Die Vergessenen 02 - Kitsune. Sabina S. Schneider
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Van spürte ihre Blicke im Nacken, als er vorging und einen älteren Mann mit Bart ansprach. Lina kannte das Spielchen mittlerweile. Van ließ gerade mehr als seinen Charme spielen. Sie hoffte nur, dass er in dem Geist des Mannes keine irreparablen Schäden anrichtete.
Als sie in Richtung Anlegedock weitergingen, betete Lina inständig, dass ihre Befürchtungen umsonst waren und sie eines der Passagierschiffe vom Dienstboteneingang oder ähnliches aus betreten würden. Ein Wunschtraum, den sie besseren Wissens nicht aufgeben wollte.
Dann standen sie vor einem Schiff, das mit hunderten von riesigen, bunten Containern beladen war. Es war weiß. Die Backbordseite war in blauer Schrift mit den Buchstaben C-E-S-C-O versehen. Lina blieb wie angewurzelt stehen.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, entgeistert starrte sie von Van, der sich verlegen durch die Haare fuhr, zum Schiff und den Containern.
„Es ist der einfachste Weg Yokohama zu verlassen und sicherzugehen, dass uns niemand wiedererkennen kann. Auf den Kreuzfahrtdampfern sind viele, die diese Touren öfters machen. Das Personal zum Beispiel. Die könnten sich unsere Gesichter merken.“ Zwei Ausländer. Ein atemberaubend schöner Mann und eine ausländische Frau. Sie blieben im Gedächtnis. Wenn der Orden den richtigen Leuten die richtigen Fragen stellen würde ... Er hatte sie durch weniger ausfindig gemacht.
Linas Wangen glühten vor Scham, als sie daran dachte, wie er sie gefunden hatte. Sie war dumm gewesen. Fazebuch und Skyb waren keine guten Kommunikationskanäle, wenn man gesucht wurde. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, das der Wind ihr in die Augen gepeitscht hatte und hoffte, dass ihre Wangen so gerötet vom kalten Wind waren, dass ihre Schamesröte nicht weiter auffiel und seufzte. Van hatte Recht. Komfort stand nicht oben auf ihrer Liste. ÜBERLEBEN war an erster Stelle in Großbuchstaben vermerkt. Danach kam Flucht vor den Armenen und dann Informationen über das Tor sammeln.
Van wusste, er hatte einen Kampf gewonnen, der nie richtig begonnen hatte. Er drehte Lina den Rücken zu und lief über eine schmale Brücke zum Schiff. Lina folgte ihm, seinen breiten Rücken nicht aus den Augen lassend. Elegant und ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten, bewegte er sich auf dem wackeligen Konstrukt aus Seilen und Holzbrettern. Wie immer hatte er seine Ärmel leger hochgekrempelt. Das Schwarz seiner Lederjacke ging über in das Weiß seines Hemdes und hob das Bronzene seiner Haut hervor.
Normalerweise hätte sich Lina an solch einem Anblick erfreut, doch sie musste all ihre Kräfte zusammennehmen, um einen Schritt nach dem anderen zu machen. Beide Hände krallten sich abwechselnd in die labilen Seile der schmalen Hängebrücke. Das Meer bewegte das Schiff und das Schiff die Brücke. Entsetzt starrte Lina in das blaue Nass. Es musste dort furchtbar kalt sein. Sie würde mit Sicherheit sofort an einem Kälteschock sterben.
„Sterben“, hallte es in ihrem Geist und Lina gefror in der Bewegung. Wovor hatte sie Angst? Vor dem Tod? Der Tod würde sie von dem Dasein erlösen und von der Schuld. Woher kam dieser Gedanke nur? Lina spürte wie die Flamme, Shiros Flamme, in ihr aufbegehrte und schrumpfte. Sie schüttelte das Gefühl ab und blickte geradeaus, machte einen Schritt nach dem anderen. Die Angst war verflogen.
Van blickte sorgenvoll zurück. Die Härte, die in Linas Augen trat, schmerzte ihn körperlich. Es war nicht fair. Linas einzige Sorge müssten ihre Haare sein, ihre Kleidung, die Frage, ob der Mann, den sie seit einiger Zeit traf, es ernst mit ihr meinte oder nicht. Dass sie weniger verdiente als ihre Kollegin und ob sie die Deadline vom nächsten Projekt einhalten könnte. Alles, doch nicht diese Härte. Er packte mit beiden Armen jeweils ein Seil, stieß sich mit voller Kraft ab und sprang hoch. Als seine Füße wieder die Brücke berührten, wackelte das ganze Konstrukt. Lina schrie erschrocken auf, krallte sich an den Seilen fest und ging in die Hocke.
Vans Lachen schallte durch die Luft und Lina fauchte ihn wütend an. Er ging ein Stück zurück, streckte ihr die Hand hin und seine weißen Zähne blitzten fast so schelmisch wie seine Augen.
