem Moment, als er ein Bein durch das Fenster steckte, zersplitterte das Schloss an der Badezimmertüre und ein Polizist mit vorgehaltener Waffe stürmte in den Raum.

      Der Einbrecher hob resigniert die Hände.

      I. Der Neue

      „Setzen Sie sich.“ Der Mann hinter dem Schreibtisch sah nicht einmal auf, sondern widmete sich weiter den vor ihm liegenden Papieren.

      Ronald C. Nayst ließ sich langsam auf den angebotenen Stuhl sinken. Der hinter dem überdimensionalen Möbelstück sitzende Mann entsprach genau dem, was man ihm im Vorfeld erzählt hatte: klein, zirka ein Meter siebenundsechzig, dick, Glatze, aber dafür mehr Haare im Gesicht,

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