Sünden von einst. Elisa Scheer

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noch nicht. Ich fahre eh nicht weg, ich denke, ich nehme ihn dann, wenn sonst keiner will.“

      „Du fährst nicht weg? Wieso nicht? Kein bisschen am Strand braten?“

      „Kein Geld“, log ich, „ich muss meine Wohnung noch abzahlen.“ In Wahrheit hatte ich bloß keine Lust – die Wohnung war abbezahlt, und Geld für einen Urlaub hatte ich auch. Aber ich wollte lieber das Schlafzimmer neu streichen und mir anständige Regale für die Abstellkammer kaufen.

      Mein Handy klingelte, und Gabi erhob sich, wischte sich die Reisflocken von der Jacke und winkte mir zum Abschied zu. Als ich mich gemeldet hatte, erntete ich Gestotter: „Was – wieso? Äh, hier ist Simon...“

      „Hi, Simon“, antwortete ich leicht erstaunt. Wir hatten doch vor gut einem Jahr Schluss gemacht, und das nicht unbedingt in gegenseitigem Einvernehmen? „Was liegt an?“

      „Nichts – äh, also eigentlich wollte ich gar nicht dich anrufen, ich muss im Speicher verrutscht sein.“

      Ich kicherte. „Männer und Technik! Warum löschst du meine Nummer nicht einfach? Markieren, Optionen, Löschen. Wieder ein Problem gelöst.“

      „Jaja, spotte nur. Aber wenn ich dich schon mal an der Strippe habe... wie geht´s dir denn so?“

      „Gut“, antwortete ich zufrieden. „Ich sitze in der Mittagspause in der Sonne und freue mich aufs Wochenende. Und wie geht´s dir? Und deiner – wie hieß sie doch gleich? Irmgard?“

      „Irma“, antwortete er beleidigt. „Und wir sind nicht mehr zusammen.“

      „Das tut mir aber Leid“, heuchelte ich. Wegen Irma hatte er mit mir Schluss gemacht, aber behauptet, es sei, weil ich ihn nie wirklich ernst genommen hätte. Männer? Ernst nehmen?

      „Lüg nicht rum, du freust dich doch, oder?“

      „Aber nein“, schwindelte ich. „Woran lag´s denn? Ich denke, sie war die ideale Frau, so anschmiegsam, um nicht zu sagen gutgläubig?“

      Simon schnaubte. „Gutgläubig? Ach, Nina...weißt du, es ist ja schon nett, wenn man von seiner Freundin bewundert wird. War mal eine Abwechslung für mich. Aber gar so kritiklos? Außerdem hat sie wirklich allen alles geglaubt.“

      „Was soll das denn heißen?“ Ich lehnte mich, den letzten Bissen im Mund, gemütlich zurück.

      „Ach, sie hat dauernd irgendwelchen Kram gekauft, sogar an der Haustür. Da musste einer bloß mit einer abgedroschenen Geschichte daherkommen. Und erinnerst du dich noch an den Wolfi? Dem hat sie allen Ernstes abgekauft, dass er alleine auf dem Montblanc war, richtig raufgeklettert. Totale Heldenverehrung, und warum ich so was nie mache.“

      Ich kicherte. „Tja, du könntest ja mit der Geißenhöhe anfangen und dich dann langsam steigern.“

      „Dieses sanfte Hügelchen hinter Waldstetten? Typisch für dich!“

      „Komm, bei dem, was du so wegrauchst, bist du doch schon nach einer Treppe völlig außer Atem!“

      „Ich bin immer noch fitter als du!“, fauchte er mir ins Ohr. Ich kicherte noch mehr. „Jaja, wie du meinst. Ich glaube, jetzt löschst du meine Nummer endgültig, oder?“

      „Auf jeden Fall. Sobald ich die von meiner neuen Eroberung eingegeben habe. Ich sag dir, eine absolute Traumfrau...“ Nach diesem Partherpfeil schaltete er ab und ich grinste vor mich hin. Traumfrau, soso! So traumhaft wie Irma wahrscheinlich. Und davor wie ich und davor wie diese rachsüchtige Corinna und davor... keine Ahnung. Das konnte mir auch ziemlich egal sein. Aber so etwas wie Simon konnte ich wirklich nicht ernst nehmen!

       3

      Die Projektsitzung war so unergiebig gewesen wie erwartet, was zum einen daran gelegen hatte, dass Mayring schlecht gelaunt und Max in alberner Stimmung gewesen war (er hackte immer noch auf der Sache mit dem TV-Magazin herum, obwohl das weder spruchreif noch unser Thema war), zum anderen daran, dass wir alle drei schlecht vorbereitet waren und wichtige Unterlagen auf dem Weg von der Geschäftsleitung bis zu uns irgendwo falsch abgebogen waren.

