Sklave und König. Michael Aulfinger
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Читать онлайн книгу Sklave und König - Michael Aulfinger страница 11
Für Target war es ebenso die erste große Stadt, die er in seinem Leben betrat. Sie verfehlte ihre Wirkung auf uns beiden nicht. Kinder spielten lachend auf den staubigen Straßen. Fuhrwerke wurden von starken Ochsen oder Gäulen gezogen. Kaufleute und Händler gingen ihrem Lebensunterhalt nach.
Niemand trat auf uns zu und schimpfte uns Sklaven. Niemand verlangte von uns, uns auszuweisen und Rechenschaft über unsere Herkunft abzugeben. Dies gefiel mir. Ich fühlte mich gleich heimisch und glaubte, dass dies ein Ort sein könnte, an dem ich glücklich zu sein vermochte. Dies hoffte ich zumindest.
Nur ein Anblick verwunderte mich. Am Rande der Stadt erblickte ich einen Turm. Dies wäre an sich nichts Besonderes, wenn mir nicht ein Schwarm Geier aufgefallen wäre, der erst abwartend über dem Turm kreiste, um dann im kollektiven Sturzflug, wie auf ein geheimes Zeichen hin, auf dem Turm zu landen. Die Geier waren aus meinem Blickfeld verschwunden, so dass ich den Grund ihres Tuns nicht erkennen konnte. Sie blieben auch weiterhin meinem Blick entzogen, so dass ich kopfschüttelnd weiterging und dieses Rätsel für den Moment ungelöst blieb.
Unsere Vorräte waren zu Ende, doch noch hungerten wir nicht. Dennoch war es unerlässlich, baldigst für Nachschub zu sorgen. Dafür brauchten wir Silberstücke. Also war unser erstes Bestreben, so schnell wie möglich Arbeit zu finden, damit unsere weitere Reise gesichert war. Auf dem Marktplatz fragten wir nach Arbeit. Die Männer, die wir fragten, waren zwar alle nett und freundlich, doch konnten wir uns dafür nichts kaufen. Alle verneinten kopfschüttelnd. Wir gaben jedoch nicht auf und klapperten alle Läden und Handwerker ab. Die Zartoshti – wie sich die Anhänger Zarathustras selber nennen – waren ein fröhliches Volk. Sie lachten viel und waren immer wohl gelaunt. Dies machte sie mir sympathisch. Doch an unserem Umstand änderte es recht wenig.
Der Tag ging allmählich zur Neige und wir hatten immer noch keine Bleibe gefunden, als wir in ein Gebäude traten, welches eine Gerberei beherbergte. Zuerst kam uns der eindringliche, aber angenehme frische Geruch von Leder entgegen. Ein untersetzter Mann kam auf uns zu und rieb sich die Hände, während er fragte, was wir wünschten. Er witterte wohl ein Geschäft. Ich entgegnete ihm, dass wir auf der Suche nach Arbeit waren. Target verhielt sich wie immer still im Hintergrund und überließ mir das Reden.
»Kommt mit. Mein Herr befindet sich im Hof.«
Wir folgten dem dicken Mann und traten in den Hof. Angewidert drehte ich meinen Kopf gleich zur Seite, doch half es nichts. Der Gestank drang in meine Nase. Hier im Hof war ein anderer Geruch vorherrschend. In einer Grube liefen drei, bis auf einen Lendenschurz bekleidete Männer herum, die in einer Flüssigkeit herumwateten und Tierfelle weich traten. Die Flüssigkeit bestand hauptsächlich aus abgestandenem Urin, aus welchem sich Ammoniak gebildet hatte. Daher der stechende Geruch.
Der Besitzer der Gerberei trat auf uns zu.
»Ihr sucht Arbeit? Ich könnte noch ein paar kräftige Männer gebrauchen.« Er zeigte lächelnd mit einer Handbewegung auf die Grube, in der sich die drei Männer immer noch gleichmäßig stampfend bewegten. Dies taten sie den ganzen Tag. Woche für Woche. Den Gestank wurden sie wohl nie wieder los. Waschen war nutzlos. Wie sollte sich jemals eine Frau für sie interessieren?
»Nein, danke. Nach dieser Arbeit sehne ich mich nicht. Aber sagt, Herr, habt ihr eine andere Arbeit für uns, oder wisst ihr jemanden, der uns gebrauchen könnte?«
Aufgrund meiner raschen Ablehnung lachte der Besitzer zunächst. Aber dann umfasste er mit seiner rechten Hand seinen Bart, den er zu massieren schien. Das war seine Art nachzudenken.
