Shandra el Guerrero. Rudolf Jedele

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Shandra el Guerrero - Rudolf Jedele

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denn Menschen sind hilflose, ängstliche und hoffnungslose Wesen, wenn sie kein geistiges Zentrum haben.“

      Er sah wieder hoch, schaute Torwald in die Augen und meinte:

       „Dieses hinterhältige Weib! Ich hoffe, Väterchen Schlange wird seine Aufgabe wieder gut erledigen. Doch jetzt lass uns gehen und unsere Schwestern und Brüder wieder zu Verstand zu bringen.“

       „Was hast du vor?“

       „Ich werde es machen wie Tarith, ich werde mich auf den Marktplatz stellen und die Leute zusammen rufen. Ich werde ihnen erklären, dass ich nicht tot bin und dass diese Tarith eine schreckliche Lügnerin ist. Das wird sie wieder zur Vernunft bringen. Ich bin weder dafür geeignet noch bereit, eine Legende zu sein und gar noch angebetet zu werden.“

       „Du wirst dich aber damit abfinden müssen, dass es so ist. Die Frau hat genau diesem Ereignis vorgebeugt. Sie hat den Menschen erklärt, dass genau das passieren könnte, was du jetzt zu tun vorgeschlagen hast. Sie hat erklärt, dass dieses Ereignis, wenn es denn eintrat, auf ein Blendwerk des Teufels zurück zu führen sei und man die Person, die von sich behauptet Shandra el Guerrero zu sein, sofort steinigen müsse.

       Ich befürchte, die Menschen der Stadt sind so sehr manipuliert worden, dass sie den Märchen Tariths bedingungslos glauben. Ich befürchte, du bringst dich in ziemliche Gefahr, wenn du dein Vorhaben umsetzt.“

       „Und du Torwald? Weshalb glaubst du nicht an Tariths Märchen?“

       „Weil ich ein Mitglied des Rates der Ältesten Weisen bin. Weil ich gelernt habe, deine Gedankenstrukturen zu erkennen wie einen eindeutigen Beweis für deine Existenz. Und weil ich diese Gedankenstrukturen zwar sechs Tage und fünf Nächte lang nirgendwo spüren konnte, aber seit dem frühen Abend sind sie wieder da und dabei so stark wie nie zuvor. Deshalb.“

       „Dann sag mir, väterlicher Freund, was können wir gegen diesen Aberglauben tun?“

       „Für den Moment nichts. Tarith hat den Menschen El Zaharas etwas gegeben, an das sie glauben können. Ihnen diesen Glauben an dich wieder zu nehmen, dürfte schwierig werden.“

      Shandra starrte erneut nachdenklich vor sich hin. Er sah die Botschaft und jetzt verstand er sie doch noch.

       „Menschen brauchen ein geistiges Zentrum…. Immer. Wenn es dieses geistige Zentrum nicht gibt, muss es geschaffen werden, denn Menschen sind hilflose, ängstliche und hoffnungslose Wesen, wenn sie kein geistiges Zentrum haben.“

      Tarith hatte nichts anderes getan, als den Menschen in El Zahara ein geistiges Zentrum zu schaffen. Eine Legende, ein unerklärliches Zeichen und einen Tempel, mehr brauchte es dazu nicht. Das dumme war nur, dass er selbst, Shandra el Guerrero von ihr als Inbegriff dieses geistigen Zentrums auserkoren worden war.

      Shandra schrak aus seinen Gedanken auf, denn Torwald fuhr fort zu erklären.

       „Wir haben nur eine Chance. Wir müssen in einer gemeinsamen Aktion aller geistigen Kräfte den Schlaf der Menschen manipulieren und ihnen in ihren Träumen versuchen die Realität zu erklären. Gelingt das nicht, dann befürchte ich, du wirst dein weiteres Leben als Legende verbringen müssen.“

       „Verdammt, wie ist so etwas möglich? Litten die Menschen von El Zahara an einem unerkannten, verborgenen Mangel? Wie kann es sein, dass da ein Prediger auftaucht und im Handumdrehen aus zwei Clanfrauen Verräterinnen macht und damit nicht genug, kommt nur wenig später eine scheinbar junge und gut aussehende Frau – sie ist nicht einmal ein richtiger Mensch – daher und macht aus den Menschen einer ganzen Stadt eine Horde religiöser Eiferer! Sind die denn alle nicht mehr ganz klar in der Birne? Oder bin ich es, der das eine oder andere nicht begreift?“

      Jetzt war es Torwald, der nachdenklich vor sich hin starrte, ehe er den Kopf hob und ganz genau Tariths Worte benutzte.