      Schließlich war es schon kurz nach fünf, als ich meinen Schreibtisch endlich absperren und meine Tasche über die Schulter schwingen konnte. Hastig brauste ich von Zolling nach Mönchberg, ärgerlich über die Vorladung in die Gruselburg: Was man da an Sprit verplemperte! Zolling – Mönchberg, Mönchberg – Henting, Henting – Altstadt, Altstadt – Mönchberg: jedes Mal quer durch die Stadt. Aber etwas frisch machen sollte ich mich eben doch und ein bisschen einkaufen... Nein, einkaufen konnte ich auch morgen Vormittag. Allerdings war es dann im Supermarkt wieder rappelvoll... Nein, egal. Hauptsache nicht jetzt!

      Ich parkte schief vor dem Haus, lief nach oben, räumte meine Tasche aus, steckte die Postkarte von Vater ein (aus unerfindlichen Gründen wollte er sie immer zurück haben), schminkte mich ab, weil er keine angemalten Weiber mochte, ärgerte mich über meine Willfährigkeit, nahm den Schmuck ab, weil er auch keine mit Klunkern behängten Weiber mochte, ärgerte mich noch mehr, schlüpfte in flache, bequeme Schuhe mit dickerer Sohle (der scharfkantige Kies im Wittelsbacher Garten!), kontrollierte, wie viel Geld ich noch hatte, bürstete meine rotbraunen Locken, band sie im Nacken brav mit einer Spange zusammen, warf einen gehetzten Blick in die Runde – alles einigermaßen ordentlich, nur leicht angestaubt – und griff wieder nach dem Schlüssel.

      Eigentlich konnte er jetzt nicht meckern, fand ich – aber er würde es trotzdem tun, das wusste ich. Warum bestellte er uns eigentlich immer wieder zu sich? Bloß, um uns zuzupredigen? War er einsam? Bereute er, dass er uns so entschieden zum frühestmöglichen Zeitpunkt vor die Tür gesetzt hatte? Gott behüte, hatte Nathalie womöglich Recht und er wollte das Geld zurück, mit dem er sich von jeder weiteren Verantwortung freigekauft hatte?

      Das konnte er vergessen, beschloss ich, genauso wie ich es Nathalie gesagt hatte. Wir hatten nicht unterschrieben, dass das Geld nur geliehen war, und wenn er wirklich pleite war, sollte er erst einmal das Haus samt den Bergen von nutzlosem Inventar verscherbeln. Ich kurvte Richtung Henting und merkte, dass ich schon richtig aggressiv fuhr, weil ich mich so ärgerte. Wenigstens war vor dem Haus ein Parkplatz frei! Ich verzichtete darauf, mich halb auf den Bürgersteig zu stellen, er würde es ja doch wieder merken und mich anschnauzen. Als ob mein fast neuer Wagen Öl verlöre!

      Außerdem stand dieser schwarze BMW auch ganz auf der Straße. Dann mussten die drei Autos, die hier pro Tag durchfuhren, eben etwas aufpassen. Die Nachbarn hatten wohl Besuch? Netter Wagen, fand ich, wenn ich noch etwas mehr Geld zusammengerafft hatte, sollte ich auch mal über so etwas nachdenken, aber noch tat es mein Golf auch. Und wenn ich mir mal so was leisten könnte, würde ich mir nicht so eine Schnapszahl wie 3333 aufs Kennzeichen setzen. Da fanden einen die Bullen doch immer sofort!

      Ich schloss ab und klingelte artig einmal (Für Sturmklingeln hatte ich vor zwanzig Jahren tatsächlich mal eine Tracht Prügel bezogen und dabei so gestrampelt, dass ich es geschafft hatte, Vater ins Gesicht zu treten. Diese Erinnerung zauberte prompt ein töchterliches Lächeln auf mein Gesicht).

      Nichts. Wollte er mich wieder zappeln lassen?

      Ich sah auf die Uhr. Mein Gott, vier Minuten vor sechs, man konnte die Korinthenkackerei auch übertreiben! Na gut, wartete ich eben. Um zwei Minuten vor sechs verlor ich die Geduld und klingelte wieder. Wieder nichts. War er womöglich nicht da? Ausgeschlossen, er verließ das Haus doch praktisch nie. Ob sein Wagen da war, konnte ich nicht feststellen, der war natürlich immer ordentlich in der Garage geparkt,

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