Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer

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Werwolfsgeheul - Melanie Ruschmeyer

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Verfolgungswahl. Hier war niemand, außer wir beide, das wusste ich ganz genau.

      Er stellte das Paket sehr vorsichtig vor mir ab und verbeugte sich mehrere Male. Betend, als wenn ich ihn gleich erschießen würde, stand er vor mir. Herrschte etwa hier die chinesische Mafia? Gelassen, als wäre seine Geste gerechtfertigt, deutete ich auf seinen Scanner. Er nickte schnell und flüsterte etwas unverständliches. Vielleicht ein „natürlich“ oder „selbstverständlich“? Endlich scannte er das Paket ein und ich durfte unterschreiben. In meiner Anoraktasche hatte ich mittlerweile einen überschüssigen Geldbetrag zurechtgelegt und reichte es ihm. Eigentlich war die Lieferung bereits beglichen worden, aber ich fand es angemessen ein Trinkgeld zu geben. Mit offenem Mund musterte er das Geld und war sehr angetan. Doch dann sträubte er sich und schob seine Hände abwertend in die Höhe. Der arme Mann konnte einem regelrecht leid tun. Er schien Sorge zu haben, sich mit der Mafia einzulassen, oder gar von dieser auf die Probe gestellt zu werden. Wieder drückte ich die Geldscheine an seine Hand und nickte ihm auffordernd entgegen. Er begann mit sich zu hadern und wechselte den Blickkontakt zwischen dem Geld und mir. Mit einem Mal siegte die Gier und er wiegte die Scheine ab, als bestanden sie aus purem Gold.

      Mit vollem Eifer widmete ich mich nun endlich dem Paket und riss die Pappe auf. Das Geräusch drückte sich durch die Gassen wie ein Schuss. Ich hörte wie ein paar Ratten die Flucht antraten. Mit einem Griff holte ich den schwarzen Rucksack heraus. Der Postbote schaute mich leicht verwirrt, durch meine hastige Geste an, beließ es aber dabei. Er starrte lieber zu meinem üppig gewähltem Trinkgeld. Somit machte er sich aus dem Staub. Ich hätte schließlich noch einmal Wechselgeld verlangen können, doch danach war mir gerade ganz und gar nicht. Nachdem der Postwagen sich wieder fortbewegt hatte, hechtete ich über die Straße und verschwand in einer engen Seitengasse. In der dunkelsten Ecke hinter einem großen, überfüllten Müllkontainer, verbarg ich mich, zog eine Blutkonserve aus dem Rucksack heraus und trank in übertrieben großen Schlucken. Ein Tropfen rann mir über den Mundwinkel herunter. Die Kraft, die in meinen Körper schoss, war atemberaubend. Wie nach einer langen Durststrecke glaubte ich wieder zu erblühen. Alles hatte nach genau diesem Moment gelechzt und fühlte sich mehr und mehr befriedigt. Ich kostete den Augenblick voll aus und lehnte mich an die nasse Hauswand. Auf einmal war es mir egal, ob dieser Ort vor Ekel strotzte. Denn genau jetzt war er das Paradies! Wieso hatte ich nur diese dumme Idee mit der Abstinenz gehabt? Eigentlich war sie berechtigt gewesen, aber irgendwie auch ziemlich dumm. Als die Konserve leer war, wischte ich mir mit dem Handrücken über den Mund. Die Reste des Überschwänglichen mussten beseitigt werden.

      Mit leisem Ratschen sank ich an der Wand herunter und stellte den Rucksack zwischen meine Beine. Ein lautes Stöhnen dröhnte durch die Kehle und ich schloss die Augen damit mein Gemüt zur Ruhe kam. Der Marathon war vorerst zu Ende und diese Erkenntnis musste erst vollends in mir ankommen.

      Ein Knall gewann meine Aufmerksamkeit. Die Birne einer Straßenlampe war geplatzt. Kleine Glassplitter fielen klirrend auf den Asphalt. Ohne die Augen zu öffnen und die Umgebung mit meinen Schallwellen zu erkunden, schloss ich den Reißverschluss des Rucksacks und stand auf. Es war an der Zeit zu gehen!

      Die Finsternis begann ihre Fangarme immer weiter auszustrecken. Die Gassen versanken in ihr und ich huschte hindurch wie eine flinke Katze. Geräuschlos und unantastbar bewegte ich mich in der Schwärze. Mit der Nase im Wind versuchte ich eine Witterung auszumachen, doch es stellte sich als äußerst schwer heraus. Trotz der Armut fand ich nicht wonach ich suchte.

      Die Obdachlosen schienen sich bereits zu versammeln, um der Kälte gemeinsam zu trotzen, oder sie waren in andere Stadtteile gegangen, um im Feierabendtumult zu betteln.

      Ein Hang von Verzweiflung versuchte sich in mir breit zu machen. Nach etlichen Gassen, Straßen und verlassenen Bushaltestellen glaubte ich kein Glück mehr am heutigen Tag zu haben.

