Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr

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Die Servator Verschwörung - Jürgen Ruhr

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wie Unbehagen beim Anblick dieses Mannes. Aber er wollte nicht voreingenommen sein und erst einmal abwarten, wie dieser Chefradakteur der Berliner Zweigstelle ihrer Zeitung ‚New York News Paper‘, kurz NYNP, sich ihm gegenüber verhalten würde.

      Der nahm allerdings zunächst keinerlei Notiz von seinem Gegenüber und blätterte weiter in einigen Papieren. Dann setzte er die Brille mit einem Seufzen ab, fuhr sich mit einer Hand über die Augen und fixierte den Mann auf dem Stuhl mit zusammengekniffenen Augen.

      „Sie also sind Ronald Nayst?“

      Ron nickte und zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. „Und sie sind Thorsten Fellger, der Chefredakteur“, stellte er fest, erhob sich und hielt dem Mann hinter dem Schreibtisch die Hand hin.

      Fellger übersah sie geflissentlich und setzte stattdessen seine Brille wieder auf. „Gut, gut. Sie waren ja für heute angekündigt“, ließ er sich nach einer kurzen Pause vernehmen und blätterte erneut in den Papieren herum. „Mir ist allerdings schleierhaft, warum man sie hier zu uns versetzt hat. Wir brauchen niemanden aus der New Yorker Zentrale. Was wir brauchen, ist ein der deutschen Sprache mächtiger Online Redakteur. Und so welche finden wir hier auf dem deutschen Arbeitsmarkt zuhauf!“

      Ronald Nayst nickte. Man hatte ihn schon gewarnt, dass dieser Fellger ein eher schwieriger Typ sei. Schließlich hatte der sich lange erfolgreich dagegen gewehrt, jemanden aus der Zentrale in die Berliner Redaktion zu bekommen. Aber letztlich gingen dem Mann die Argumente aus, insbesondere da die Fluktuation unter den Redakteuren hier besonders hoch war. Fellger hatte inzwischen vier Online Redakteure verschlissen, die alle schon nach sehr kurzer Zeit das Handtuch warfen.

      „Also brauchen wir niemanden aus New York, auch wenn es der Sohn vom Boss ist. Gerade, wenn es der Sohn vom Boss ist“, ergänzte der Dicke und tippte mit dem Mittelfinger der rechten Hand auf die Papiere. „Sie sind ja noch nicht einmal lange genug im Geschäft, um hier effektiv arbeiten zu können. Herr Nayst, wie ich lese, haben sie ihr Studium vor zwei Jahren beendet und sind erst seit sechs Monaten in der Redaktion tätig.“

      Ron nickte erneut: „Und davor die anderthalb Jahre habe ich bei verschiedenen Redaktionen Erfahrungen gesammelt. Ganz so unbedarft, wie sie denken, bin ich also nicht.“

      Der Dicke seufzte, nahm die Brille ab und fuhr sich wieder über die Augen. Das schien so eine Art Ritual bei ihm zu sein. „Gut, gut. Dann beweisen sie einmal, was sie können. Wie steht es eigentlich mit ihren Deutschkenntnissen? Sind sie überhaupt in der Lage, sich entsprechend auszudrücken?“

      Ron lächelte: „Deutsch ist meine zweite Muttersprache. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn meine Mutter war Deutsche, als sie meinen Vater heiratete. Ich bin quasi viersprachig aufgewachsen, denn meine Eltern erzogen mich in Englisch, Deutsch, Französisch und - ein Steckenpferd meines Vaters - in Chinesisch. Spanisch habe ich dann während meines Studiums gelernt.“

      Fellger winkte ungeduldig ab: „Hier reicht es, wenn sie ein anständiges Deutsch zu Papier bringen. Und erwarten sie keine Sonderbehandlung, nur weil sie der Sohn vom Chef sind. Wir ziehen alle an einem Strang und wenn sie aus der Reihe tanzen, dann sorge ich dafür, dass sie schneller wieder in ihrem geliebten Amerika sind, als sie denken. Und jetzt an die Arbeit. Wenden sie sich an Fräulein Rienatz, die leitet momentan unsere Online Redaktion. Oder leitete, denn jetzt sind ja sie da. Lassen sie sich von Fräulein Rienatz alles erklären. Entsprechende Computererfahrung werden sie doch wohl haben? Fräulein Rienatz kann sie ja unmöglich in der Beziehung auch noch anlernen. Also, auf junger Mann. Es gilt keine Zeit zu verlieren. Time it‘s monday, wie sie so schön sagen!“

      Ron erhob sich, nickte dem Dicken kurz zu und korrigierte: „Time is money. Zeit ist Geld.“

      „Sag‘ ich doch. Und jetzt an die Arbeit ...“

      Ronald verließ das Büro des Chefredakteurs mit einem flauen Gefühl im Magen. Kein Wunder, dass sich die Mitarbeiter hier nicht allzu lange hielten. Wer um alles in der Welt hatte diesen ‚Chefredakteur‘ eigentlich eingestellt? Er nahm sich vor, beim nächsten Kontakt mit seinem Vater einmal danach zu fragen. Aber möglicherweise verfügte der dicke Mann ja über Talente, die bei dem kurzen Gespräch eben nicht zum Ausdruck gekommen waren.

