Sklave und König. Michael Aulfinger

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Sklave und König - Michael Aulfinger

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du den morgigen Tag überleben.«

      Spürbar war seine Verunsicherung, die meine Worte verursacht hatten.

      »Meinst du wirklich?«

      »Da bin ich mir ganz sicher. Wir haben nur eine Chance zu überleben, wenn wir augenblicklich flüchten. Lass uns die Leiche vergraben. Im Schutz der Dunkelheit können wir mit dem Pferd über die Berge. So haben wir viele Stunden, wenn nicht sogar Tage Vorsprung, bis sie unsere Fährte aufgenommen haben. Ich will nicht erleben, wie mir bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wird. Mein Vater hat mir erzählt, wie das vor sich geht. Er hat es einmal in Ninive gesehen. Und ich möchte dies nicht an uns beiden praktiziert sehen. Also lass uns jetzt keine Zeit verlieren. In einer Stunde wird es dunkel sein. Außerdem müssen wir immer damit rechnen, dass Daiaukas Männer auf einem Kontrollritt sind.«

      Meine Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich, der Jüngling, hatte dem mehr als doppelt so alten Mann die Augen geöffnet und vor einem Fehler bewahrt. Langsam sah er ein, dass meine Worte sinnvoll waren und er ließ sich zu der Flucht überreden.

      So gleich begannen wir auf der anderen Seite der Steinmauer ein Loch zu graben. Segetans Leiche legten wir, ohne weitere Worte zu verlieren, hinein und bedeckten sie mit Sand und Steinen. Schnell war das Loch wieder zugeschüttet, und die überschüssige Erde gleichmäßig in der Umgebung verteilt. Die Spuren hatten wir gut verwischt. Ständig wanderte unser sorgenvoller Blick nach Westen, dorthin wo Daiaukas Männer zu erwarten wären. Doch niemand ließ sich blicken.

      Die Dämmerung setzte ein. Der Zeitpunkt war gekommen, um aufs Pferd zu steigen und unsere bisherige Heimat und den Ort des Verbrechens zu verlassen. Über die Richtung hatten wir uns schnell geeinigt. Nach Westen konnten wir nicht, weil da Daiaukas Gut lag. Nach Süden wären wir in die medische Hauptstadt Ekbatana gelangt. Das wäre für entlaufene Sklaven einem Todesurteil gleichgekommen. Auch nach Norden konnten wir nicht reiten, da uns hinter einer Bergkette ebenfalls ein Gut erwartete, auf dem Slaverei herrschte. Folglich blieb für uns nur die Flucht nach Osten. So verließen wir im Schutz der beginnenden Dunkelheit das Tal meiner Kindheit und Jugend. Von nun an sollte ich meine jugendliche Unbekümmertheit verlieren. Jene, welche ich im Schutze meiner Eltern und Satepes erleben durfte. Ein neues Leben begann für mich und Target.

      Kapitel 3

      »Lass uns eine Pause machen.« Target wirkte erschöpft. Seit Stunden liefen wir in der Dunkelheit durch das Gebirge. Die Schritte setzten wir vorsichtig einen nach dem anderen, jederzeit darauf wartend, dass uns ein falscher Schritt eine schmerzliche Erfahrung widerfahren ließe.

      Zuerst waren wir noch geritten, weil wir genügend Distanz zwischen uns und Daiaukas Männer bringen wollten. Dies ging auch noch in der Dämmerung, doch dann ließen wir davon ab, weil die Verletzungsgefahr für das Pferd zu groß war. So führten wir es sicher am Zaumzeug haltend durch das steinige Geröll, über Hügel und durch Bergschluchten. Mit unseren dünnen Sandalen stolperten wir über lose und feste Steine. Uns selbst hatten wir bis dahin keine Pause gegönnt. Dennoch holte uns die Ermattung ein. Target lief der Schweiß in kleinen Bächen den Körper hinunter. Das Mondlicht schien auf seine müde Gestalt, die mit herabhängenden Schultern Mitleid bei mir erheischte.

      »Ich kann nicht mehr,« stöhnte er erschöpft.

      Mein jugendlicher Enthusiasmus drängte mich zwar weiter, aber achselzuckend gab ich seinem Wunsch schließlich nach.

      »Na gut, dann lass uns hier eine Pause machen, bis die Sonne aufgeht. Dort in der Felsspalte können wir uns gut verstecken.«

      Im schummrigen Mondlicht schlenderten wir die wenigen Schritte zu der Felsspalte. Dort angekommen, sackte Target in sich zusammen und schlief auf dem harten Untergrund sofort ein. Das Pferd hatte ich an einem Felsvorsprung angebunden.

