Sklave und König. Michael Aulfinger
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Читать онлайн книгу Sklave und König - Michael Aulfinger страница 12
Während die Schafe das kühle Nass in sich aufsaugten, ging mir meine derzeitige Situation durch den Kopf. Zufrieden war ich, ja. Zufrieden mit diesem Ort und meiner neuen Aufgabe als Schafhirte. Aber durfte ich mich dieser Zufriedenheit rühmen, geschweige mich hier sicher fühlen?
Daiaukas würde alles daran setzen, um den Mörder seines Sohnes sowie seine entflohenen Sklaven zu finden. Aber war es ihm überhaupt möglich? Er wusste nicht, in welcher Richtung wir entflohen waren. Wie viele Monate oder gar Jahre müssten er und seine Männer suchen, bis sie überhaupt eine verwertbare Spur fanden?
Steinig war das Gebirge. Spuren hatten wir wenige hinterlassen und bewohnte Orte haben wir meist gemieden. Außerdem war Daiaukas ein alter Mann. Würde er die Suche nicht bald aus Altersgründen oder wegen des eigenen Todes einstellen müssen? Diese Aussicht schien mir realistisch zu sein. Der Gedanke gefiel mir und sorgte dafür, dass ich mir ungezwungener ein neues Leben in Freiheit aufbauen konnte. In Tafresh sollte niemand wissen, dass ich ein entflohener Sklave war. Niemand außer Target wusste es und so sollte es auch bleiben.
Ein unbekanntes Geräusch weckte mich aus meiner trägen Gedankenwelt, in die ich eingetaucht war. Einen solchen Laut, hatte ich noch nie gehört. Ich drehte mich um und blickte verwundert in die Richtung, aus der dieses seltsame Blöken kam.
Geradewegs starrte ich in das stinkende, offene Maul eines Tieres, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte. Das Maul war spitz und im vorderen Teil waren acht Zähne wie eine Krone angeordnet. Die Oberlippe war gespalten und die verschließbaren Nasenlöcher schlitzförmig. Die Lider trugen lange Wimpern. Kleine Ohren säumten den langgezogenen Kopf. Daran schloss sich ein sehr langer Hals, der in einem merkwürdigen Körper endete. Eigentlich ähnelte es einem Pferd, doch sah der Rücken anders aus. Das Merkwürdigste an diesem Geschöpf waren zwei Höcker, die sich starr nach oben erstreckten. Darunter wirkte der Rumpf wie eine runde volle Tonne. Gehalten wurde dieses seltsame Tier von vier langen Beinen, die in Füßen endeten, die jeweils zwei Zehen hatten. Anstatt mit Hufen waren sie mit schwieligem Polstern versehen. Das Fell war sandfarben.
Da ich so ein merkwürdiges Tier noch nie gesehen hatte, stand ich einfach nur regungslos und erstaunt da.
Aus dem Inneren des Tieres vernahm ich ein leichtes Rumoren. Noch bevor sich in meinem Kopf die Frage über den Grund gebildet hatte, sah ich auch schon die Auswirkungen auf mich zukommen, denn das Tier hatte aus einem der vielen Kammern seines Magens irgendein halbverdautes Futter hochgewürgt. Als es im Maul des Tieres gesammelt war, schürzte es die Lippen und zielte genau auf meinem Kopf. Es hatte sein Ziel getroffen. Angewidert rieb ich diesen undefinierbaren Brei aus meinem Gesicht.
Es stank bestialisch.
Wohl vor Freude trunken über seinen Treffer, trottete das Tier zufrieden weiter. Mit dem einem Auge, welches ich schon wieder von der ekelhaften Masse befreit hatte, sah ich, wie es zum Wasser ging. Aber es war nicht alleine. Es hatte mehrere Exemplare seiner Art im Gefolge, und die machten sich ebenfalls am Wasser breit, wodurch sie meine Schafe verdrängten. Dabei bockten und röhrten sie noch, während sie umhersprangen. Ängstlich wichen meine Schafe zur Seite.
Ich wollte gerade zu meinen Schafen gehen und ihnen beistehen, als mir noch ein weiteres Geräusch zu Ohren kam, dieses Mal aber kein Röhren oder Blöken. Es war ein ganz normales weibliches Lachen, welches ich von meiner Schwester Simine und anderen Mädchen und Frauen kannte.
