Sklave und König. Michael Aulfinger
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»Sei nicht so bescheiden. Das hast du gut gemacht.«
Sie strahlte über dieses Lob.
»Zufällig findet übermorgen wieder eine Navjote-Zeremonie statt. Das bedeutet, dass ein zehnjähriger Junge in unsere Glaubensgemeinschaft aufgenommen wird. Der Mobed erlaubt dir, dabei zu sein. Allerdings musst du dich still an der Seite halten. Ziehe dein sauberstes Gewand an und reinige dich vorher gründlich.«
»Ich komme gerne. Und wenn die Navjote vorbei ist, was machen wir dann?«
»Dann zeige ich dir die Stadt, wenn du magst?«
»Da fragst du noch?«
Glücklich fiel sie mir um den Hals und gab mir einen Kuss auf die Wange. Genauso schnell wie sie mich umarmt hatte, ließ sie auch wieder von mir ab und wandte sich zum Gehen.
»Ich muss wieder heim zu meinem Onkel. Übermorgen hole ich dich nach Sonnenaufgang bei Paudashti ab.«
Dann war sie auch schon wieder verschwunden.
Ich kann mich heute noch daran erinnern, wie ich stolz, glücklich und sanft die Stelle auf meiner Wange betastete, die kurz vorher von PouroUistas Lippen berührt worden war. In diesem Moment wäre ich fast vor Glück geplatzt.
In den darauffolgenden Nächten konnte ich keinen erholsamen Schlaf finden. Aber als junger Mann steckt man diese Schlaflosigkeit aus Liebe schnell weg.
Die eigentlich kurze Zeit des Wartens erschien mir so unendlich lang. Doch dann sah ich sie kommen.
»Komm, Luskin. Lass uns erst noch etwas essen. Bis die Navjote beginnt, dauert es noch. Wir haben bis dahin noch Zeit.«
In einer Herberge aßen wir Brot, Hammelfleisch und Obst. Dabei lachten wir uns oft an. Ich merkte, dass ich ihr zunehmend verfiel. Was mich jedoch glücklich machte, war die Gewissheit, dass es ihr wohl ebenso erging. Ein Blick in ihre Augen genügte, um mir sicher zu sein.
Wir waren rechtzeitig zurück am Tempel.
»Dort ist der Feuertempel, den wir Bahran nennen«, erklärte sie mir. PouroUistas Blick war stolz auf dieses Gotteshaus gerichtet, das mich ein wenig enttäuschte. Ich hatte ein imposanteres Bauwerk erwartet. Es war ein unauffälliges normales Gebäude. Der Bahran lag in einem großen Garten. An der Rückwand war eine breite offene Terrasse, zu der eine Doppeltreppe führte.
»Hier«, so erklärte mir PouroUista, »versammeln sich die Gläubigen. Wenn es für die Terrasse zu viele sind, verteilt sich der Rest über den grünen Rasen. Nur ältere und kranke Leute sowie die Priester dürfen den Innenraum des Tempels besuchen. Das Heiligtum selbst, wo die heilige Flamme brennt, dürfen nur die amtierenden Priester, die Mobedan, betreten. Aber sieh nur, Luskin, da kommt der Mobed-i-Mobedan schon.«
Als mir der Hohepriester entgegenkam, konnte ich mir ein lautes Auflachen nur schwerlich verkneifen. Zum Glück gelang es mir, diese Unhöflichkeit zurückzuhalten. Dennoch fiel es mir schwer, denn sein Aussehen war recht lustig. Er trug eine weiße glänzende Leinenkappe auf dem Kopf. Dazu trug er eine weiße Binde vor Mund und Nase, einen weißen Umhang bis fast auf den Boden und weiße Überschuhe. Auch die dünnen Handschuhe des Mobed waren aus dem gleichen weiß glänzenden Stoff.
»Ich bin der Mobed-i-Mobedan, der Hohepriester Khodary. Sei gegrüßt, Luskin. Es ist mir eine Freude, dir unseren Tempel zu zeigen und dir von unserem Glauben zu erzählen. Doch bevor du den Tempel betrittst, musst du deine Schuhe ablegen und diese weiße Kappe aufsetzen.«
Als PouroUista und ich nach Vorschrift gekleidet waren, mussten wir lachen, als wir uns ansahen. Seltsamerweise stimmte auch Khodary in das Lachen ein. Er schien Humor zu besitzen und selbst in so einem Heiligtum seine Heiterkeit nicht verloren zu haben.
