Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945. Winfried Wolf

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Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945 - Winfried Wolf

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Betrachtungseise gegenüberstellt, nennt sich „Wie er es sieht“ (ab Jg. 60). In ihr und im sog. „Männereck“ wird dann gelegentlich aus spezifisch männlicher Sicht das Verhältnis des Mannes zu Frau und Kindern – meist in amüsant-humorvoller Weise – beleuchtet40. Zu den langlebigsten Serien gehören in den 50er und 60er Jahren die Beiträge zu Umgangsformen und Manieren.

      Zu 3.: Zahlreich vertreten sind im „Ratgeber“ Artikel mit moralisch-belehrendem Anspruch. Sie finden sich meist am Heftanfang und beschäftigen sich in der Regel mit der Rolle der Frau in der Familie, der geschlechtsspezifischen Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau, der Belastung der Frau durch Haushalt, Kindererziehung oder Beruf und mit Spannungen zu anderen Familienmitgliedern, die aus dieser Mehrfachbelastung entstehen können. Vielfach handelt es sich hier um Beiträge, die zu einer Harmonisierung des Familienlebens beitragen wollen oder die Frau in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter bestärken und rechtfertigen. Häufig wird auch auf die Mädchenerziehung und das besondere Verhältnis von Mutter und Tochter eingegangen.

      Zu 4.: Auch im Unterhaltungsteil der Zeitschrift finden sich Beiträge, die implizit oder explizit Standards der Erziehung thematisieren. Hierzu zählen Kurzgeschichten und vor allem Beiträge, die aus der Abgrenzung der Geschlechtsrollen „Kapital’ ziehen41 oder etwa auch „drollige“ Kinderbilder, Witzzeichnungen und Comics für Kinder, in denen richtiges und falsches Verhalten illustriert und gegenübergestellt werden42.

      Zu 5.: Berichte und Reportagen, die zur Inhaltskategorie „Kind und Familie“ gezählt werden können, nehmen meist Bezug auf bedenkliche Zeiterscheinungen wie Verwahrlosung, Teenagermode, gesundheitliche Gefährdungen oder etwa auch der Einstellung der Eltern zur Sexualaufklärung der Kinder43.

      Zu 6.: Eine besondere Form der pädagogischen Beeinflussung durch den „Ratgeber“ stellen Beiträge in Briefform dar44. In persönlich gehaltenen Briefen an Ehefrau, Tochter oder Sohn werden bestimmte, meist störende Verhaltensweisen und Einstellungen des fiktiven Empfängers beschrieben, korrigiert und bewertet45.

      Zu 7.: Beiträge informativen Charakters beziehen sich zum Großteil auf Themen aus den Bereichen Säuglingspflege und Gesundheit. Die Standardfragen sind hier: Wann sollte ein Kind wie und mit welchen Mitteln was bekommen? Oder Worauf ist beim Sonnenbaden, bei Verstopfung, unruhigem Schlaf, Ernährung etc. zu achten und welche Maßnahmen sind gegebenenfalls zu ergreifen, um das Kind vor Schaden zu bewahren?

      Beratung in und durch Zeitschriften

      Skizzierung der Beratungssituation

      Jede Beratungssituation, die institutionelle, die alltägliche und auch diejenige, welche wir in den Ratgeber-Rubriken der Illustrierten und Frauenzeitschriften antreffen, strukturiert sich durch das Dreiecksverhältnis von Ratsucher, Problem und Ratgeber. Der Ratsuchende der Zeitschriftenberatung wendet sich aus freien Stücken, wenn auch nicht immer ohne inneren Zwang, an einen Ratgeber in der Hoffnung, von diesem Rat und Hilfe für ein ihn belastendes Problem zu finden. Er geht damit auf ein Angebot ein, das ihm vom „Ratgeberonkel“ einer Zeitschrift signalisiert bzw. offeriert wird46: „haben auch Sie Erziehungssorgen? Dann schreiben Sie an den ‚Ratgeber für Haus und Familie’, Kennwort ‚Erziehung’... Unser Mitarbeiter... wird Sie beraten... Wir leiten Ihr Schreiben diskret an unseren Mitarbeiter weiter, der Ihnen durch Brief antworten wird. Bei Veröffentlichung werden wir Ihren Namen natürlich weglassen... (vgl. 3/68/260).

      Dass jemand überhaupt bei einem „qualifizierten“ Ratgeber, der gewöhnlich heute beruflich und vom Titel her auch als solcher ausgewiesen ist, um Rat nachsucht, mag von verschiedenen Faktoren abhängen.

