Die Vergessenen 02 - Kitsune. Sabina S. Schneider

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Vergessenen 02 - Kitsune - Sabina S. Schneider страница 6

Die Vergessenen 02 - Kitsune - Sabina S. Schneider Die Vergessenen

Скачать книгу

Yuki ins Toastbrot und musste an nattō denken. Ob man Toastbrot normalerweise mit nattō aß? Wieder von einem unangenehmen Schweigen umhüllt, saßen sie sich gegenüber. Mika rührte Zucker in ihren Kaffee. Jedes Mal, wenn der Löffel den Becherrand berührte, hallte der Aufprall durch das Schweigen, umgarnte es und hob es hervor, wie etwas Heiliges. Nervös legte Mika den Löffel beiseite, atmete tief ein und zählte bis drei, bevor sie eine Frage stellte. Irgendeine, um der Stille ihre Macht zu nehmen: „Lebst du schon lange in Tōkyō?“

      „Drei Wochen.“

      „Vor drei Wochen habe ich Yuki gefunden“, erwiderte Mika überrascht, „wo warst du denn vorher?“

      „Weiß nicht.“ Yuki dachte sich nichts bei seiner Antwort und griff nach dem Käse.

      „Wie meinst du das?“

      „Ich erinnere mich nicht.“ Er wusste nichts über diese fremde Welt. Kannte nichts, außer der Zeit, die er mit Mika verbracht hatte.

      „Eine Art Amnesie?“, fragte Mika.

      „Was ist mit dir?“, lenkte Yuki ab.

      „Ich lebe seit einem Jahr in Tōkyō.“ Mikas Finger verkrampften sich.

      „Alleine?“ Mika fühlte sich sichtlich unwohl bei dieser Frage, antwortete jedoch trotzdem: „Meine Eltern leben auf dem Land in Akita. Dort bin ich aufgewachsen.“ Mika sagte nicht mehr und Yuki fragte nicht näher nach.

      „Du singst schön.“ Die Worte klangen selbst in seinen Ohren hohl und leer.

      „Danke“, erwiderte Mika, die Wangen leicht gerötet.

      „Danke fürs Frühstück“, sagte Yuki und erhob sich.

      „Ich hoffe, du kannst dich bald wieder an etwas erinnern“, entgegnete Mika.

      Yuki nickte nur und ging in den Flur. Er schloss die Tür, ohne hindurchzugehen und verwandelte sich ohne Probleme in einer fließenden Bewegung in den weißen, puschelligen Yuki. Mit seinen kurzen Beinen brauchte er länger für die Strecke zurück und gab, endlich angekommen, sein seltsames Bellen und Knacken von sich. Mika nahm ihn auf den Arm, drückte ihn an ihre Brust und setzte ihn vor den gefüllten Fressnapf. Die Nase rümpfend dachte Yuki darüber nach, dass es manchmal besser wäre, weniger gut riechen zu können.

      „Mein Held in strahlender Rüstung war gerade hier“, sagte Mika, als sie ihn hinterm Ohr kraulte, „er ist etwas wortkarg. Aber seine Stimme musst du hören! Da werden einer Frau die Knie weich. Vielleicht können wir bald zu dritt auftreten. Seine Singstimme ist bezaubernd.“ Ihre Hand hielt kurz inne, als sie verstummte.

      „Ich hoffe, er kommt wieder …“, flüsterte sie so leise, dass Yuki seine Ohren spitzen musste, um die Worte zu hören. Peinlich berührt, würgte Yuki das furchtbare Fressen hinunter und musste wieder an Brot mit nattō denken. Nachdem er mit seinem zweiten Frühstück gekämpft und sich als eindeutiger Verlierer geoutet hatte, zog sich Mika um, packte ihre Sachen und sie gingen wieder zu ihrer Bühne. Die Straße gehörte ihnen und die Menschen blieben stehen, um die blinde Frau und den melodischen Hund zu bewundern.

      ----

      Mika hatte nach seinem erneuten Auftauchen einen Raum in der Musikschule gebucht. Yuki sah sich in dem nach Angstschweiß und zerstörten Träumen riechenden Zimmer um. Die Wände waren weiß, wölbten sich ihnen in regelmäßigen Muster entgegen. Wirkten wie Sofapolster, die an die Wand genagelt waren, schön akkurat nebeneinander. Boden und Decke waren schwarz. Im hinteren Teil des Raumes standen seltsame Geräte, groß und klein, lang und dick. Ein paar glänzten golden oder silbern, einige waren auf lackiertem Holz, das im Licht funkelte. Welche standen alleine, andere lehnten oder hingen an der schwarzen Wand, die nicht mit Sofapolster behangen war. Mika konzentrierte sich auf ihr Keyboard, das sie routiniert aufbaute und schloss ihre kleinen Boxen an einen Minigenerator an.

