Sünden von einst. Elisa Scheer

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danach fast sechs Jahre lang nicht mehr gesehen und ihn auch nicht wirklich vermisst. Mit Nathalie hab ich natürlich jeden Tag telefoniert und sie war auch oft bei mir, das war ja nicht verboten.“

      „Trotzdem – das ist doch unmenschlich! Nach dem Leben in dieser Villa... Na, egal, wir sollten wohl weitermachen.“ Er schaltete das Gerät wieder ein und sprach die neue Uhrzeit aufs Band.

      „Ich denke, Sie sollten mal unsere Wohnungen sehen, bevor Sie uns bedauern. Außerdem hat er uns wirklich nicht dem Elend preisgegeben. Jeden Monat haben wir viertausend Mark bzw. zweitausend Euro gekriegt, und damit lässt sich schon was anfangen. Außerdem haben wir beide immer nebenbei gejobbt, und so sind wir ganz nett zurechtgekommen. Nur für Nathalie ist es unfair – sie hat bloß vier Jahre lang diesen Zuschuss gekriegt und ich immerhin zwölf... na, vielleicht hat er ihr noch was vererbt.“

      „Das muss er doch!“, entrüstete sich Grünbauer.

      „Er muss gar nichts. Er kann uns die Unterstützung auf den Pflichtteil anrechnen, und ich bin sicher, das hat er auch getan. Gut, dann bleibt für Nathalie auch noch was. Was aus dem Haus wird, weiß ich nicht, wir wollten es nie haben. Grässliches voll gestopftes Mausoleum. So viele Container gibt´s in der ganzen Stadt nicht, dass man das entrümpeln könnte.“

      „Ärgert es Sie denn gar nicht, dass Sie nicht erben?“

      „Haben Sie nicht zugehört?“, fuhr ich ihn an. „Ich brauche sein Geld nicht und das Haus schon gar nicht, ich hab eine nette Wohnung, einen guten Job und ein ganz hübsches Depot. Ich versteh was von Wirtschaft, schon vergessen? Das einzige, was sich jetzt ändert, ist: Keine gebieterischen Postkarten mehr. Ich hab ihm das nicht gewünscht, aber bin auch nicht traurig, dass er tot ist.“ Er sah mich zweifelnd an. Hinter mir öffnete sich eine Tür, und Frau Kerner kam herein, einige Papiere schwenkend. „Wollen Sie immer noch behaupten, dass Ihre Mutter 1984 gestorben ist?“

      „Ja, warum? Das stimmt doch auch!“ Ich sah im Nachbarzimmer Nathalie sitzen, die verwirrt dreinsah und mir schwächlich zuwinkte. Was hatte die Kerner mit ihr angestellt – und was sollte der Quatsch mit unserer Mutter?

      „Nein, das stimmt nicht. Oder ist sie in irgendeinem weit entfernten Staat ohne Bürokratie gestorben?“ Ich starrte die Kerner an. „Was? Nein... an einem Tag war sie noch da und hat sich mit Vater über irgendwas gestritten... und am nächsten Morgen hat er gesagt, sie ist tot, und hat mich in die Schule geschickt.“

      „Und wie war die Beerdigung?“ Sie musterte mich unfreundlich.

      „Beerdigung?“, wiederholte ich dümmlich. „Ich kann mich an keine Beerdigung erinnern, vielleicht dachte er, ich wäre zu jung für so was.“

      „Na, sonst hat er sich doch auch nicht direkt mit pädagogischen Erwägungen aufgehalten, oder?“, warf Grünbauer ein.

      „Deshalb doch nicht“, warf Nathalie von nebenan ein und kam näher. „Er könnte aber gut Angst gehabt haben, dass Nina oder womöglich ich am Grab Mama schreien oder uns sonstwie schlecht benehmen. Haben wir eigentlich Schwarz getragen, Nina, weißt du das noch?“ Ich nickte langsam. „Ich glaube schon. Warte mal, das war irgendwann im Sommer, oder? Kurz vor den Ferien, und es war furchtbar heiß in den dunklen Sachen... da war ich ja noch gar nicht zehn, erst neuneinhalb. Und du hast ununterbrochen gebrabbelt, so Sachen wie Natti spielen.“

      „Nichts Besseres? Ich muss ja ganz nett zurückgeblieben gewesen sein. Bloß gut, dass ich mich daran gar nicht mehr erinnern kann!“

      „Sommer 1984“, wiederholte die Kerner. „Seltsam, da gibt es keine passende Eintragung im Sterberegister. Ihre Mutter hieß Anita, nicht wahr? Anita, geborene Lederle. Aus Augsburg.“