      Zunächst darf wohl davon ausgegangen werden, dass heute bei einer breiten Masse der Bevölkerung die Bereitschaft vorhanden ist, sich in allen für wichtig gehaltenen Dingen beraten zu lassen. Diesem Bedürfnis entsprechen auf dem Gebiet der Erziehung sog. Elternberater – gezielt für Eltern geschriebene Taschenbücher – aber auch Eltern- Familien- und Frauenzeitschriften, die entweder, wie die Zeitschrift „Eltern“, ausschließlich oder wie der „Ratgeber“ regelmäßig in eigenen Rubriken zu Fragen der Kindererziehung Stellung nehmen. Die Gründe für das Anwachsen der Beratungsliteratur, die eine Art Dolmetscherfunktion zwischen fachwissenschaftlichen Arbeiten zur Erziehung und rein an Erziehungsanweisungen orientierten Schriften einnimmt47, sollen hier nicht näher untersucht werden; es gehört jedoch schon fast zur Pflichtübung an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass in einer sich wandelnden Gesellschaft, in der die tradierten Normen und persönlichen Erfahrungen des einzelnen beständig in Frage gestellt werden, Information und Beratung der Erwachsenen über Erziehung eine große Bedeutung erlangt haben. Hinzu kommt die zunehmende Pädagogisierung vieler Lebensbereiche, die zusätzlich für eine verstärkte Nachfrage nach Beratung sorgt48.

      Zeitschriften, die für sich in Anspruch nehmen in kompetenter Weise Lösungen für alle familiären Probleme anbieten zu können, machen sich diese „Notsituation“ des „Verbrauchers“ zunutze. Sie vertrauen offensichtlich darauf, dass die Beratung in Erziehungsfragen nicht mehr nur im engeren Familien- oder Bekanntenkreis gesucht wird. Für viele Menschen ist es scheinbar leichter, sich mit ihren Problemen an „Dr. Brand“ oder „Frau Irene“ zu wenden, als an einen ihnen nahestehenden Menschen oder gar eine öffentliche Einrichtung, wie z.B. eine Familien- oder Erziehungsberatungsstelle.

      Ratsuche in der Zeitschriftenberatung:

      Was mag nun den einzelnen Ratsucher dazu veranlassen, sich Rat und Information gerade in einer Zeitschrift zu suchen? Gründe sozio-kultureller Art49 sollen hier nicht weiter erörtert werden. Behalten wir vielmehr die individuellen Motive des heutigen Lesers im Auge.

      Der Leser ohne besonderes Interesse für Fragen der Erziehung mag wohl eher aus Neugier einen Blick in entsprechende Beiträge werfen und sich vielleicht nur hie und da informieren wollen wie andere „es machen“, ohne gleich Konsequenzen für sein eigenes Handeln zu ziehen. Der stärker Interessierte wird vergleichen und die eine oder andere Empfehlung für sein eigenes Verhalten in Erwägung ziehen. Dabei werden sich die meisten auch nur in der Richtung beeinflussen lassen, in die sie ohnehin schon vorher gehen wollten50. Dass ein Einfluss von Massenkommunikationsmitteln überhaupt unterstellt werden darf, dass in unserem Falle von der Zeitschriftenberatung eine Wirkung erwartet werden kann, macht E. Noelle-Neumann in einer Bemerkung zu diesem Thema deutlich. Aus zahlreichen Beobachtungen zieht sie den Schluss, „dass die Massenkommunikationsmittel einen um so größeren Einfluss auf das Denken und Handeln der Menschen haben, je mehr der gebotene Stoff, der Inhalt der Kommunikation, auf die Praxis des Alltags bezogen ist, oder je größer soziale und psychologische Bedeutung er hat“51.

      Wir dürfen also ein allgemeines Interesse an Beratung, auch an Erziehungsberatung in Zeitschriften unterstellen. Und offenbar genügt vielen Menschen die allgemeine, unverbindliche Beratung nicht, sie suchen den brieflichen Kontakt zur personifizierten Beratung im sog. „Briefkasten“, den viele Zeitschriften verstärkt seit den 60er Jahren anbieten. Versuchen wir nun die Situation eines solchen Ratsuchenden näher zu beleuchten, denn sie wird uns Aufschluss über Inhalt und Form der Raterteilung geben.

      Den Ratsuchenden veranlasst wohl zunächst die subjektiv empfundene Dringlichkeit seines „Falles“ sich um eine Beratung zu bemühen. Für viele Menschen mag dies nicht leicht sein, steht man doch in der Gefahr, sich, wenn auch anonym, eine Blöße zu geben, wenn man andere um Rat fragt und damit zugibt, dass man Probleme hat, die man selbst nicht meistern kann. „So scheuen sich manche Leute, ihre Sorgen vorzutragen, weil sie in einem kleinen Ort wohnen und fürchten, sie würden damit in der Öffentlichkeit oder Bekannten gegenüber bloßgestellt“52. Auch gilt es eine gewisse Schwellenangst zu überwinden, wenn man sich als Ratsuchender vertrauensvoll einem Unbekannten

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