      Nachdem sie fertig war, stellte sie sich vor das Keyboard, schloss die Augen und ließ ihre Finger über die Tasten tanzen. Yuki erkannte die Melodie nach den ersten Noten. Ein Lied über Freiheit und Unabhängigkeit, Fliegen und Fallen. Worte, die er so oft gedacht hatte, formten sich automatisch. Überrascht schnellten Mikas Augenlieder hoch und ihre Finger stockten kurz, bevor sie flüssig weiterspielten. Yukis Stimme erfüllte den Raum, sprang an den Wänden ab, sammelte sich in ihrem Bauch, vibrierte heftig in ihr und weckte Gefühle, die sie lange begraben hatte. Das Atmen fiel ihr schwer und ihr Herz klopfte wild.

      Noch nie hatte sie so etwas Schönes gehört. Sie wollte ewig spielen, damit er ewig sang. Doch das Lied ging zu Ende und Mikas Finger weigerten sich sofort zum nächsten Lied überzugehen. Aus ihrer Trance gerissen, zitterten ihre Hände vor Aufregung und Angst. Angst davor, neben Yukis Strahlen zu verblassen und zu verschwinden. Weggeschwemmt zu werden von dem Orkan seiner Stimme. Nach einer langen Pause fragte Mika atemlos: „Hast du ein Mikrophon benutzt?“

      „Mikrophon?“ Mikas Angst steigerte sich in Panik. Wie sollte jemandem ein Stern auffallen, wenn neben ihm die Sonne lichterloh schien?

      „Im Raum müssten einige stehen. Schließe sie einfach an meine Box an.“ Mika hörte Yukis leise Schritte, seine Füße schienen kaum den Boden zu berühren, so sanft trat er auf. Dann hörte sie ein Rascheln, ein Klicken und ein furchtbare schrilles Fiepen. Mika wartete. Sie wartete darauf, dass Yuki sich mit dem Mikrofon anfreundete. Wartete darauf, dass ihr Herz langsamer schlug und das Zittern ihrer Hände nachließ.

      Dann herrschte wieder Stille und Mika wurde sich bewusst, dass sie alleine in einem abgeschlossenen Raum mit einem Mann war. Einem Mann, der die schönste Stimme der Welt hatte. Nervös fragte sie: „Bist du so weit?“ Er murmelte zustimmend. Mika hoffte, dass ihre Hände sich beruhigen würden. Sie schloss die Augen, atmete tief durch.

      Sie dachte an ein Gefühl und ihre Finger gaben ihre Seele wieder. Jeder Text, jede Melodie war ein Gefühl, das Mikas Selbst ausmachte und diese Lieder und Töne, gesungen von Yuki, waren intim und berührten sie so tief, dass sie körperlich spüren konnte, wie er in ihre Seele drang, sie rücksichtslos erforschte und sich für immer in ihrem Heiligtum einnistete.

      Mika fürchtete sein Talent. Hatte Angst vor der Nähe, die er unbewusst schuf und der Zuneigung, die sich in ihrem Herzen formte. Und doch war es der schönste Augenblick in ihrem Leben, als ihre Stimmen miteinander spielten, sich antasteten, neckten, um sich dann im Refrain zu vereinen. Sie sangen durch, bis die Nächsten das Zimmer stürmten, um auf ihr Recht und ihre Reservierung zu beharren.

      Eilig packten Mika und Yuki zusammen. Sie redeten nicht, auch nicht auf dem Nachhauseweg. Durch die Musik hatten sie alles gesagt. Zu viel geteilt. Worte wirkten jetzt blass und unzureichend. Mikas Wangen brannten und es fiel ihr schwer, sich auf den Weg zu konzentrieren. Würde es genau so sein, wenn sie zusammen auftraten?

      ----

      Es war soweit. Mikas Herz klopfte wild. So aufgeregt war sie schon seit Langem nicht gewesen. Sie spürte Yukis Präsenz neben sich. Er strahlte Ruhe und Gelassenheit aus. Als könne ihn nichts auf der Welt aus dem Gleichgewicht bringen. Mika wusste, dass er ihr Ersatzmikrophon in der Hand hielt, so wie sie ihres vor dem Keyboard aufgebaut hatte. Vor ihr war nichts. Der Gehweg war leer. Sie spürte die Vibration der Klänge frei durchschwingen, ohne auf Widerstand zu treffen.

      Ihre Finger fühlten sich steif an, jedoch nicht vor Kälte. Es war eine Kaninchenstarre. Furcht lähmte sie. Furcht vor der Übermacht von Yukis Stimme, vermischt mit dem Wunsch, nein, dem unüberwindbaren Drang, dieses Wunder wieder zu hören. Mika hatte auf keine weitere Probe bestanden. Yuki war perfekt. Er brauchte

Скачать книгу