Dieses Lachen war der Grund, warum sich mein Ärger über den Auswurf des Tieres spontan in Wut änderte. Peinlichkeit war auch dabei, weil ich bei diesem Fiasko von einer weiblichen Person beobachtet worden war.
Schnell wandte ich mich ab, ging zwischen meinen Schafen ins Wasser und wusch mir den Kopf im kühlen Wasser. Als der ekelhafte Brei aus meinem Gesicht gänzlich verschwunden war, drehte ich mich wütend mit dem Vorsatz um, meiner Wut Luft zu machen. Ob sie nicht auf ihre Tiere aufpassen konnte, wollte ich ihr vorwerfen.
Doch manchmal kommt es anders, als man denkt. Einige Ellen vor ihr blieb ich stehen. Es handelte sich um eine schöne Frau. Deshalb bekam ich kein Wort der Wut heraus. Aber ich fühlte auch etwas anderes. Etwas, das ich mit meinen sechzehn Jahren noch nie zuvor erlebt hatte. Ich spürte ein seltsames, aber angenehmes Gefühl in meinem Hals. Unter meiner Zunge sammelte sich Speichel. Ich schluckte mehrmals. Dazu gesellte sich noch ein Kribbeln im Bauch. Verunsicherung war die Folge. Sofort war mir bewusst, dass ich für dieses Mädchen etwas empfand, nur was, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, da ich damals in Liebesangelegenheit ein gänzlich unbeschriebenes Blatt war.
Selbst jetzt, viele, viele Jahre nachdem ich sie das erste Mal gesehen hatte, bildet sich erneut Speichel in meinem Mund, und zwar allein durch die Kraft der schönen Erinnerung.
Sie kam auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Ihr Gesicht war so frei von jeglichem Makel, ihre Reinheit verzauberte mich. Ihre Augen sahen mich zwar lachend an, doch war neben ihrer Schadenfreude eine innere Güte zu sehen. Das pechschwarze Haar hing über ihre Schultern herab und wirkte gepflegt, genauso wie ihr ockerfarbenes Kleid. Sie mochte in meinem Alter sein.
Stundenlang hätte ich sie betrachten können, doch holte mich ihr schallendes Gelächter jäh in die Realität zurück.
»Na, du bist aber ein lustiger Vogel. Hast du noch nie Kamele gesehen?«
»Kamele?« Ich begriff zuerst nicht, was sie damit meinte, denn mein Hauptaugenmerk galt immer noch ihr und nicht irgendwelchen Tieren.
»Ja, sicher. Das Kamel, welches dich angespuckt hat. Du musst verzeihen, dass ich so lachte, doch es sah belustigend aus. Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen.«
»Ich kann mir schon vorstellen, dass ich keine gute Figur abgegeben habe. Sind das deine Kamele?«
Mir war danach, die peinliche Situation so schnell wie möglich in Vergessenheit zu bringen. Deshalb versuchte ich, sie in ein normales Gespräch zu verstricken.
»Nein«, dementierte sie, während sie dabei war, ihre langen Haare über die Schulter zu heben. Es war mir unmöglich, meinen Blick von ihr abzuwenden.
»Sie gehören meinem Onkel. Ich hüte ab und zu die Herde. Außerdem sind auch einige Dromedare dabei.«
»Dromedare? Was ist denn der Unterschied zu den Kamelen? Ich sehe keinen.«
Das Mädchen lachte auf, doch änderte sich ihre Schadenfreude in ein freundliches Lächeln.
»Komm mit. Ich erkläre dir einiges über die Tiere. Übrigens, mein Name ist PouroUista. Wie lautet dein Name?«
Ich war immer noch so von ihren Augen befangen, dass es seltsamerweise einen Moment dauerte, bis mir mein eigener Name wieder einfiel. So intensiv war ihre Schönheit. Auf den Gedanken, ihr einen Phantasienamen zu nennen und ihr meinen echten vorzuenthalten, kam ich gar nicht erst. Sie verzauberte mich.
»Luskin.«
Sie nahm mich an die Hand, die so warm war, dass mich ein wohliger Schauer durchzog. Sie ließ mich nicht los und führte mich zu ihrer Herde.
»Schau, Luskin. Die Tiere mit den zwei Höckern sind Kamele. Die dort drüben mit nur einem sind Dromedare.«
»Auf dem Kamel mit zwei Höckern könnte man ja noch reiten. Aber wie soll das bei einem Dromedar mit nur einem Höcker gehen?«
»Auf