Sklave und König. Michael Aulfinger

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Sklave und König - Michael Aulfinger

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und Getreide unerlässlich. Ansonsten wären viele Menschen verhungert und verdurstet. Um das kostbare Nass vor dem Verdunsten zu schützen, wurde ein teils unterirdisches Kanalsystem entwickelt. In ganz Medien waren sie zu finden, wie auch in anderen Ländern.

      Sofort steuerten wir durstig darauf zu. Das Pferd war nicht mehr zu halten, da es das Wasser roch. Wir waren ebenfalls vom Durst geblendet und deshalb unvorsichtig.

      Die Strafe dafür folgte auf dem Fuß. Ein Pfeil kam unverhofft aus dem Nichts und verfehlte mich nur knapp. Er bohrte sich genau vor meinen Füßen in das Gras.

      »Stehen bleiben, sonst seid ihr des Todes.«

      Die Stimme kam energisch hinter einem Felsen hervor. Target und ich blieben sofort stehen. Nur dem Pferd waren die Worte egal. Es tat sich gütlich am Kühlen.

      Target und ich richteten unser Augenmerk in jene Richtung, aus der die Stimme zu hören war, aber es war niemand zu sehen. Dennoch zweifelte ich keineswegs an seiner Drohung. Es war ihm sicherlich ernst mit dem Schutz seines Anwesens.

      Der Mann hatte uns auf Farsi angesprochen. Auch ich sprach Persisch neben Medisch, da ich ja unter Medern aufgewachsen war. Außerdem hatten mir meine Eltern Assyrisch beigebracht. Doch nun gab es niemanden mehr, mit dem ich mich in der Sprache meines Volkes unterhalten konnte. Ich gehorchte dem Befehl und antworte ihm ebenfalls auf Farsi.

      »Wir sind nur müde Wanderer, die sich an eurem Brunnen erquicken wollen. Ihr werdet uns doch kein Wasser verwehren?«

      Ohne darauf zu antworten, trat hinter einem Felsen ein älterer Mann von kleiner Statur hervor. Seine Kleidung war bäuerlich einfach. Seinen Bogen hielt er noch immer schussbereit auf mich gerichtet.

      »Seid ihr alleine?«, wollte er wissen.

      »Ja,« antwortete ich.

      »Was wollt ihr hier und wo kommt ihr her?«

      »Das Herr, werden wir dir erzählen, wenn du die Waffe nicht mehr auf uns richtest und wir Wasser getrunken haben.«

      Es hatte wohl Eindruck auf ihn gemacht, dass ich ihn, einen einfachen Bauern, einen Herrn nannte. Ihm war auch nicht entgangen, dass wir unbewaffnet waren. Offenbar war es mir gelungen, ihn von unserer Harmlosigkeit zu überzeugen. Daraufhin senkte er seinen Bogen und rief Anweisungen, ohne uns aus den Augen zu lassen.

      »Dedakas und Beketes, seht nach, ob ihnen jemand gefolgt ist.«

      Wie aus dem Nichts erschienen plötzlich zwei junge Männer, die anscheinend des Bauern Söhne waren. Eilig liefen sie mit gespanntem Bogen den Weg hinauf, den wir gekommen waren.

      Nach einiger Zeit kamen sie zurück und stellten sich zu ihrem Vater. Dass sie die Söhne waren, war nun zweifelsfrei zu erkennen. Ihre Bekleidung war ebenfalls schlicht, wie ein Bauer sie in dieser kargen Gegend trug.

      »In Ordnung, ihr könnt Wasser haben, so viel wie ihr wollt. Wir haben hier eine unerschöpfliche Quelle, die direkt aus dem Berg gespeist wird.«

      Dies ließen wir uns nicht zweimal sagen.

      Nachdem wir uns am kühlen Wasser gelabt hatten, ging es uns merklich besser. Der Bauer wies uns mit einem kurzen Fingerzeig an, in einer schattigen Ecke Platz zu nehmen. Wir bedankten uns. Jetzt lockerte sich des Bauern Gemütszustands und er stellte sich uns vor.