      „Ehrlich?“ Ich staunte. „Also, dass sie Anita hieß, weiß ich, aber das andere nicht. Haben wir da womöglich Verwandte?“

      Die Kerner wirkte langsam gereizt und ich riss mich zusammen: „Ja, schon gut, das können wir ja später klären. Okay, fragen Sie weiter.“

      „Ich habe eigentlich nur eine Frage: Wie kommt es, dass es nicht den geringsten Hinweis auf den Tod Ihrer Mutter gibt und Sie beide trotzdem steif und fest behaupten, sie sei im Sommer 1984 gestorben?“

      „Ich denke, das liegt an unserem bescheidenen Wissenstand“, antwortete ich. „Er hat uns nie etwas erzählt, aber warum nicht, weiß ich nicht. Und wir haben schnell aufgehört nachzufragen, dann gab´s nämlich Ärger. Für uns war sie tot und dann eine ziemlich nebelhafte Erinnerung. Dunkle Haare hatte sie, glaube ich, so wie Nathalie.“

      „Meinen Sie etwa, sie ist gar nicht tot? Sie lebt irgendwo?“, fragte Nathalie und setzte sich ruckartig auf einen Stuhl. „Wahnsinn... lebt seit zwanzig Jahren irgendwo in der Verbannung...“

      „Nathalie, was ist das für ein Kitsch!“, schimpfte ich. „Verbannung, also wirklich! Wie soll er sie denn verbannt haben, nach Sibirien oder was? Der Zar war er ja nun auch nicht. Sie hätte sich doch bestimmt mal gerührt, spätestens, als wir beide volljährig waren. Wir stehen doch ganz brav im Telefonbuch!“

      „Vielleicht ist sie krank“, murmelte Nathalie.

      Ach Gottchen, murrte ich im Stillen. Von herzlosem Mann weggesperrt? Fiebrig auf einem erbärmlichen Lager auf Stroh nach ihren Kindern wimmernd? Nathalie las anscheinend wirklich zu viel schmalziges Zeug. Aber vielleicht wollte sie einfach nur glauben, dass wenigstens unsere Mutter uns geliebt hatte. Ich konnte mich noch besser an sie erinnern – und viel Liebe kam in diesen Erinnerungen nicht vor. Trotzdem schien Nathalie diese Vorstellung zu brauchen.

      „Ja, vielleicht“, sagte ich also nur und überließ es der Kerner, höhnisch durch die Nase zu prusten. „Ob wir sie finden können?“, überlegte Nathalie halblaut weiter. „Das wird gegebenenfalls Ihr Anwalt tun“, sagte die Kerner, „schließlich gehört Ihre Mutter ja wohl zu den Erben.“

      „Wir erben doch nichts, das hab ich Ihrem Kollegen schon erklärt“, warf ich ungeduldig ein. „Das sollten wir erst einmal abwarten“, entgegnete die Kerner, „mit dem Anwalt haben wir uns jedenfalls schon in Verbindung gesetzt. Sind Ihnen mittlerweile noch irgendwelche Beobachtungen eingefallen? Es können auch ganz unbedeutende Kleinigkeiten sein, uns nützt alles etwas.“

      Grünbauer schob ihr einen Zettel zu und sie nickte. „Na gut, dann war´s das für heute. Vielleicht kommen wir in den nächsten Tagen bei Ihnen vorbei oder bestellen Sie noch einmal her.“

      Dass sie uns ein schönes Wochenende wünschte, kam mir etwas zynisch vor, aber ich erwiderte den Wunsch höflich und zog Nathalie nach draußen.

       7

      „Glaubst du das?“, wollte Nathalie auf der Straße wissen und sah mich mit aufgerissenen Augen an. Nichts mehr von der kühl kalkulierenden Studentin, sie kam mir vor wie ein liebesbedürftiges Kleinkind. Spontan umarmte ich sie. „Du meinst, dass sie noch lebt? Ehrlich gesagt nein.“

      „Aber das könnte doch sein“, widersprach sie, als sie neben mir her zum Parkplatz lief. „Wenn Papa sie rausgeworfen hat, vielleicht hat sie ihm widersprochen oder ist fremdgegangen oder so...“

      „Und warum hat sie sich dann nie gemeldet? So viel Angst hatten ja nicht einmal wir von ihm. Nathalie, ich kann es wirklich verstehen, dass du gerne eine Mutter hättest – aber da würde ich nicht suchen. Und so nett war sie eigentlich auch nicht. Ich kann mich ja noch ein bisschen an sie erinnern.“

      Sie

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