Severin. Myron Bünnagel
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Die Tür schloss sich hinter ihnen, ein lauter, endgültiger Knall in der widerhallenden Stille des Flures. Die beiden Beamten hielten an, Feldberg kramte eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche, zog eine daraus hervor und zündete sie sich mit einem Streichholz an. Zwischen zwei Zügen blies er den Rauch in Severins Richtung. „Ging wohl nicht auf, Ihre kleine Ausrede.“ Er schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Ich war es nicht!“
Kramer hantierte mit seinem Expander herum. „Halten Sie das Maul, Severin. Hab mir ganz schön die Sohlen durchgelaufen für Ihre beschissene Geschichte.“ Er ballte erbost die Faust. „Aber ich wusste von Anfang an, dass das nur heiße Luft war.“
„Sie müssen mir glauben …“, setzte Jacob schwach an, aber die Blicke der beiden Beamten ließen ihn sofort wieder verstummen. Das Gefühl der Scham brannte in seinen Wangen.
„Für ein Plädieren auf Geistige Unzurechnungsfähigkeit hätten Sie sich schon mehr ausdenken müssen.“ Feldberg deutete über die Schulter auf die geschlossene Tür. „Der Staatsanwalt wird sich vermutlich wegschmeißen vor Lachen. Aber er wollte es uns ja nicht glauben.“ Er schnippte achtlos die Asche fort.
„Aber jetzt haben Sie bald mächtig Ruhe, Freundchen. Die buchten Sie erst einmal ordentlich ein.“ Kramer kratzte sich mit der freien Hand hinter dem Ohr und sah beiläufig aus dem Fenster. „Könnte für lange Zeit der letzte erfreuliche Anblick sein.“
„Na, wenigstens haben Sie vorher noch mal gevögelt, auch wenn sie jetzt tot ist.“
Ihre Worte schnitten in Severins Benommenheit, hallten in der Leere seiner Gedanken wieder. Jeder einzelne Klang voller Endgültigkeit. Gleich einem Käfig, dessen Zellentür sich unausweichlich schloss, während Jacobs Einwände dazwischen zu Tode gequetscht wurden.
„Ich kann Typen, die ein Mädchen nach einem Fick abmurksen, ohnehin nicht leiden.“ Kramer grinste schief und zeigte dabei gelbliche Zähne.
Jacob schüttelte den Kopf, versuchte ihre Stimmen aus seinem Kopf zu bekommen. Aber ihre Endgültigkeit schlug einen zu heftigen Takt. „Nein …“, flüsterte er.
„Doch. Wird Ihnen da gefallen. Wenn Sie auf Kerle stehen.“ Er zwinkerte Kramer zu.
„Nein!“ Sein Schrei verlor sich im aufsteigenden Rauschen. Ein donnerndes Tosen, das durch seinen Körper jagte, in ihm aufstieg, eine wohltuende Hitze im Schlepptau. Es war das Rauschen seines Pulses, das wie ein eruptiver Vulkan zu kochen begann. „Nein!“ Und hervorbrach. Ein Geschmack von Blut auf der Zunge. Die spöttischen Beamtengesichter sprangen ihn an, ihre hämischen Grimassen überdimensional verformt, in die Länge gezogen, bis sie nur mehr lachende Zahnreihen waren. Während ihr gackerndes Gelächter auf ihn eindrang.
Er ballte die Hände zu Fäusten, spürte, wie der Stahl in seine Handgelenke schnitt. Holte von unten herauf aus und ließ sie mit Wut und Wucht gegen Kramer rasen. Der Aufprall schoss in glühenden Bahnen seine Arme hinauf, explodierte in grellen Lichtblitzen in seinem Schädel. Der Hieb landete auf der Brust, trieb dem Polizisten die Luft aus den Lungen. Der Schmerzensschrei ein gepeinigtes Röcheln. Sein Kopf lief rot an, die Augen traten aus den Höhlen, ehe er nach hinten taumelte. Severin wurde vom Schwung seines Angriffs nach vorne gerissen, korrigierte die Richtung nur ein wenig, um Feldberg seine Schulter in den Magen zu rammen. Der Beamte sah ihn fassungslos an, seine Reaktion zäh und träge. Die frische Zigarette verließ wie in Zeitlupe seinen Mundwinkel, seine Hand sank langsam in Richtung Gürtel. Jacob stieß sich ab, legte sein ganzes Gewicht hinein und prallte mit dem Mann zusammen. Ein Ellenbogen streifte seinen Hinterkopf, während sich seine Schulter in Feldbergs Bauch grub. Dann waren sie nur noch ein Knäuel am Boden. So gut es ging schlug Severin mit seinen gefesselten Armen um sich, bemüht, mit der Stirn nicht auf dem Steinfußboden aufzuschlagen. Feldbergs Finger krallten sich in seine Haare, rissen schmerzhaft daran, ließen erst