Geschwisterliebe. Detlef Wolf

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Geschwisterliebe - Detlef Wolf

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Stephan. „Das heißt, nein. Ich besitze zwar ein Auto, aber das steht in der Garage. Ich bin mit dem Bus gekommen. Ich benutze lieber den Bus, ich fahre nicht gern mit dem Auto.“

      „Naja, macht nichts. Dann gehen wir eben zu Fuß. So weit ist es ja nicht“

      Sie machten sich auf den Weg. Als sie an Stephans Bank vorbeikamen, bat er Lohner, einen Moment zu warten. Er wolle in der Bank schnell etwas erledigen. Drinnen ließ er sich einen abgestempelten und vom Filialleiter unterschriebenen Kontoauszug geben. Den zeigte er Lohner.

      „Hier, damit Sie sehen, daß ich Ihnen nichts vormache.“

      Lohner pfiff leise durch die Zähne. „Mein lieber Scholli. Geerbt?“

      Stephan schüttelte den Kopf.

      „Woher haben Sie denn soviel Geld? Was machen Sie denn beruflich?“

      „Internethandel“, antwortete Stephan knapp.

      „Scheint sich zu lohnen.“

      „Es reicht, das sehen Sie ja.“

      Lohner nickte. Sie gingen weiter. Frau Zervatzky saß in ihrem schäbigen Wohnzimmer vor dem Fernseher. Auf dem Tisch stand eine halbvolle Schnapsflasche und ein von Kippen überquellender Aschenbecher. Sie war mittelgroß und übergewichtig. Sie trug einen Hausanzug aus knallgrünem Nickistoff, der bereits bessere Tage gesehen hatte. Er war aus der Form geraten und mit Flecken übersät. Ihre nackten Füße steckten in offenen Hauslatschen, die Haare waren fettig und hingen ihr in Strähnen vom Kopf. Ihre Fingernägel, ebenso wie ihre Fußnägel, waren lang und ungepflegt. Schmutz hatte sich darunter festgesetzt.

      Es roch streng in dem Raum. Lohner und Stephan ignorierten ihre Aufforderung, Platz zu nehmen. Es hätte sich auch nicht gelohnt. Überraschend schnell erklärte sich die Frau mit dem Umzug ihrer Kinder einverstanden. Eine kurze Erläuterung von Stephan und die Bestätigung seitens des Lehrers genügten, ihre Zustimmung zu erhalten.

      „Muß ich irgendwas unterschreiben?“ fragte sie.

      Lohner schüttelte den Kopf. „Vorläufig nicht. Solange unsere Abmachung nicht bekannt wird, die Kinder ordnungsgemäß zur Schule gehen und nicht verwahrlost auf der Straße aufgegriffen werden, kümmert sich niemand darum.“

      Er sah Stephan an, als er das sagte.

      „Ich werde mich um sie kümmern“, versprach er.

      Über die Ereignisse des Vortags und den Zustand des Vaters wurde kein Wort gesprochen. Die Frau half ihnen, die Schulsachen und die Kleidung ihrer beiden Kinder zusammenzupacken. Lohner rief ein Taxi. Damit brachten sie die Sachen in die neue Wohnung der Kinder. Wo diese lag, hatten sie der Frau nicht gesagt. Der Abschied war kurz und emotionslos. Stephan hatte den Eindruck, sie war froh, daß sie die Kinder aus dem Haus hatte.

      Lohner ließ sich das Haus zeigen. Er war beeindruckt. „Unglaublich“, meinte er. „Daß Sie so wohnen, hätte ich nicht gedacht. Wenn sich die Kinder hier nicht wohlfühlen, dann weiß ich’s auch nicht.

      „Wollen Sie noch mitkommen ins Krankenhaus?“ fragte Stephan, als sie danach wieder in das wartende Taxi einstiegen.

