Sklave und König. Michael Aulfinger

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Sklave und König - Michael Aulfinger

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wie die meisten Menschen glauben, sondern Fettspeicher. Während der wochenlangen Wanderungen durch die Wüste findet das Kamel wenig Nahrung, so dass es von dem Fett im Höcker zerren muss, der sich dann in einen schlaffen Sack verwandelt. Sobald das Kamel wieder gut zu futtern hat, richtet sich der Höcker erneut auf. So kann man jederzeit sehen, wie der Zustand des Kamels ist.«

      Sie machte eine Pause.

      »Du weißt sehr viel über Kamele«, kommentierte ich bewundernd.

      »Das kommt daher, weil unsere Familien, schon seit Generationen Kameltreiber sind. Hinter diesen Bergen, im Osten, beginnt die große Salzwüste. Wenn ein Reiter oder eine Karawane die große Salzwüste durchqueren will, so ist es mit einem Pferd unmöglich. Kamele oder Dromedare haben sich diesen Bedingungen in der Wüste angepasst. Sie können einen großen Krug in wenigen Minuten austrinken. Dazu haben sie gelernt, mit diesem Wasser hauszuhalten. Deshalb ist ihr Urin sehr konzentriert. Ihre Körpertemperatur sinkt in der Nacht sehr stark ab. Während einer Trockenzeit kann ein Kamel bis zu einem Viertel seines Körpergewichts verlieren, ohne zu verdursten. Aber wenn es dann wieder getrunken hat, ist es schnell wieder ausgeglichen.«

      »Und was fressen Kamele?«, wollte ich weiter wissen.

      »Sie sind Pflanzenfresser und dabei fressen sie alle Pflanzen, sogar dornige und salzige. Das Futter wird zunächst wenig zerkaut verschluckt und gelangt zunächst in einen Vormagen, um nach dem Wiederkäuen endgültig verdaut zu werden.«

      »Das ist alles sehr interessant. Sieh mal, PouroUista, dort treten und beißen sich drei Kamele. Was treibt sie denn dazu an? Willst du sie nicht auseinanderbringen?«

      In der Tat hatten sich drei Kamele in einen Kampf verwickelt. Sie traten sich mit ihren Füßen und bissen mit ihren Mäulern zu. Dabei ertönte das mir inzwischen schon bekannte Blöken und Röhren in einem wahrhaft schaurigen Tonfall. Jedoch ließen sich die anderen Tiere – Kamele wie Schafe – nicht davon ablenken. Sie tranken dort, wo sie waren in Ruhe weiter.

      »Nein, das brauche ich nicht. Diesen Kampf müssen sie untereinander ausmachen. Es ist ein Kampf des Stärkeren. Doch siehe da. Das ist ein trächtiges Weibchen. Wenn ein Weibchen ein Junges bekommt, so kann das Junge schon nach einem Tag laufen. Die Tragzeit beträgt übrigens zwischen 360 und 440 Tagen.«

      »Und wie alt werden Kamele?«

      »Zwischen vierzig und fünfzig Jahre.«

      Einen Moment lang betrachteten wir die Tiere und gingen dann schweigend zu dem Felsen zurück, wo ich anfangs gesessen hatte.

      »Du hast vorhin von der großen Salzwüste gesprochen. Was erwartet dort einen Reisenden? Sicherlich warst du schon einmal dort.« »Du hast recht, Luskin. Wie ich vorhin schon einmal erwähnte, bin ich hier bei meinem Onkel. Mein Vater ist jenseits der großen Salzwüste in der Stadt Sabol. Als er mich hierher zu seinem Bruder sandte, musste ich natürlich durch die große Salzwüste. Ich sage dir, das ist keine Vergnügungsreise. In der Nacht eiskalt und am Tag Hitze, bei der einem das Atmen schwerfällt. Dazu der ständige Durst der, je mehr man trinkt, umso größer wird. Es ist zwar alles beschwerlich, dennoch ist dies nicht das größte Problem. Die wahre Lebensgefahr liegt gar unter deinen Füßen.