»Darf ich fragen, verehrter Mobed-i-Mobedan, warum das alles nötig ist?«
»Das darfst du. Wenn du eine Frage hast, so zögere nicht, sie zu stellen. Im Innersten des heiligen Tempels ist das heilige Feuer. Sinn dieser Verkleidung ist es, auch die allerkleinste Verunreinigung des heiligen Feuers durch die menschliche Haut, den Atem, den Speichel oder den Ausfall eines Haares zu vermeiden. Denn das heilige Feuer muss beschützt werden, da es ein heiliges Element, ein Geschenk Ahura Mazdas an den Menschen ist und ein Symbol der Wahrheit. Sie ist auch ein Symbol der Reinheit. Das Feuer hat die Macht die Finsternis zu vertreiben, das Reich Angra Mainyus. Letztendlich soll die Helligkeit des Feuers die Finsternis verdrängen. Doch lasst uns nun die Treppe hinaufgehen.«
Dies taten wir und traten in einen großen, mit weichen Teppichen ausgelegten Raum. Darin befand sich das eigentliche vierseitige Heiligtum. Es war ein kleiner Tempel für sich mit vier schlanken Marmorsäulen, die bis zur Decke reichten. Auf einem quadratischen Altar flackerte inmitten des überwölbten Raumes, in einer großen Bronzevase, das heilige Feuer.
»Das Feuer brennt ohne Unterbrechung seit vielen Jahren. Seit wann genau kann ich selbst nicht sagen. Du bist einer der wenigen Nicht-Zartoshti, die so nah herankommen dürfen, doch hattest du in PouroUista eine unnachgiebige Fürsprecherin.«
Bei diesen Worten grinste Khodary PouroUista an, die sofort rot anlief.
»Ihr beide könnt hier an der Seite stehenbleiben. Verhaltet euch bitte ruhig. Ich führe jetzt mit den anderen Magiern die Navjote durch.«
Der Mobed-i-Mobedan ging zur Bronzevase, wo die bunt flackernde Flamme unaufhörlich brannte. Sieben Magier hatten sich mit ihm versammelt, die alles mit inniger Anteilnahme verfolgten, was an der Flamme vor sich ging. Khodary murmelte Gebete aus der Gatha, hob die Hände zum Himmel, ging einige Male um die lodernde Feuerstelle herum und warf Holzstäbchen ins Feuer, worauf der Raum sogleich von aromatischem Duft erfüllt war. Dann klingelte er mit einer Glocke.
Neben der Flamme war ein weißes Tuch ausgebreitet. Darauf setzten sich die Magier im Schneidersitz. An den Seiten und Enden des Stoffes standen Schüsseln mit verschiedenen Obstsorten.
Aus einer Tür trat ein zehnjähriger Junge, der stolz erhobenen Hauptes auf den Hohepriester Khodary zuging. Dieser sprach weiterhin Gebete, holte ein weißes Hemd sowie eine weiße Schnur hervor und hielt sie vor sich hin. Wie ich später erfuhr, hieß das heilige Gewand Gudra und die geweihte Schnur Kusti. Die Kusti bestand aus 72 Fäden, entsprechend den 72 Kapiteln des Opfertextes aus dem heiligen Buch Avesta. Es folgte der heilige Moment der Navjote, indem der Hohepriester dem Jungen das heilige Gewand anlegte. Danach folgte die Kusti. Dabei wurde die Kusti während des Gebetes fortwährend auf- und zugebunden. Ein Ritual, das dem Träger helfen sollte, seine Gedanken ganz auf die praktische Anwendung seines Glaubens zu konzentrieren.
Zum Abschluss der Navjote-Zeremonie umging der Khodary noch einmal das Feuer, warf danach weitere Holzstäbchen und Weihrauchblätter ins Feuer. Er schloss mit einem Gebet und die Zeremonie war vorbei. Der Junge verließ den heiligen Raum und wir taten es ihm gleich. Am Fuß der Treppe entledigten wir uns der weißen Kappe und zogen unsere Sandalen wieder an. Khodary kam noch einmal vorbei und ich bedankte mich, dieses Erlebnis hatte erleben zu dürfen.
Wir setzten uns im Garten auf eine Bank, die im Schatten stand. Der Mobed-i-Mobedan erklärte mir das Wesen des zarathustrischen Glaubens.
»Der