      »Entschuldigt unseren unfreundlichen Empfang. Normalerweise sind wir gastfreundlich, doch treibt sich in letzter Zeit viel räuberisches Gesindel herum. Deshalb können wir nicht vorsichtig genug sein. Mein Name ist Mithrakas und dies sind meine Söhne Dedekas und Bekeles. Und da kommt meine Frau Kamani.«

      Er zeigte auf eine alte Frau, die gebückt aus der sicheren Hütte trat. Ihr ungekämmtes langes Haar hing ihr wirr bis auf den Rücken hinab. Sie trug eine Schüssel und beachtete uns kaum. Nur mit einem kurzen Nicken zeigte sie an, dass sie uns wahrgenommen hatte. Ihr Schritt führte sie zu einem Ofen. Dieser kreisrunde Ofen war zum Brotbacken bestimmt, hatte in der Mitte einen Bauch und war nach oben durch eine schmale runde Öffnung frei. Den Teig, den sie zu flachen Fladen geformt hatte, führte sie mit der rechten Hand von oben hinein und deponierte sie so an der Innenseite, dass sie kleben blieben. Nach einer gewissen Zeit holte sie die Fladenbrote mit der bloßen Hand einfach aus dem heißen Ofen heraus, indem sie diese von der Innenwand löste. Als ich später ihre rechte Hand betrachtete, erkannte ich, dass sie durch diese ständige Tätigkeit in der Hitze ganz runzelig geworden war.

      So erhielten wir frisches Brot gebacken, welches wir uns gierig einverleibten. Dazu servierten sie uns Früchte und andere Erzeugnisse, die in ihrer Oase gediehen.

      Nun waren wir an der Reihe, uns dem Gastgeber vorzustellen. Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei, ihn zu belügen, da er uns mit Essen versorgt hatte, doch widerstrebte es mir ebenso, uns ihm als Mörder und entflohene Sklaven zu offenbaren. Das Wort führte ich, weil Target wieder in seine stumpfe Schweigsamkeit verfallen war.

      »Mirza Mithrakas,« begann ich. Ich sprach ihn mit der allgemeinen persischen Bezeichnung Mirza für Herr an. Damit wollte ich ihn gütlich stimmen.

      »Dies ist mein Onkel Target und ich bin Luskin. Ich stamme aus Ekbatana und wir waren auf dem Weg nach Raga, wo ich auf Brautschau bin. Doch leider wurden wir unterwegs von Räubern überfallen. Sie raubten uns alles, was wir dabei hatten. Ein Pferd ließen sie uns. Wir konnten froh sein, dass sie uns das Leben schenkten. Mirza Mithrakas, wir sind dir jedenfalls sehr dankbar, dass du uns zu essen und trinken gabst. Wir wollen nicht undankbar sein, aber wir müssen bald weiter, da wir in Raga erwartet werden.«

      Mein Blick wanderte zu Mithrakas Augen. Ich war mir unsicher, ob er mir meine Lügengeschichte abgenommen hatte. Sie klang zwar plausibel und er selbst hatte ja von Räubervolk gesprochen, doch war ich ungeübt im Lügen. Lügen ist nämlich bei den persischen Völkern verhasst. Über die Wirkung meiner Geschichte war ich mir daher unsicher.

      Unbewusst fasste ich an mein Ohrläppchen. Doch fühlte ich zu meiner Beruhigung keine Kerbe darin. Denn mein Vater hatte mir oft als Kind davon erzählt, dass es in Assyrien Sitte war, den Sklaven eine Kerbe in das Ohrläppchen zu schneiden, als untrügliches Zeichen des Eigentums. Natürlich hatten trotzdem einige eitle Sklaven, freigelassene oder einfach entflohene Sklaven, es verstanden, diese Kerbe mit Wachs zu kaschieren.

      Aber so eine Kerbe oder ein anderes äußeres Zeichen wie ein Brandmal, trug ich genauso wenig wie Target. Merep hatte nie wert auf diese äußeren Zeichen des Besitzanspruches gelegt, weil ihm nie ein Sklave entlaufen war. Es war einfach nicht nötig gewesen.

      Trotzdem war es möglich, dass Mithrakas uns als entflohene Sklaven erkannt hatte. Es trieb mich, so schnell wie möglich diesen Ort zu verlassen, denn ich schämte mich innerlich, Leute zu belügen, die uns zu essen gegeben hatten. Mein schlechtes Gewissen meldete sich zu Wort. Außerdem bestand auch die Möglichkeit, dass Daiaukas Häscher uns hier aufgriffen, und wir unsere Gastgeber somit in Lebensgefahr brachten.

      Mithrakas sah mich leicht lächelnd an. Es war mir unmöglich zu ergründen, ob er mich durchschaut hatte.

      »Wie du willst, doch könnt ihr die Nacht noch hier verbringen. Es ist hier sicherer als in den Bergen. Nicht dass ihr nochmal von Räubern überfallen werdet. Wir selbst haben hier nichts außer Wasser, was den Räuberbanden von irgendwelchen Wert sein könnte. Doch weiß man bei denen nie. Deshalb waren wir vorhin auch so vorsichtig.

      Ihr werdet auf euren Weg nach Raga durch ein hohes Gebirge kommen. Dort liegt die Stadt Tafresh, die wie eine Festung durch ihre Lage daliegt. Die Anhänger

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