      Lohner schüttelte den Kopf. „Ein andermal vielleicht. Ich habe noch etwas vor.“ Er ließ das Taxi in der Innenstadt anhalten und reichte Stephan die Hand. „Wann sehen wir uns wieder?“

      „In ein paar Tagen“, antwortete Stephan. „Geben Sie mir ein wenig Zeit mit beiden. Es wäre aber gut, wenn Sie gelegentlich vorbeikommen könnten. Erstens könnten Sie sich ein Bild machen, und zweitens wäre es eine Bestätigung für die beiden, daß ich mich tatsächlich an Sie gewandt habe. Im übrigen gedenke ich, Nicole morgen wieder in die Schule zu schicken. Selbstverständlich überlasse ich es Ihnen, wie Sie mit ihr umgehen.“

      Lohner stieg aus und ging davon. Stephan ließ sich zum Krankenhaus fahren. Kevin lag noch immer allein in dem Dreibettzimmer. Seine Schwester saß schweigend neben seinem Bett. Sie war sichtlich erleichtert, als sie Stephan hereinkommen sah.

      „Ich dachte schon, Du kommst nicht mehr“, sagte sie.

      „Du dachtest, ich würde mich aus dem Staub machen.“ Er lachte. „Nee, keine Sorge. So schnell werdet Ihr mich nicht mehr los.“ Er deutete auf die Einkaufstüte, die neben ihrem Stuhl auf dem Boden stand. „Was hast Du denn eingekauft? Ist das etwa alles?“

      Er nahm die Tüte vom Boden auf und sah hinein. Zwei Jeans, ein paar T-Shirts und eine Regenjacke war alles, was er darin fand.

      „Und der Rest?“ fragte er.

      „Welcher Rest?“ fragte sie zurück.

      „Na, Du wirst doch noch mehr eingekauft haben als die paar Sachen hier.“

      Sie schüttelte den Kopf.

      „Och, Mädchen, ich hab’s Dir doch extra gesagt. Kauf ein was Dir gefällt.“

      „Aber die Sachen gefallen mir ja“, erwiderte sie. Dann griff sie in ihre Hosentasche und zog den Rest des Geldes heraus, das er ihr gegeben hatte. Sie hielt es ihm hin. „Hier, das ist übriggeblieben“, sagte sie.

      Kopfschüttelnd nahm Stephan ihr die Geldscheine ab. „Da reden wir noch drüber“, meinte er.

      Kevin sah besser aus als am Tag zuvor. Er war nicht mehr ganz so blaß, und seine Augen hatten den fiebrigen Glanz verloren. Er sah Stephan freundlich an.

      „Du hast ihr nichts getan“, stellte er zufrieden fest.

      Einmal mehr war Stephan schockiert, daß der Junge, ebenso wie seine Schwester, wie selbstverständlich angenommen hatte, er würde sich an dem Mädchen vergriffen haben.

      „Nein, ich habe Ihr nichts getan“, antwortete Stephan fest. „Und ich werde ihr auch nichts tun. Jedenfalls nichts, was sie nicht will. Ebensowenig wie Dir, wenn Du hier rauskommst.“

      „Morgen“, antwortete Kevin. „Die Ärzte wollen mich morgen entlassen.“

      Stephan und Nicole nahmen den Bus aus der Stadt hinaus. Wieder saßen sie sich schweigend gegenüber. Auf dem Weg zu seinem Haus, sagte Stephan: „Ich war übrigens bei Deinem Lehrer. Der scheint schwer in Ordnung zu sein. Er ist sogar mit mir zu Deiner Mutter gegangen.“

      Nicole erschrak. „Ihr wart bei mir zu Hause?“

      „Ja sicher. Wir mußten doch das Einverständnis Deiner Eltern holen, daß Ihr jetzt bei mir wohnen dürft. Sie hatte nichts dagegen.“

      „Und der Alte?“

      „Der war natürlich nicht da. Ich denke mal, der liegt für längere Zeit im Krankenhaus. Die werden ihre liebe Mühe mit ihm haben, ihn vom Schnaps runterzuholen. Aber das soll mein Problem nicht sein.“ Er sah das Mädchen an. „Und Eures auch nicht.“

      „Aber unsere Sachen müssen wir noch holen“, meinte sie. „Die paar Klamotten, die ich gestern mitgenommen habe, reichen ja hinten und vorne nicht.“

      „Deshalb hab ich Dich heute ja geschickt, welche zu kaufen. Aber Du konntest ja nicht hören“, erwiderte er grinsend.

      Schuldbewußt sah sie zu Boden.

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