»Eine andere Arbeit kann ich euch nicht anbieten. Aber mir fällt gerade ein, dass ein Lieferant von mir jemanden sucht. Sagt, könnt ihr hirten?«
Target und ich sahen uns an und nickten gemeinsam.
»Ja, das können wir. Um was für Tiere handelt es sich denn?«
»Wie ich schon sagte, hat ein Lieferant von mir große Herden. Es handelt sich dabei um Schafe. In der Grube, befinden sich auch Schafsfelle, die ich von ihm bezogen habe. Aber ich will jetzt nicht abweichen. Dem Schafzüchter ist nämlich vor wenigen Tagen sein Hirte unerwartet gestorben. Er fasste sich plötzlich an die Brust und fiel einfach um. Ein schneller Tod. Jedenfalls hat er nicht lange leiden müssen. Ihr habt doch sicherlich die Geier gesehen?«
Mich wunderte zwar, was die Geier mit dem Tod des Hirten zu tun haben sollten, doch fragte ich nicht nach. Es war für mich wichtiger, dass wir Arbeit fanden.
Der Gerber nannte uns den Namen des Schafzüchters. Er zeigte uns die Richtung an, in die wir gehen sollten. Noch im Tageslicht erreichten wir eine große Schafsherde, die am Stadtrand graste. Dennoch befand sie sich einen Farsach von den Häusern entfernt. Wir steuerten direkt auf den Hirten zu.
»Wir suchen den Schafzüchter Paudashti? Kannst du mir sagen, wo wir ihn finden?«
»Ihr habt ihn schon gefunden. Sucht ihr Arbeit? Ich kann zwei Hirten gebrauchen. Mir ist gerade ein Hirte verstorben. Wie ihr seht, habe ich viele Schafe und dies sind noch nicht einmal alle.«
Schnell waren wir uns über die Entlohnung einig. Wir verständigten uns außerdem darauf, dass wir in unserer ersten Nacht in seinem Haus übernachten konnten. Freundlicherweise lud er uns auch zum Essen ein.
Paudashtis Haus war groß genug, um uns unterzubringen. Da Target und ich von dem langen und beschwerlichen Weg ermüdet waren und uns der gereichte Wein auch bald zu Kopf stieg, dauerte es nicht lange, bis wir müde auf unser Nachtlager fielen. Beim Essen war mir besonders aufgefallen, dass die Zartoshti großen Wert auf Reinlichkeit legen. Lange wusch sich Paudashti vor dem Essen die Hände. Wir taten es ihm gleich, doch schien mir diese Reinheit ein wenig übertrieben. Damals wusste ich die Gründe dieser ausgelebten Reinlichkeit noch nicht. Dies sollte ich jedoch bald erfahren.
Kapitel 4
Wie bereits erwähnt, lag Tafresh in einem Kessel. Die Häuser waren jedoch mehr im westlichen Bereich angesiedelt, so dass die Herden im Osten genug Platz zum Grasen hatten. Die Weiden waren teilweise mit ähnlich kleinen Mauern unterbrochen, wie ich sie auf Mereps bzw. Daiaukas Gut mit Target aufgebaut hatte. Kleine dürre Bäume, die vereinzelt herumstanden, wirkten fehl am Platz. Als Schattenspender waren sie nur bedingt nutzbar, doch unterbrachen sie die Eintönigkeit.
Im Weidebereich der Schafe, welche Target und ich zu beaufsichtigen hatten, war das Land noch flach. Doch nur einen halben Farsach weiter begann sich schon der Berg zu erheben. Im unteren Bereich war es gutes Weideland. Mit bloßen Augen konnte ich verschiedene Viehherden erkennen, die in Abständen verteilt waren. Mir kam dieser Flecken Erde gleich heimisch vor. Ich konnte mir vorstellen, dass ich mich hier irgendwann zu Hause fühlen könnte. Kräftig atmete ich durch und beaufsichtigte die Schafe. Anfangs war Target noch bei mir, doch dann zog er mit seinen Schafen von dannen. Er war mit seiner Herde weiter im Süden eingesetzt worden.
Paudashti hatte mich bei meiner Einweisung darauf hingewiesen, dass die Tiere zum Trinken an einen kleinen Bach herangeführt werden mussten, der sich unweit meines Platzes befand. Als ich den Zeitpunkt für gekommen sah, trieb ich die Schafe in die angegebene Richtung. Dies war leichter, als ich zunächst angenommen hatte. Die Schafe – an deren Geruch ich mich erst noch gewöhnen musste – kannten den Weg und