Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe. Maxi Hill

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Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe - Maxi Hill

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zu tun. Die Nervenzellen schaffen nicht nur ein Abbild, sie bewerten es auch.

      Ich erinnerte mich genau, wie er von der großen Liebe sprach, die durch den Anblick einer Rose in unsere zärtliche Erinnerung zurückkommen könne, bei einem anderen Menschen aber die Angst vor dem Sterben bedeuten konnte. Es musste wohl so sein. Warum sonst empfindet jeder Mensch anders? Mir leuchtete etwas zum ersten Mal ein: Durch unseren Körper strömen Millionen elektrische Schwingungen. Wie sonst wäre es möglich, dass wir an jedem Punkt der Welt erreichbar sind, egal ob über das Handy oder ob Radiowellen uns erreichen. Wenn diese Wellen in uns auf eine Antenne stoßen, interpretieren wir diese Meldung mit den Sinnen, die gleiche Frequenzen aufweisen.

      Ich haderte mit mir. Anstatt Laila für das leckere Frühstück zu loben, drifteten meine Gedanken immer weiter in den Pool der Absonderlichkeiten, die mir an Laila aufgefallen waren. Ich hoffte, sie konnte meine Gedanken nicht hören oder riechen oder so was, und ich fragte: »Warum ist es immer so still bei dir?«

      »Das kunterbunte Durcheinander geht mir auf die Nerven – meistens jedenfalls. «

      Etwas an ihren Worten passte nicht zusammen. Ich hatte von Klängen gesprochen, nicht von Farben. Mozart, durchfuhr es mich. Sie nennt das Bild im Flur Mozart. Sie hört Mozart, wenn sie das Bild sieht. Gehört dieses Symptom in den schizophrenen Formenkreis?

      Ich stand auf, lächelte ihr zu und nahm sie bei der Hand. Im Flur bat ich sie zu erklären, was sie hört.

      »Hier? Nichts«, sagte sie, drehte sich um, blickte übermütig hinter den blauen Vorhang, vor dem die Bodenvase mit dem vorjährigen, aber noch immer prächtigen Sanddorn stand und begann zu kichern. Ich nahm sie an den Schultern und drehte sie zu einem der beiden Bilder.

      »Was ist das?«

      »Die Moldau, von Smetana.«

      »Ich sehe keinen Fluss, Laila. Ich sehe Farben, phantastische Farben, sie fließen ineinander. Aber ich sehe keinen Fluss.«

      »Wenn du Smetana kennen würdest, könntest du es so sehen, genau so! Aber du hörst nur immer diese Blechmusik …«

      Bei den letzten Silben hob sich ihre Stimme ein wenig, noch nicht hysterisch. Sofort nahm ich sie in meinen Arm und küsste sie, sanft doch voller Sorge.

      Bevor ich etwas zu unternehmen gedachte, wollte ich mit Ottmar sprechen.

      »Hattest du ein Duell mit dem Rasenmäher?« So empfing mich unser Doktorchen Ottmar, als er mein glattrasiertes Kinn und den neuen kurzen Haarschnitt sah. Noch griente er ein wenig verschlafen. Während seiner Bereitschaft, so hatte er versprochen, wollte er ein halbes Stündchen für mich opfern, warnte mich aber unmissverständlich: »Falls du da was verwechselst – ich bin Urologe, kein Psychologe. «

      Jetzt grinste ich in sein lautes Gähnen hinein, das durchaus verriet, wie anstrengend das Warten auf den nächsten Notfall sein konnte.

      »Falls du da was verschwiegen hast! «

      Ottmar verzog sein Gesicht, das Mühe hatte, die müden Muskeln in Schach zu halten.

      »Ich wusste gar nicht, dass du schon das Rigorosum hinter dich gebracht hast …?«

      »Ich habe nicht Doktor der Urologie gesagt«, zischte er genervt und schob gähnend hinterher: »Schieß los, ich hab nicht ewig Zeit. «

      Mein Blick wanderte über die zerwühlte Pritsche.

