Die Vergessenen 02 - Kitsune. Sabina S. Schneider

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Die Vergessenen 02 - Kitsune - Sabina S. Schneider Die Vergessenen

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verstaute ihr Wissen so tief wie möglich in ihrem Unterbewusstsein, bedeckte es mit dem größten Stein, den sie in sich fand: ihrer Liebe zu Van. Sie würde ihr Kraft geben, selbst wenn das Schicksal der Menschheit ihr egal geworden wäre.

      Versunken in ihrer Welt, bemerkte Akiko nicht, wie das Flugzeug sich in Bewegung setzte. Der Boden unter den Füßen der Passagiere erzitterte, als die Motoren starteten und der große Vogel sich in Startposition begab.

      Heinz blätterte in der Bild. Scannte mit geschulten Augen die Klatschzeitung auf Hinweise. Sie waren klein und fielen meist nicht auf. Es war seine erste Zeitung seit Langem und zwei weitere warteten in der Sitztasche vor ihm geklemmt, ragten heraus bis zum herunterklappbaren Esstisch. Ein Blick in die Zeitungen beruhigte seine Nerven. Er hatte noch genau achteinhalb Stunden Zeit, um in dem rauen Grauschwarz abzutauchen.

      Früher waren es die Zeit und das Handelsblatt, die er gelesen hatte, mit Fokus auf Wirtschaft, Recht und Internationales. Heute war es die Bild und die Klatschspalte, die seine Augen für Stunden gefangen hielten. Vielleicht würde er auch heute auf einen neuen Hinweis stoßen. Er hatte schon so einige dieser dreckigen Monster aufgrund eines kleinen Absatzes gefunden. Ein Wort sprang ihm ins Auge: Yeti. Ein Bericht über einen verunglückten Deutschen im Himalaya. Unbewusst kratzte er sich über die Innenseite seiner Handfläche. Das Jucken war nur leicht, kaum wahrnehmbar. Wäre er aufmerksamer gewesen und nicht so vertieft in seiner Suche nach der nächsten Beute, hätte er gewusst, wo er als nächstes suchen musste.

      Doch er war in Gedanken schon bei seiner nächsten Hetzjagd. Er hoffte inständig, dass es diesmal ein Vampir sein würde. Er liebte das Gefühl, wenn das tote, kalte Fleisch unter dem spitzen Holz nachgab, sich Millimeter für Millimeter dem Herz näherte und die Rote Fontäne herausschoss. In dieser Hinsicht war er altmodisch. Massenvernichtungen durch Verbrennung waren einfacher und effizienter. Aber nicht so befriedigend. Heinz fuhr sich bei dem Gedanken mit dem Daumen über die Unterlippe und suchte weiter nach Hinweisen.

      Heinrich saß mit gesenktem Kopf eine Reihe hinter Akiko und Heinz. Links und rechts flankiert von zwei jungen Brüdern. Sie hatten die ganze Zeit über kein Wort von sich gegeben. Heinrich hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie beobachteten argwöhnisch die Umgebung. Scannten jeden Passagier einzeln. Heinrich konnte sehen, wie ihre Gehirnwindungen arbeiteten, Risiken kalkulierten und ausschlossen. Wie zwei Berge klemmten sie ihn zwischen sich ein. Keine Zelle, keine Handschellen oder Ketten wären effektiver gewesen als diese Gorillas.

      Beide hatten einen breiten Kiefer, einen Stiernacken und waren über 180 groß. Heinrich hätte sie beim besten Willen nicht auseinanderhalten können. Sie trugen beide schwarze Stoffhosen und den gleichen meisterjägergrünen Pulli. Sonnenbrillen verdeckten den größten Teil ihrer Gesichter. Die Haare waren zurückgegelt. Heinrich vermutete, dass sie blond waren, doch das Gel, das jedes einzelne Härchen an den Schädel presste, ließ sie dunkel, dreckig und schmierig aussehen. Sie wirkten wie zwei Bodybilder auf Anabolika und strahlten einen niedrigeren IQ aus. War das die neue Generation der Bruderschaft? Aus welchem Reagenzglas die wohl gekrochen waren?

      Wie geklonte Statisten saßen sie da und kalkulierten mit ihren Erbsenhirnen Gefahren, die nicht da waren und übersahen kleine, wichtige Details, wie die leichte Ausbeulung an seinem Hosenbein, wenn der Stoff zu nahe an seine Wade kam. Kaum sichtbar und doch da. Eine kleine Nadel, so beschichtet, dass sie bei der Kontrolle nicht piepste. Das glattgeschliffene Plastikstück, in seinem Absatz, das ohne Probleme einem Mann die Kehle aufschlitzen konnte und leise bei jedem Schritt klackerte. Die kleinen Löcher an seinen Handgelenken. Die OP war gefährlich gewesen, doch der beste Ort, Waffen zu verstecken, war im menschlichen Körper selbst.