       „Menschen brauchen ein geistiges Zentrum…. Immer. Wenn es dieses geistige Zentrum nicht gibt, muss es geschaffen werden, denn Menschen sind hilflose, ängstliche und hoffnungslose Wesen, wenn sie kein geistiges Zentrum haben.“

       „Ja, ich weiß. Jetzt da du es ebenfalls sagst, fange ich an es zu glauben. Doch ich habe nicht das geringste Interesse daran, Mittelpunkt des menschlichen Anlehnungsbedürfnisses zu werden. Dann muss ich mir einen geeigneten Ersatz ausdenken.“

      Torwald zog die Augenbrauen hoch, sah Shandra wie vorsichtig prüfend an und wollte wissen:

       „Einen Ersatz für dich? Da bin ich gespannt, wie du den so schnell beschaffen willst.“

      Zum ersten Mal seit geraumer Zeit tauchte das schelmische Grinsen wieder in Shandras Gesicht auf, das ihn in früheren Zeiten sowohl beliebt als auch gefürchtet gemacht hatte.

       „Natürlich gibt es für mich nur schlecht Ersatz. Es sei denn, wir würden … wie wär’s mit dir Torwald? Bei den Chrianos gibt es Heilige die tragen den Ehrentitel Santo vor ihrem Namen. Du wärst dann Santo Torwald, das hört sich doch nicht so schlecht an, oder?

       Aber im Ernst, ich denke, ich will auf etwas ganz anderes hinaus, du brauchst also nicht so entsetzt und abwehrend schauen.

       Das geistige Zentrum der Menschen sollte keinesfalls ein Mensch sein. Einen Menschen zur Legende zu machen würde bedeuten, dass wir eigentlich nichts anderes wären als die Chrianos. Wir wären – wenn ich die Symbolfigur bliebe – von mir aus Shanderos oder dergleichen. Das ist Unsinn, absoluter Unsinn. Weißt du wer das richtige Medium wäre? Al Andalus zum Beispiel oder, noch besser, Iberia.

       Die Freiheit unserer Heimat ist das höchste Gut, das wir besitzen und verteidigen müssen. Die Unabhängigkeit unserer Sitten und Gebräuche, der Respekt gegenüber unserer Sprache, die Heiligkeit unserer Nation.

       Shandra el Guerrero wäre davon leicht zu ersetzen.“

      Torwald hatte Shandra mit immer größer werdenden Augen gelauscht, nun fragte er ihn:

       „Mein Junge, du überraschst mich immer wieder aufs Neue. Wo bringst du das bloß alles her? Und noch eine Frage, wo warst du die letzten Tage tatsächlich?“

       „Ich habe gelernt. Unablässig und ungeheuer viel gelernt. Um dir das im Einzelnen zu erklären, würde ich allerdings sehr lange brauchen. Länger jedenfalls als ich weg war. Lass es also einfach so stehen, dass ich lernen war. Doch nun zu unserem Thema zurück, du musst nachher hinausgehen und den Leuten sagen, dass ich morgen zur Mittagszeit auf dem Marktplatz mit ihnen reden werde. Ich aber werde noch einmal los laufen und sehen, ob Vater Schlange mir noch etwas von Tarith übrig gelassen hat. Ich komme wieder in dein Haus, wenn ich zurück bin.“

      Shandra rannte in höchst möglichem Tempo den Berg hinunter und schlug den Weg zu der Höhle ein. Er hoffte inständig Tarith unversehrt zu finden, denn er brauchte sie. Er brauchte sie dringend, denn durch ihre geschickten Lügen hatte sie Shandra in das böse Dilemma gebracht, sie sollte ihn auch wieder herausholen.

      Shandra hatte Glück, Tarith lebte tatsächlich noch. Doch ihr Leben war teuer bezahlt worden. Vater Schlange war verschwunden und vor Tarith lag eine groß gewachsene, blonde und junge Frau am Boden. Ihre ehemals weiße Haut war vom Gift der Kobra schwarz und lila verfärbt.

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