      »Deine Zeitnot ist ja nicht zu übersehen. Was ich von dir will, geht niemanden etwas an, klar? «

      »Gut so. Du kannst auch etwas für mich tun, was keinen etwas angeht. «

      Na also, dachte ich, langsam zerbröselt die Clique. Wer wird auch ernsthaft erwartet haben, dass wir uns auf Dauer unsere Weibergeschichten erzählen, mehr noch, die Weiber gegenseitig zuschieben wie die elitären Schwerverdiener ihre Bälle auf dem Kunstrasen. Ohne zu wissen, was Ottmar unter den Nägeln brannte, stimmte ich monoton zu und entlockte meinem Gegenüber allein damit ein zufriedenes Grinsen.

      »Du erinnerst dich vielleicht an Laila?«

      »Nee, wer ist das denn – Die Inderin etwa? «

      »Die Kleine aus der Harmonika. Sie ist Deutsche, aber sie ist … ein wenig sonderbar. «

      Ich erzählte ihm von den Bildern und der Musik, die Laila, in welcher Reihenfolge auch immer, miteinander verknüpfte, von dem Aftershave, das ein Muster haben soll und ich erinnerte ihn zum Beweis an die Heavy Metall Musik in der Harmonika, die Laila störend blau erschienen war.

      »Indigo«, berichtigte mich Ottmar und kratzte sich an seinem lichten Haupt, schwieg aber. Nach ein paar Schritten im kargen Raum entschied er bereits wie ein gestandener Weißkittel:

      »Schick sie zum Psychologen, vielleicht hilft Zyprexan, keine Ahnung.«

      Hinter der Trennwand rumorte es und gleich darauf erschien ein ebenso verschlafenes Gesicht, nur freundlicher als das von Ottmar.

      »Pardon … deine Frau … das kann Synästhesie sein. «

      In der Nische stand ein hochgeschossener Mitte-Dreißiger. Über seinem Engelsgesicht fehlte etwas, die Haarpracht. Die schien ein wenig nach hinten heruntergerutscht zu sein. Vorn hatte sie sich im unteren Viertel der Stirn und ein bisschen auch unter der Nase einen neuen Platz gesucht.

      »Synergetisches Empfindungsvermögen?«, reimte ich zusammen, schließlich hatte ich einmal studiert und konnte Eins plus Eins zusammenzählen.

      »Es gibt Menschen, die riechen oder hören, was wir nur sehen. Ihre Nervenbahnen sind … wie sagt man deutsch … falsch verschaltet. «

      Aha, ein Ausländer, registrierte ich wegen seines Akzentes, doch Ottmar blaffte ihn sofort an:

      »Na, Herr Kollege, sagen Sie schon, dass sie verrückt ist!«

      Der Mann hob abweisend eine Hand, während die andere ziemlich täppisch über sein haarloses Vorderhaupt glitt. .

      »Es ist nicht Krankheit, ist psychologisch-neurologische Besonderheit. Trotzdem gut, wenn medizinisch abklären. Manchmal nur Halluzinationen. Verstehen? Kernspin-Tomographie vielleicht. «

      Der Kerl mit den buschigen Augenbrauen hatte sich nicht vorgestellt und Ottmar dachte nicht daran, es nachzuholen. Vorsichtshalber reichte ich dem Hünen die Hand und bemühte mich, enttäuscht auszusehen, obwohl es mir stank, einen Mithörer gehabt zu haben.

      »Sie erlebt es mit offenen Augen mitten am Tage«, sagte ich, was Ottmar veranlasste, seine alten Witze zu reißen:

      »Hört sie vielleicht auch Stimmen die summen, statt Summen die stimmen? «

      Ottmar kicherte. Irgendeine Erinnerung löste ein leises Schütteln in ihm aus und ich spürte, wie ungläubig er mich musterte. Ich wunderte mich das erste Mal, wie ich es seit Jahren mit solchen Freunden aushielt. Ich ignorierte ihn folgerichtig auch zum ersten Mal und wandte mich dem Hünen zu:

      »Niemals bekomme ich Laila zu einem Psychologen.«

      Noch ehe ich fragen konnte, ob man es nicht anders angehen könne, hob er die Schultern und blies seinen Knoblauch-Atem durch die Zähne.

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