      Die Salzkruste ist eigentlich hart und befahrbar, doch gibt es immer wieder Stellen, die gefährlich sind. Wenn man von dem Pfad abweicht, kann es passieren, dass die Kruste plötzlich unter dir bricht und du in einem Sand versinkst, der dich unwiderruflich in die Erde zieht. Tausende sind so schon von der Wüste verschluckt worden. Mit Pferd und allem, was sie bei sich hatten, sind sie innerhalb weniger Sekunden verschwunden. An einigen Stellen musst du vorsichtig einen Fuß vor dem anderen setzen, damit du die Haltbarkeit der Salzkruste prüfen kannst. Deshalb sollten Gruppen hintereinandergehen. Ich betone das extra, weil ich auf meiner Reise mit eigenen Augen gesehen habe, wie ein Freund verschluckt wurde. Es ging so schnell, dass wir ihm nicht mehr helfen konnten. Wenn man die Salzwüste nicht durchqueren muss, sollte man es lieber lassen. Diese Wüste ist wahrlich ein Werk von Angra Mainju.«

      Mit diesen Worten, deren Sinn ich damals noch nicht verstand, beendete sie ihren Bericht und war mit einem Mal sehr ernst. Jegliches Lächeln war aus ihrem Antlitz gewichen.

      »Wie weit ist es denn von hier durch die Salzwüste zu deinem Vater nach Sabol?«

      Diese Frage stellte ich aus zwei Gründen. Zum einen wollte ich wissen, wie weit sich die Salzwüste erstreckte, von der ich bis dato noch nie gehört hatte, um mir ein Bild über das wahre Ausmaß machen zu können. Diese Information könnte für mich einmal von Nutzen sein. Zum anderen wollte ich das Gespräch wieder aufnehmen, weil PouroUista einen niedergeschlagenen Eindruck machte. Ich hatte gleich das Gefühl, dass es mit dem Bekannten, den sie damals auf der Reise verloren hatte, eine besondere Bewandtnis hatte. Doch danach wollte ich sie nicht fragen. Wenn es ihr wichtig war, würde sie mir das irgendwann von alleine erzählen.

      »Es sind ungefähr zweihundertfünfzig Farsach. Aber mir wäre lieber, wir würden über etwas anderes reden. Was ist mit dir, Luskin? Ich habe dich hier in Tafresh noch nie gesehen. Wo kommst du her?«

      Ich fühlte mich sogleich in einer Zwickmühle. Sollte ich ihr die Wahrheit sagen oder ihr eine schnell ausgedachte Lüge auftischen? Ich entschied mich für die zweite Variante, da ich erst einmal abwarten wollte, wie sich unser Kennenlernen entwickelt.

      »Ich bin erst seit gestern in Tafresh. Eigentlich komme ich aus Ekbatana. Meine Eltern sind gestorben und so zog es mich nach Raga, wo ich zu meinem Onkel wollte. Doch ging mir hier in Tafresh das Geld für die Weiterreise aus, sodass ich mir erst etwas verdienen muss, bevor es weitergeht. Was ich dann in Raga mache, weiß ich noch nicht. Aber was ist mit dir, warum hast du deine Familie in Sabol verlassen?«

      »Mein Vater hat dort zu tun. Früher war auch er ein Kameltreiber wie unsere ganze Familie. Sagt dir der Familienname Spitama etwas?«

      »Nein«, entgegnete ich wahrheitsgetreu, »sollte er das?«

      Ein schelmisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.

      »Wirklich nicht?«

      »Nein, wirklich nicht. Wieso, was ist denn mit dem Namen? Kläre mich bitte auf, da ich ihn noch niemals zuvor vernommen habe.«

      »Ach, nicht so wichtig. Es kann nur sein, dass du den Namen irgendwann später noch einmal hören wirst.«

      Sie zuckte mit den Schultern.

      PouroUista kannte ich nun wirklich noch nicht lange, doch hatte ich bereits in dieser kurzen Zeit ihr facettenreichen Gesicht kennenlernen dürfen. Sie war innerhalb weniger Sekunden in der Lage vom ausgelassenen Lachen zur tiefsten Traurigkeit zu wechseln. Und Schattierungen innerhalb dieser Zone beherrschte sie vollkommen. Gemütszustände waren daher deutlich in ihrem Gesicht abzulesen, welches dadurch nur noch interessanter wirkte. Prompt lernte ich noch eine weitere Facette von ihr kennen, die mich wirklich überraschte.

      »Ich muss mich bei dir entschuldigen.«

      Sie sah mich mit leicht gesenktem Kopf von unten her an. In ihren Augen las ich ehrliche Reue. Nur verstand ich den Zusammenhang noch nicht.

      »Warum? Was hast du mir getan?«

      »Weil ich dich vorhin so ausgelacht habe.«

      »Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Schadenfreude ist doch menschlich. Ich kann mir bestens vorstellen, dass es lächerlich ausgesehen haben muss. Wahrscheinlich hätte ich an deiner Stelle auch gelacht.«

      »Das

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