      Er bewegte die Handgelenkte leicht und spürte den Druck der Silikonschläuche, die sanft gegen seine Venen drückten. Das Silikon war alt, doch da er noch am Leben war, mussten die Rohre noch intakt sein und das Gift der Nadel noch nicht im Blut. Wenn er eine bestimmte Sehne anspannte, würden sie herausschießen, seine Opfer zuerst lähmen und dann töten. Niemand hatte Kenntnis von dieser Waffe. Niemand außer Adam. Und Adam war 1988 vom Radar verschwunden. Keiner wusste, was mit ihm passiert war und niemand fragte nach. Brüder verschwanden. Das brachte ihre Arbeit mit sich.

      Und mehr war es für Heinrich nie gewesen. Eine sehr gut bezahlte Arbeit. Das unterschied ihn von den meisten Brüdern. Er hatte seine Aufgaben nie aus Glauben, Religiosität oder Fanatismus erfüllt. Immer nur wegen dem Geld und dem Ruhm. Adam war anders gewesen. Er war aus Überzeugung bei der Bruderschaft, glaubte an die Sache und wollte die Menschheit vor dem Unbekannten schützen. Und doch war er okay gewesen.

      Heinrich dachte an ihre gemeinsame Ausbildung und das Band der Freundschaft, das er danach mit niemandem mehr geknüpft hatte. Sie waren Kameraden und einer wäre für den anderen gestorben, Brüder in Herz und Seele. Menschen wie Adam hatten den Orden zu dem gemacht, was er einmal war. Heinrich blickte zu dem Möchtegern-Terminator zu seiner Linken und Verachtung glühte in seinem Blick. Zu so etwas war der Orden verkommen. Zu einer Ansammlung mutierter Freaks, die nicht wussten, wofür sie kämpften.

      Doch Heinrich hatte es auch nicht gewusst. Nicht wirklich. Die Verachtung schwand, und das letzte Bisschen, das von seinem alten Ego übrig gewesen war, mit ihr. Der Orden war immer schon so gewesen. Heinrich hoffte inständig, dass Adam diese Erkenntnis erspart geblieben war.

      Er spürte die Todeswaffe unter seiner Haut, als sein Körper beim Abflug in den Sitz gedrückt wurde, und wusste, dass eine Flucht sinnlos war. Niemand konnte dem Orden entkommen. Sein Augen suchten den Sitz vor sich. Der Freitod wäre sicher einfacher, doch er hatte für seine Sünden noch nicht gebüßt. Er konnte diese Welt nicht verlassen, ohne es versucht zu haben, es wieder gut zu machen. Heinrich ließ den Kopf wieder sinken. Die Schuld und das Gefühl der Hilflosigkeit schwappten über ihn und er hieß sie willkommen wie alte Freunde.

      Er erinnerte sich wage an eine Zeit, als es sie nicht gegeben hatte. Als er naiv durch die Welt gegangen war, mit stolz erhobenem Haupt, immer ein Lächeln auf den Lippen. In seinem Egoismus und seiner Sucht nach Ruhm und Reichtum hatte er gebadet. Adam hatte ihn gewarnt.

      „Hochmut kommt vor dem Fall“, hatte er zu sagen gepflegt. Doch Heinrich hatte nur gelacht, denn er hatte gewusst, dass er auserwählt und für Großes bestimmt war. Jetzt wünschte er sich, er hätte Leipzig und die viel zu kleine Wohnung nie verlassen. Zu klein für sieben Personen, immer dreckig, da seine Mutter immer müde von der Arbeit kam. Er hatte geglaubt, dort zu ersticken und sich nach der großen, weiten Welt gesehnt.

      Der Orden hatte ihm genau das geboten und er hatte, ohne zu fragen, akzeptiert. Er wäre jedem gefolgt, der ihm eine Karte aus der Armut und des Unbedeutendseins hingehalten hätte. Doch es war der verfluchte Orden gewesen. Was ihm damals aufregend und neu erschienen war, lastete seit Jahren drückend auf seiner Seele. Er war schon lange nicht mehr gerade gelaufen, immer nur gebückt, sein Inneres zusammengequetscht von dem Gedanken: Was konnte er schon gegen den Orden ausrichten?

      Vielleicht sollte er darum beten, dass das Flugzeug abstützte. Das würde sein Leiden und das von Akiko vermindern. Es war nicht das erste Mal, dass er darüber nachdachte, sie zu erlösen. Doch er hatte es nicht bei dem Mädchen gekonnt und konnte es nicht bei der Frau. Sich umzubringen, erschien ihm zu einfach. In die Hölle würde er noch früh genug kommen. Mit seinem Tod wäre Akiko nicht geholfen.

      Bilder von einem dürren, ausgemagerten Mädchen, das vor Schmerzen zusammengekrampft hinter Gittern am Boden lag, keine Kraft mehr hatte zum Schreien, stürzten auf ihn ein. Augen, die ihn einst angestrahlt hatten, blickten ausdruckslos ins Nichts.

      Als er die Kinder eingesammelt hatte, war es ihm egal gewesen. Er war nur scharf auf das extra Geld, den Ruhm und die Beförderung. Was man mit den Kindern anstellte, daran hatte er keinen Gedanken verloren. Doch dann war er Akiko begegnet.

      …

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