Die Vergessenen 02 - Kitsune. Sabina S. Schneider

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Vergessenen 02 - Kitsune - Sabina S. Schneider страница 9

Die Vergessenen 02 - Kitsune - Sabina S. Schneider Die Vergessenen

Скачать книгу

Hemd ergoss, duftete nach Frühling.

      Sanft strich er ihr über den Kopf und schwor sich erneut, einen Weg zu finden, Lina das zu geben, was sie brauchte: ein normales Leben. Ohne Weissagungen, ohne Tor, ohne Orden und ohne Skinwalker. Bei dem letzten Gedanken zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Sie war erst so kurze in seinem Leben, doch er konnte sich eine Zeit ohne sie nicht mehr vorstellen. Sie hatte ihn gelehrt, seine verfluchte Existenz als Leben zu betrachten und es wertzuschätzen. Er wollte nicht mehr sterben. Nicht solange er bei ihr sein konnte. Was danach kam, darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war.

      Bittersüße Tage standen ihm bevor. Mindestens vier auf engstem Raum mit Lina. Keine Fluchtmöglichkeit. Würde er noch einmal von ihr kosten dürfen, oder würde sie ihn einfach mit ihrem Duft, ihrem Herzklopfen und ihren Lippen in eine süße Hölle stürzen? Er schloss die Augen und ließ sich von dem Schaukeln des Schiffes und der Wärme von Linas Körper in den Schlaf lullen.

      ----

      Am nächsten Morgen erwachte Lina mit schmerzendem Rücken. Van war einfach keine gute Matratze. Durch das kleine Bullauge fiel etwas Licht in die Koje, heller, als das dumpfe Orange der Glühbirne. Lina stand vorsichtig auf, versuchte, Van nicht zu wecken, und lief zum runden Fenster. Ihr Blick schweifte verwundert über die Wasserwelt, die so gar nicht so sein wollte, wie Lina sie sich vorgestellt hatte. Dort war nur Wasser. Sonnenlicht drang durch die Wasseroberfläche, brach an ihr. Hellblau wurde zu Dunkelblau und schließlich Schwarz.

      Lina blickte hoch. Die einsame nackte Glühbirne schaukelte hin und her, heftiger und ruckartiger als gestern. Sie schaukelte. Hin und her. Lina wurde schlecht, ihre Beine wurden weich. Mit einem Plumps landete sie grün im Gesicht auf dem Boden. Panisch schaute sie sich um, erspähte einen Eimer und eilte zu ihm, wie eine Ertrinkende zu einem Stück Treibholz. Der Rest ging ganz von alleine.

      Sie hing eine ganze Weile über dem Eimer, als eine Hand warm über ihren Rücken fuhr. Mit letzter Kraft rief Lina verärgert: „Raus!“

      „Aber ich kann dich doch nicht alleine lassen.“ Vans Hand hielt inne, entfernte sich zögerlich von Linas Rücken. Ein saurer Geruch stieg ihm in die Nase. Der gleiche Geruch, der ihn geweckt hatte.

      „Raus hab ich ...“, der restliche Satz wurde von Würgegeräuschen verschluckt.

      „Niemand weiß, dass wir hier sind. Wir sollten nur im Notfall die Kajüte verlassen“, versuchte Van es erneut, entfernte sich jedoch ein paar Schritte. Linas Blick sagte ihm, dass es für ihn ein Notfall war. Unentschlossen ging er wieder ein paar Schritte zurück und murmelte: „Es ist besser, wenn die Mannschaft uns nicht sieht.“

      „Dann verwandele dich in einen Panther und friss sie!“, fauchte Lina bösartig, blickte ihn mit funkelnden Augen an, als ihre Gesichtsfarbe von blau zu grün wechselte und sie wieder über dem Eimer hing. Van schlich sich durch die Tür, entkleidete sich, versteckte seine Sachen in einem Seilknäul, das nicht weit von der Tür entfernt lag. Nackt stand er im dunklen Korridor. Es wäre bequemer und sicherer gewesen seine Kleidung im Zimmer zu lassen.

      Er seufzte. Aber er konnte sich nicht einfach nackt vor Lina ausziehen und er mochte es nicht, sich vor ihr zu verwandeln. Ohne Schmerzen schrumpfte sein Körper, schwarzes Fell schoss aus allen Poren. In einem Augenblick war alles vorbei und seine Stimmbänder konnten nur noch ein Miauen von sich geben. Dann trottete er Richtung Deck, hüpfte die Treppen hinauf und hielt seine Nase in den Wind. Es roch nach Meer, Fisch, Metall und Rost. Gemütlich schlenderte er über das Deck, zwischen den Containern hindurch, hoppte von einem zum anderen. Wie im bunten Herbstlaub eines Waldes ragten die riesigen Stahlbäume in die Luft.