wieder ab, als Severins Hiebe sich hocharbeiteten. Jacob rollte auf die Knie, spürte ein Brennen auf der Wange, wo die Nägel seines Gegners blutige Spuren hinterlassen hatten. Er holte aus und ließ die geballten Hände auf Feldbergs Schädel niedergehen. Der Beamte hob schützend die Arme vor sein Gesicht, aber der Schlag aus Knochen und Stahl durchdrang die Verteidigung. Severin spürte den heftigen Aufprall, war aber schon wieder dabei, auf die Beine zu kommen. Hinter ihm stöhnte Kramer. Hastig fuhr er herum, die Welt um ihn in einem wabernden Schleier aus Verzweiflung, Wut und rotem Nebel. Der Bulle hatte sich halb aufgerichtet, auf seinem grünlich angelaufenen Gesicht glänzte der Schweiß. Seine Hand versuchte fahrig unter das Jackett zu gelangen, zerrte an dem grauen Nadelstreifenstoff. Der Expander lag neben ihm. Severin stolperte vorwärts, riss das Bein hoch und trat dem Mann mit aller Kraft in den Bauch. Er spürte den nachgiebigen Widerstand, der sich verhärtete, als Kramer seinen Körper zusammenzog. Die Augen des Getroffenen groß und blutunterlaufen, sein Mund zu einem Schrei aufgerissen. Dann sackte er kraftlos zurück, keuchend und wimmernd. Jacob versetzte ihm einen ungezielten Tritt in den Unterleib, dann sah er sich gehetzt um. Feldberg stöhnte und versuchte, sich zur Seite zu drehen. Sein Gesicht war zerschunden, ein Auge begann zuzuschwellen, aus einer Platzwunde an seiner Stirn rann eine dünne rote Linie. Mit zwei Schritten war Severin bei ihm, packt die Krawatte und zerrte den geschwächten Körper hoch. Feldberg starrte ihn aus seinem heilen Auge an. Seine Unterlippe war aufgeplatzt, wo ihn die Handschellen getroffen hatten. „Machen Sie keinen Unsinn …“ Seine Stimme war rau und brüchig. „Sie haben doch keine Chance.“
Jacob schüttelte ihn wütend. „Ich habe es nicht getan!“ Mit einer Hand tastete er die Taschen des Beamten ab, fand den kleinen Schlüssel und zog ihn hervor.
„Keine … Chance …“, hustete Feldberg.
Severins Blick fiel auf das Holster an dessen Gürtel. Hellbraunes Leder, in dem dunkel schimmerndes Metall steckte. „Das werden wir ja sehen!“ Die Waffe ließ ihn nicht los, der Glanz zog seine Finger an.
„Seien Sie nicht noch dümmer …“, ächzte Feldberg, der Severins Bewegung mit seinem gesunden Auge folgte. Er versuchte einen Arm zu bewegen, aber es gelang ihm nicht.
„Seien Sie still!“, zischte Jacob und beobachtete fasziniert, wie seine Finger den Gürtel entlang schlichen. Das Metall fühlte sich kühl und glatt unter seiner Berührung an.
„Hey, Sie, was machen Sie da?“ Der Ruf eines Mannes. Während Severin noch zu ihm herüber sah, griff seine Hand bereits nach der Waffe. „Nicht …“, stöhnte Feldberg. Jacob ließ die Krawatte abrupt los, hörte, wie der Schädel leise auf dem Steinboden aufschlug. Durch eine Glastür am Ende des Flures trat ein uniformierter Wächter. Seine Arme waren angewinkelt, einer lag auf dem Halfter an seiner Hüfte.
Severin sprang auf die Beine, den Schlüssel in der einen, die Automatik in der anderen Hand, und stürmte los. Der Wachmann hinter ihm schrie, Schritte näherten sich. Jacob rannte weiter, vorbei an geschlossenen Türen und verwaisten Bänken. Hinter den Fenstern ging es ein Stockwerk in die Tiefe, nichts als nackter Beton dort unten. Keuchend erreichte er eine Glastür, stieß sie auf und stolperte in ein Treppenhaus. Hastig sah er sich um, sein Blick folgte der Treppe nach unten. Als er sich schon darauf zu bewegen wollte, tauchte an ihrem Fuß ein weiterer Wachmann auf, die Dienstwaffe bereits gezogen. Er bemerkte Jacob, setzte an, die Stufen hinauf zu laufen. „Bleiben Sie stehen!“
Severin taumelte zurück, blickte über die Schulter in den Gang hinter sich. Der erste Wächter kniete über Kramer, hob jetzt den Kopf und sah zu ihm hin. Seine Hand zuckte nach oben, Metall blitzte darin auf. Gleichzeitig hastige Schritte auf den Stufen. Jacob sprang auf die Treppe nach oben zu, hetzte sie hinauf, immer zwei Stufen auf einmal. Seine gefesselten Arme pendelten wild hin und her, Waffe und Schlüssel in den schweißnassen Fingern.