Sünden von einst. Elisa Scheer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sünden von einst - Elisa Scheer страница 5

Nichts.
Ich trat wütend gegen das schmiedeeiserne Törchen, und es öffnete sich – nein, nicht unheimlich quietschend. Das Haus sah zwar aus wie aus einem der schlechteren Edgar Wallace-Filme geklaut, aber alles war ordnungsgemäß geölt.
Also trat ich ein, obwohl uns verboten war, das Grundstück eigenmächtig zu betreten: An meinem achtzehnten Geburtstag war mir unmissverständlich klar gemacht worden, dass dieses Haus nicht mehr mein Zuhause war. Und Nathalie war es acht Jahre später genauso ergangen.
Wenn er nicht wollte, dass man unaufgefordert eintrat, sollte der alte Mistkerl eben entweder zuschließen oder seinen Hintern zur Tür bewegen und sie aufmachen, wie es unter zivilisierten Menschen üblich war!
An der Haustür klingelte ich auch wieder vergeblich und schließlich Sturm. Wenn er mich wieder übers Knie legen würde, würde ich zurückschlagen und mich dann auf einen Reflex herausreden.
Schließlich drückte ich probeweise gegen die Tür. In einem Film hätte sie sich jetzt geöffnet, überlegte ich, aber so einfach war die Realität mal wieder nicht; die Tür blieb zu. Frustriert trat ich einen Schritt zurück, und das war wohl auch mein Glück, denn im nächsten Moment wurde sie aufgerissen und ein fremder Mann stand vor mir – grünlich weißes Gesicht, weit aufgerissene Augen und ein hinreißend schöner, wenn auch krampfhaft zusammen gepresster Mund. Mehr sah ich nicht, bevor er mich zur Seite stieß, die drei Stufen hinunter stürzte und wegrannte.
Ich rieb mir den Arm und sah ihm konsterniert nach. Was sollte das denn? Für einen von Vaters komischen Gartenfreunden war er zu jung, wenn er sich nicht um den Posten eines Gärtners beworben hatte und von Vater mit dessen üblichem Mangel an Charme abgewiesen worden war. Trotzdem, so grün hätte er dann auch nicht sein müssen.
Wenigstens war die Haustür offen geblieben! Ich trat ein und blinzelte wie immer erst einmal orientierungslos in der dämmerigen Halle, dann rief ich laut: „Hallo? Ich bin´s, Nina. Ich sollte doch um sechs Uhr kommen?“
Keine Antwort.
Allmählich wurde mir die Sache unheimlich. Wenn er nicht da war, wieso war dann dieser Mann eben aus dem Haus gestürzt? Den musste er doch reingelassen haben? Unsinn, beruhigte ich mich selbst, vielleicht war das der Sohn von der blöden Zittel, und Vater war wirklich nicht da. Oder werkelte im Garten herum. War jetzt nicht gerade die Zeit, in der man den Rasen wässern musste? Aber dafür war er eigentlich zu korrekt. Überkorrekt sogar. Ein Korinthenkacker reinsten Wassers eben. Hier stimmte eindeutig was nicht.
Energisch steuerte ich das Arbeitszimmer an, sobald sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, und stieß die Tür auf. „Guten Abend, ich sollte doch um sechs Uhr hier s-“
4
Er saß am Schreibtisch, der Kopf war auf die lederne Schreibunterlage gesunken und irgendwie wusste ich, so sehr ich vorher auf der Leitung gestanden hatte, dass er tot war.
Oder? Ein Gefühl konnte einen schließlich auch trügen! Ich umrundete, trocken schluckend, den Schreibtisch, achtete darauf, nichts anzufassen und auf nichts zu treten – es lagen einige Papiere auf dem Boden – und betrachtete sein Gesicht, das von der Tür abgewandt war. Die Wunde an der Schläfe war deutlich zu sehen, und auch das Blut, das auf diese Seite der Schreibtischunterlage geflossen war.
O verdammt!
Ich hatte ihn ja wirklich nicht gemocht, aber so was...?
Vorsichtig zog ich mich wieder aus dem Arbeitszimmer zurück und zückte im Flur mein Handy. Nach den notwendigen Anrufen, bei denen ich mir vorkam wie in einem schlechten Film, auf jeden Fall nicht real, setzte ich mich in der Halle auf einen der Stühle und wartete.