      Als ich alleine auf einem Stein Platz genommen hatte, kreisten meine Gedanken um alles Mögliche. Ich war nicht in der Lage, einen Gedanken zu Ende zu denken. So verwirrt war ich von den gestrigen Geschehnissen. Doch dann überwältigte mich die Müdigkeit und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

      So vergingen mehrere Tage. Sobald wir wach waren, drängte es uns weiter nach Osten. Die Landschaft änderte nur soweit ihr Gesicht, indem Berge und Täler sich abwechselten. Steine verschiedener Farben von hell bis schwarz und Sand waren die vorherrschenden Gegenstände, die wir zu Gesicht bekamen. Es war eine öde Gegend. Die eher fruchtbare Landschaft von Ekbatana und unser grünes Tal hatten wir schon weit hinter uns gelassen. Doch das stellte uns vor ein weiteres Problem. Uns fehlten Nahrung und vor allem Wasser. Bald ließen unsere Kräfte merklich nach und unsere Ruhephasen wurden immer länger.

      Mit einem Ruck erwachte ich. Schreckhaft war ich geworden. Die Sonne stand schon höher als erwartet und zeigte an, dass der Tag bereits einige Stunden alt war. Ein Fluchen kam mir über die Lippen, weil ich immer noch bemüht war, so viel Distanz wie möglich zwischen uns und Daiaukas zu bringen. Mein Blick schweifte über den immer noch schlafenden Target zum Pferd. Es brauchte dringend Wasser. Das war das Stichwort, woraufhin auch ich die Zunge über die Lippen lechzte, als ich an das feuchte Nass dachte. Ich stand auf und trat aus der Felsspalte hinaus, um einen Blick auf die Gegend zu werfen. Sie war kahl und gebirgig. In dieser Einöde wuchsen wenige Sträucher. Wir waren an einem zerklüfteten Bergmassiv. Nach Osten hin erstreckte sich hinter einem Hügel ein sandiges Tal, welches mit Felsen verschiedener Größe übersät war. Weit am Horizont erblickte ich die Ausläufer eines weiteren Gebirges, welches noch imposanter wirkte als dieses hier. Die verschiedenen Farbschattierungen der Felsen und Schluchten waren selbst aus dieser Entfernung erkennbar.

      Es waren viele Farsach, bis dorthin. Wenn man bedenkt, dass man für einen Farsach über eine Stunde Fußmarsch brauchte, so wussten wir, was auf uns zukam. Es würde noch ein beschwerlicher Weg bis dorthin werden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir erst dort außer Gefahr sein würden, aber absolut sicher konnten wir nirgends sein. Gleichermaßen hatte ich das Gespür, dass sich ein Suchtrupp auf unserer Fährte befand. Alleine diese Furcht nötigte mich, zum Aufbruch zu drängen. Target schützte zwar Müdigkeit vor, doch zogen wir bald den Berg hinab.

      Der Durst fing an, uns zu quälen, als wir zum Ausläufer der Schlucht gelangten, die uns den Berg hinab ins Tal geleitet hatte. Die Schritte wurden immer kürzer. Aber das war nicht das eigentlich Schlimme. Unsäglicher waren die Gedanken und die Hoffnungslosigkeit, die uns in dieser Situation befielen. Man glaubt, alles sei sinnlos. Man sieht Dinge, sich in nichts auflösen, sobald man näher kommt. Das lässt einen zunehmend an sich selbst zweifeln. Ist es wahr, was man sieht, oder pure Einbildung?

      Dort am Fuße des unwirtlichen Berges staunte ich nicht schlecht, was ich plötzlich zu sehen bekam.

      Als wir um eine Biegung kamen, empfing uns eine kleine grüne Oase. Ungläubig rieben wir uns die Augen. Erneut traute ich ihnen nicht. In einem sonnengeschützten kleinen Tal, wurde Landwirtschaft betrieben. Wir erspähten ein Getreidefeld, welches prächtig zu gedeihen schien. Ein Netz von kleinen Wasserkanälen durchzog das Feld. Eingesäumt war es von verschiedenen Obstbäumen und Palmen. Ich erblickte Orangen und Zitronenbäumen. Auch Datteln und Feigen waren vorhanden. Am Rande der kleinen Oase entdeckte ich auch den Grund für dieses natürliche Kleinod.

      Damals war ich äußerst überrascht, so eine Oase zu finden. Doch heute weiß ich, dass das ganze weite Persien ein Land der Kontraste ist. In einem engen Gebirgstal wie dort, findet man Apfel- oder Pfirsichbäume, während ein kleines Stück weiter Dattelpalmen oder Orangenbäume wachsen. Oft sah ich mit eigenen Augen, dass Wüstensand, oder karges und ödes Gestein, nur durch eine Lehmmauer von dem fruchtbaren Garten getrennt war. Diese Oase kam uns dem Paradies gleich.

      Die Kanäle wurden

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