„Baka- Blödmann!“, sagte Lina, ergriff jedoch im gleichen Atemzug seine Hand. Sie war dankbar für die Wärme, die in ihre kalte Hand kroch, sich ausbreitete und fast ihr Herz erreichte hatte, als sie auf dem Deck ankamen und er ihre Hand wieder losließ. Schmerzhaft zog er alle Wärme mit sich und Lina musste ihre Hand unter ihre Axel festklemmen, damit sie nicht von selbst nach seiner griff, um sie nie wieder loszulassen.
Sie zwang sich dazu, ihren Blick von Van loszueisen und ließ ihn über das Schiff wandern. Ein Wald von Containern türmte sich vor ihnen auf. Van führte Lina durch einen schmalen Gang vorbei unter Deck. Dort gab es mehrere Türen. Einige waren aus Holz, andere aus schwerem Metall. Van ging zielstrebig zu einer der Holztüren, öffnete sie und trat in eine Kajüte.
Der Raum war klein und dunkel, hatte ein Bullauge und zwei Kojen übereinander aus dünnen, helltürkiesfarbenes Gerüsten, die schon bessere Tage gesehen hatten. Die Farbe war an vielen Stellen abgeblättert, Rost hatte hier und da Löcher reingefressen. Die Matratzen sahen alt und zerfledert aus, die Luft war abgestanden. Eine einsame, nackte Glühbirne hing von der Decke und wackelte quietschend hin und her. Rechts, links, rechts, links. Lina folgte den Bewegungen mit den Augen, spürte wie der Rhythmus sie hypnotisierte, einlullte wie das regelmäßige Atmen eines schlafenden Tieres. Lina fühlte, wie sich sein Brustkorb unter ihren Füßen leicht hob und senkte. Das Meer schlief ruhig, doch versprach die Hölle bei seinem Erwachen.
Van ließ sich auf die untere Koje fallen und starrte auf das Gerüst über sich. Zwischen der Koje darüber und der Decke war gerade genug Platz, um hineinzukriechen. Aufrecht sitzen schien unmöglich. Lina riss sich von der Lampe los, die nur spärlich die Kajüte beleuchtete und fragte mit Horror in der Stimme: „Wie lange werden wir auf dem Schiff sein?“
„Vier oder fünf Tage. Je nach Wetterlage“, Van warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf Lina und wünschte sich, ihm wäre ein anderer, sicherer und bequemerer Weg eingefallen, Japan zu verlassen.
„Wir sind sicher blinde Passagiere und dürfen uns nicht auf Deck begeben“, scherzte Lina und erstarrte, als Van nur antwortete: „Je weniger von unserer Anwesenheit wissen, desto besser. Ich habe genug Proviant eingepackt.“ Vier Tage in der Hölle mit ... ihr Blick fiel auf Vans Halskuhle und sein Schlüsselbein. Vier Tage auf engstem Raum mit einem Traum von einem Mann. Wäre sie nicht so verbohrt, könnten sie gemeinsam Spaß haben. Viel Spaß. Lina schüttelte den Kopf. Wo kam dieser Gedanke her? Sie sah zu Van und er blickte sie allzu unschuldig an. Das Spiel konnten zwei spielen.
Sie setzte sich auf seine Koje, an sich ein Kunststück, da Van über 90 Prozent des Platzes einnahm. Doch sie eroberte ein Stück von der Liege, blickte betont in eine andere Richtung, spielte mit ihrem Haar, fuhr sich langsam über den Hals, senkte den Kopf leicht nach vorne und sammelte ihr Haar auf einer Seite. Hals, Nacken und Ohr lagen blank da. Nackt.
Van entfuhr ein leises Knurren, er packte sie am Handgelenk, zog sie zu sich, so dass sie auf ihm lag. Neckende Augen, trafen auf Begehren. Lina hatte mit dem Feuer gespielt und durfte sich nicht wundern, wenn sie sich verbrannte. Er packte sie fester, überrascht hob sie den Kopf und stieß ihn an dem Gerüst des oberen Bettes. Van seufzte, sein Griff lockerte sich, er streichelte ihr übers Haar, zog sie zu sich herunter und bettete ihren Kopf auf seine Brust.
Und so hielt er sie im Arm. Lina konnte sein Herz schlagen hören, fast spüren. Sie war so verwirrt, dass sie nicht bemerkte, wie das Schiff ablegte. Natürlich hätte sie aufstehen können. Aber was tun? Sich in eine Ecke setzen und ihn giftig anstarren? Dafür fühlte es sich zu gut an. In seinen Armen fühlte sie sich sicher und bevor sie sich versah, driftete sie ab in die Welt der Träume.
Wieder seufzte Van tief, schloss die Augen