      Gedankenverloren spazierte Van über die Stahlplatten, zusammengeschweißt zu einem Boden, und wäre beinahe in einen Matrosen gerannt. Gerade rechtzeitig zog er seine Schnauze und Vorderpfoten ein. Gedankenwellen waren in jeder Sprache ähnlich, doch Van bevorzugte es, Gehirne zu beeinflussen, deren Sprache er beherrschte. So war die Gefahr, dass er den Geist beschädigte, geringer. Daher versuchte er so viele Sprachen in seinen Kopf zu pressen wie möglich. Er lernte schnell, wenn es doch anstrengend war. Japanisch war im Vergleich zu Deutsch einfach gewesen. Jedenfalls die Grammatik und die Aussprache.

      Doch man hatte ihm gesagt, dass an Bord dieses Frachters nur Chinesen waren und vor dieser Sprache hatte er sich bisher gescheut. Ein paar konnten wohl ein wenig Japanisch, manche ein paar Brocken Englisch. Doch Van wollte kein Risiko eingehen, zog sich in den Schatten der Stahlriesen zurück und suchte sich ein verstecktes Plätzchen, von dem aus er das Meer beobachten konnte. Er hatte seinen Feind gerne im Blick und sein Instinkt sagte ihm, dass er auf keinen Fall im Wasser landen wollte.

      Van war froh, dass er in dieser Form er selbst sein konnte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte jede Verwandlung Schmerz, Blut und Tod bedeutet. Nicht allzu lang her, ein paar Wochen, nicht mehr, erschien es ihm doch wie eine Ewigkeit. Keine Schmerzen, solang er an sie dabei dachte. Sich für sie verwandelte, nicht aus Wut, Erregung oder Hass. Er hatte die Kontrolle. Nicht das Biest. Er leckte seine Pfote ab und strich sich über Ohr und Gesicht. Er wusste, er würde es bereuen, wenn der Fellknäul sich wieder auf natürlichem Wege seine Bahn nach draußen kämpfen würde, aber es waren Instinkte, die er nicht unterdrücken konnte. Außerdem fühlte es sich im Hier und Jetzt gut an.

      In seinem Herzen wusste er, was er noch nicht zugeben konnte. Das Biest war er und er das Biest. Doch wenn Van das als seine Wahrheit akzeptieren würde, würde all das Blut das an dem Biest klebte, zu seinem werden, und er war noch nicht stark genug, diese Sünden auf sich zu nehmen.

      Als er mit dem Putzen fertig war, hüpfte er auf einen der Container und blickte in den Himmel. Die Sonne leuchte ihm grell ins Gesicht und er blinzelte. Ihre Strahlen schienen auf sein Fell, wärmte ihn gegen den kalten Wind des Meeres. Er wandte den Blick wieder zum Meer. Weit und breit nur Wasser, das die Sonnenstrahlen reflektierte. Hoffentlich blieb das Wetter so. Wenn Lina bei solch leichtem Wellengang so sensibel reagiert, wollte er nicht wissen, wie es ihr bei einem Sturm gehen würde.

      An seine letzte Fahrt erinnerte er sich nur ungerne. Der Frachter, kleiner und weniger beladen, hatte ihn an das gleiche Ziel gebracht. Die See war stürmisch gewesen und er hatte sich mehr als nur einmal in eine reißende Wildkatze verwandelt. Seine Kajüte, mit einer Stahltür versehen, war abgeschlossen gewesen. Nach Tagen wieder bei sich, hatte er die Tür zerkratzt und ausgedellt, aber immer noch verschlossen vorgefunden. Kein Leben war dem Biest zum Opfer gefallen. Nicht zu dieser Zeit.

      Hoch lebe das Wirtschaftsdenken der Logistiker, denn schon damals waren die Kajüten nie voll und die Mannschaft auf ein Minimum reduziert. Zum Glück hatte man Toiletten und Duschen bei der Erbauung des Schiffes eingeplant, bei den neuen Generationen würden sie sicher wegrationalisiert werden. Was nützte es mehr als einmal die Woche zu duschen? Und Kloaken endeten sowieso im Meer. Wieso also den umständlichen Weg über die Toilette?

      Nach ein paar Stunden in Sonne und Wind knurrte Vans Magen und er machte sich auf den Weg zurück zur Kajüte. Er überlegte kurz, ob er sich wieder in einen Menschen verwandeln sollte, und entschied sich dagegen. Van streckte sich, wuchs ein wenig, bis er die Klinke zu fassen bekam und öffnete mit seinen Pfoten die Tür. Lina lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett, den Eimer neben sich. Er war leer. Sie hatte wohl die Toilette gefunden. Seine empfindliche Nase war ihr dankbar. Leise ging er zu der Tasche mit Proviant und versuchte, den Reisverschluss mit den Pfoten zu öffnen, was sie nicht nur als schwierig, sondern als unmöglich erwies.

      Er gab diese Idee auf und probierte es mit den Zähnen. Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, einen Zahn in die Öse einzufädeln. Dann biss er vorsichtig zu und zog daran. Der Reisverschluss bewegte sich ein Stück, dann sprang die Öse von seinem Zahn. Er knurrte verärgert und machte sich wieder daran die Öse aufzufädeln. Sein Kiefer war die viele Bewegung nicht gewöhnt und schrie nach wenigen Minuten

Скачать книгу