Nach einigen Minuten wusste ich, warum dort nie jemand gesessen hatte; ich stand wieder auf, rieb mir den Rücken da, wo die Verzierungen sich hineingebohrt hatten, und trat lieber nach draußen.
Schließlich fuhren ein Polizeifahrzeug und ein Krankenwagen vor, zwei Beamte traten ein und folgten meinem ausgestreckten Zeigefinger. Ich wurde ansonsten nicht weiter beachtet, also lief ich in der Einfahrt im Kreis herum und versuchte zu überlegen, aber meine Gedanken drehten sich zunächst genauso sinnlos wie meine Schritte. Vater tot? Das konnte doch gar nicht sein, wahrscheinlich war das nur ein Alptraum und ich schreckte gleich an meinem Büroschreibtisch hoch. Tot? Vielleicht war er gar nicht wirklich tot. Oder doch?
Allmählich dachte ich ruhiger. So einer brachte sich doch nicht um! Und der Typ, mit dem ich in der Tür fast zusammen geprallt war – hatte er ihn gefunden und wollte damit nicht in Zusammenhang gebracht werden oder hatte er ihn erschossen? Eine Schusswunde war das, da war ich mir sicher. Ich guckte ja nicht umsonst die einschlägigen Serien wie CSI!
Er hatte nichts in der Hand gehabt, da war ich sicher. Wie hatte er eigentlich ausgesehen? Ziemlich groß, größer als ich jedenfalls, ich hatte nach oben geguckt, als ich sein bleiches Gesicht registriert hatte. Oder hatte ich da noch auf einer der Treppenstufen gestanden? Nein, ich war ja schon oben gewesen, um zu klingeln. Ein gutes Gesicht. Nicht wie ein Killer.
Himmel, wie sah denn ein Killer aus? Mit Killerfratze oder wie? Ich war wirklich dämlich! Und dass er nichts in der Hand gehabt hatte, besagte gar nichts. Eine Pistole oder ein Revolver (mit dem Unterschied kannte ich mich nicht so aus) war ja klein und passte in die Hosentasche. Was hatte er getragen? Einen dunklen Anzug? Da bemerkte man so etwas ja auch weniger als etwa bei knallengen Jeans. Ich schaute auf die Straße. Der schwarze BMW war weg. Ob das seiner gewesen war? Die Buchstaben hatte ich vergessen, aber die Zahl, 3333, hatte sich mir eingebrannt.
Sollte ich Nathalie anrufen? Um sieben im Biergarten, das konnten wir ja wohl vergessen. Sofort kam ich mir kaltschnäuzig vor – jetzt an den Biergarten zu denken! Und, wenn wir schon mal dabei waren, auch an das garantiert versaute Wochenende. Herzlos war ich, jawohl.
Blödsinn, er hätte im umgekehrten Fall ja auch nichts anderes gedacht. Ich rief Nathalie an, die es zuerst nicht glauben wollte und dann relativ gefasst reagierte. „Kaum vorstellbar, was? Er war irgendwie immer da, auch wenn diese Vorladungen bloß lästig waren. Ich komme hin, das mit dem Biergarten wird ja doch nichts mehr.“
Wir waren uns wirklich ziemlich ähnlich. Nur äußerlich nicht, Nathalie war dunkelhaarig und blauäugig und sah viel besser aus als ich. Sie wurde im Sommer auch immer knackbraun und ich kriegte Sonnenbrand und wurde dafür gehänselt. Warum dachte ich jetzt an so was?
Eine Frau in Zivil trat aus dem Haus. Mir war gar nicht aufgefallen, dass die Kripo schon angekommen war! „Sie haben ihn gefunden?“ Ich nickte.
„Und Sie sind -?“
„Nina Lamont. Der – äh – der Tote ist mein Vater. Hartmut Lamont. Ich habe meine Schwester informiert und herbestellt, ist das in Ordnung?“
„Natürlich. Mein Name ist Kerner, Charlotte Kerner.“
„Mordkommission?“
„Ja. Sie vermuten also, dass Ihr Vater ermordet wurde?“
„Naja – ich hab dieses Loch in seiner Schläfe gesehen“, ich schluckte, als ich mich an den Anblick erinnerte, „und der Typ für Selbstmord war er nun wirklich nicht. Außerdem hätte die Waffe dann ja irgendwo herumliegen müssen.“