      Verbissen stieß ich einen kleinen Kieselstein in die Dunkelheit und schnaubte. Dumpf prallte er gegen eine Metallmülltonne und fiel zu Boden.

      Allmählich begann Autolärm an mein Ohr zu dringen. Lichtkegel erhellten die Gasse in der ich stand und zeigten mir den Weg zu einer befahrenen Straße. Mit gesenktem Kopf und die Hände in den Taschen versunken, trat ich auf den Bürgersteig.

      Es waren nicht all zu viele Autos zu sehen, aber eines blieb mir nicht verborgen: Ein Obdachloser! Direkt gegenüber auf der anderen Seite saß er auf einer alten Decke und hoffte, dass ihm jemand etwas Geld in seine Mütze, wenige Zentimeter vor ihm, warf. Er sah müde und erschöpft aus. Seine Schultern waren schlaff nach unten gezogen und mit einem kleinen Buckel hatte er sich vorgebeugt. Er spielte mit einem zerkratztem Knopf, den er unaufhörlich in seiner Hand drehte. Die Zuversicht schien ihn schon lange verlassen zu haben, denn der Blick war leer und leblos.

      Auch wenn ich nicht wissen konnte, wieso der Mann arm war, tat er mir sofort leid. In meiner Vorstellung konnten die meisten Menschen nichts für ihren Umstand.

      Als ich vor ihm stand, schaute er auf den Asphalt und trauerte innerlich. Der Knopf schien in diesem Augenblick der Mittelpunkt seines Lebens und all sein Hab und Gut zu sein. Ich schluckte schwer, als mir die wenigen Geldstücke in der Mütze auffielen, die nun direkt zu meinen Füßen lag. Er schaute nicht auf. Hatte bereits die Hoffnung aufgegeben, dass ihm noch jemand Beachtung und Hilfe spendete.

      Wahrscheinlich hätte ich vielen Obdachlosen mein Geld geben können, aber ich wollte jemanden finden, der es hart getroffen hatte und der sich trotz seiner Probleme nicht dem Alkohol verschrieben hatte. In meinen Augen war es eine Art Stärke, denn viele dieser verarmten Menschen verkrochen sich hinter einer Maske aus Betrunkensein und Vollrausch.

      Dieser Mann jedoch roch nach Schweiß und nicht nach Alkohol. Seine schwarzen Haare waren von Fett getränkt, verdreckt und zerzaust und seine Kleidung durchlöchert wie ein Käse. Er musste schrecklich frieren, aber wahrscheinlich hatte ihn der letzte Winter abgehärtet.

      Noch immer schaute er nicht auf und ich zog aus meiner Geldbörse einen großen Schein. Die Geste war so langsam und bedacht, dass ein paar Fahrzeuge Zeit fanden, hinter mir vorbeizufahren.

      Leicht wie eine Feder flatterte das Papier in die Mütze und bedeckte die kleinen, runden Metallscheiben. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, in der er seine Augen weit aufriss und sein Atem abrupt stehen blieb. Geschockt hob er seinen Kopf und starrte mich aus fragenden, faltigen Augen an. Vielleicht glaubte er gerade, dass jemand einen schlechten Scherz mit ihm machte. Irgendjemand reiches, der ihn gleich auslachen würde, wenn er ihm das Geld wieder wegnahm. Er konnte ja nicht wissen, oder gar glauben, dass wirklich jemand es derart gut mit ihm meinte.

      ››Ich hoffe, du setzt es weise ein‹‹, begann ich auf Chinesisch zu sprechen und hoffte, dass jedes Wort einwandfrei war.

      Der Mann sagte nichts, schaute abwechselnd zu mir und zu dem Geldschein. Man hörte nur das Vorbeifahren eines Autos, selbst seinen Herzschlag vernahm ich in diesem Moment nicht mehr. Der Mann war fassungslos und ich bekam nach wenigen Minuten Angst, er würde an Herzversagen sterben.

      ››Ich hätte gerne im Tausch deinen Mantel. Du bekommst dafür auch meinen.‹‹ Ich hoffte so sehr auf irgendeine Reaktion von ihm. Ein Stottern, ein Freudenschrei, ein Danke oder was auch immer! Nichts. Er war zu Stein mutiert.

      Demonstrativ klemmte ich meinen Rucksack zwischen die Beine und zog den Anorak aus. Jeder konnte sehen, dass er extrem teuer und warm war. Sicher könnte auch der Obdachlose nicht widerstehen, sich in ihm zu wärmen. Mir würde ein löchriger Mantel nichts ausmachen.

      An einem Finger baumelte das guten Stück und wartete auf seinen neuen Besitzer. Vermutlich würde mich Josy dafür ohrfeigen, wenn ich sie wieder sah, doch das machte mir gerade recht wenig aus. Dieser Mensch konnte ihn weitaus mehr gebrauchen, als ich.

      Krampfhaft

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