      Fräulein Rienatz fand er nach einigem Suchen in der Kaffeeküche. Eine Blondine von zirka ein Meter vierundsiebzig stand mit dem Rücken zur Tür und beschäftigte sich intensiv mit der Kaffeemaschine. Ron klopfte leise an den Türrahmen. „Hallo.“

      Die Blonde drehte sich erschrocken um, lächelte dann aber: „Du bist der Neue, stimmt‘s? Die gesamte Redaktion spricht von nichts anderem. Bist du wirklich der Sohn vom großen Boss? Kommst du gerade aus New York? Du heißt Donald, nicht wahr? Warst du schon beim Chef?“

      Während die Frau kurz Luft holte, nutzte Ron die Pause: „Ja, ja, ja, nein, ja.“

      Sie sah ihn fragend an. „Ja? Nein? Ja? Nein?“

      Ronald grinste: „Ja, ja, ja, nein, ja. Deine Fragen: Ja, ich bin der Neue. Ja, ich bin der Sohn vom Boss, auch wenn das hier keine Bedeutung haben sollte. Ja, ich komme direkt aus New York. Nein, ich heiße nicht Donald, sondern Ronald, Ronald Nayst. Meine Freunde dürfen aber Ron zu mir sagen. Und schließlich: ja, ich war schon beim Chef. Der schickt mich direkt zu dir. Ich darf doch ‚du‘ sagen?“

      „Ja, sicher.“ Die Blonde ließ die Kaffeemaschine stehen und kam mit ausgestreckter Hand auf Ron zu. „Ich bin die Maike. Maike Rienatz. Du darfst ‚du‘ zu mir sagen.“ Sie schüttelten sich die Hände. „Danke, Maike. Fellger meinte, du könntest mir meinen Arbeitsplatz erklären. Du bist für die Onlineredaktion verantwortlich?“

      Maike nickte und wandte sich wieder ihrer Kaffeemaschine zu. „Momentan muss ich die Onlinesache alleine bewältigen. Gut, dass du jetzt hier bist, denn mir wächst das Ganze allmählich über den Kopf. Du musst nämlich wissen, dass ich lediglich die Praktikantin bin. Bis der letzte Onlineredakteur den Kram hingeschmissen hat, war ich hauptsächlich für das Kaffeekochen zuständig. Und jetzt auf einmal soll ich die ganzen Artikel schreiben und auch noch reschelscheren.“

      „Recherchieren“, korrigierte Ron automatisch, konnte aber nicht erkennen, ob die Blonde seine Worte aufnahm oder zu sehr mit dem Kaffee beschäftigt war. Er wartete geduldig und sah der Praktikantin beim Kaffeekochen zu. Die füllte jetzt Wasser in die Maschine, setzte den Filter auf das Gerät und betätigte den Einschaltknopf. Dann stand sie nur noch da und beobachtete, wie die braune Flüssigkeit langsam in die Kanne tropfte. Plötzlich drehte sie sich lächelnd herum: „Hast du Lust, heute Abend zu einer kleinen Party zu mir zu kommen?“

      Ronald schaute das Mädchen fragend an: „Eine Party? Sorry, aber da habe ich heute wirklich keine Zeit zu.“ Obwohl ihm die Blonde schon ein wenig gefiel. Das Kleid, das sie trug, fiel zwar etwas gewagt aus und zeigte mehr Bein und Busen, als wirklich notwendig war, aber ihre Figur war schlichtweg perfekt.

      Doch Ron steckte der Jetlag in den Knochen, er war vom Flughafen direkt in die Redaktion gefahren. Außerdem müsste er sich noch um eine vorläufige Unterkunft kümmern. Da stand ihm der Sinn nun wirklich nicht nach Party. Nur aus Höflichkeit fragte er dann aber: „Feierst du deinen Geburtstag? Kommen viele Leute?“

      Maike kicherte kurz, dann machte sie einen Schmollmund und sah Ron direkt ins Gesicht: „Eine kleine Party. Zu deinen Ehren. Nur du und ich ...“

      Ronald schüttelte den Kopf: „Wie gesagt - sorry. Ich leide noch unter der Zeitverschiebung und muss mich auch um eine Unterkunft kümmern. Vielleicht ein anderes Mal.“

      Die Praktikantin wandte sich wieder ihrer Kaffeemaschine zu, die ein letztes Röcheln von sich gab. Der Raum war erfüllt

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