Sannall der Erneuerer. Manfred Rehor

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Sannall der Erneuerer - Manfred Rehor

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ging zunächst der Bibliothekarin zur Hand, einer alten Inderin, die einen grün glänzenden Sari trug und nach Sandelholz duftete. Sie zeigte ihm einen großen Stapel Tontäfelchen, die in einem Korb lagen. Sie waren verschmutzt, teilweise zerbrochen, aber alle beschriftet. „Eine kürzlich gefundene Keilschriftensammlung. Du musst die Tafeln aussortieren, die nur mit Handel und Gewerbe zu tun haben. Die brauchen wir nicht.“

      Jeremiah griff wahllos einige Tafeln heraus. „Eine Rechnung über den Verkauf von einer Ziege und vier Kruken Getreide“, sagte er, nachdem er den Text entziffert hatte. „Und hier: Steuererhöhungen für Bauern, die gegen den Landvogt nicht ehrerbietig waren. Schriftverkehr über eine Schiffsladung Bauholz. Alles maßlos uninteressant.“ Er warf die Tontafeln wieder zurück in den Korb.

      „Geh vorsichtig damit um, es können auch Tafeln mit magischem Inhalt darunter sein. Erfasse alle Tafeln in dieser Liste und rufe mich, wenn du fertig bist.“ Nachdem die Bibliothekarin sich davon überzeugt hatte, dass Jeremiah die Keilschriftzeichen gut genug kannte, um keine Fehler zu machen, ließ sie ihn alleine.

      Jeremiah schaltete auf brav und begann mit der Arbeit, denn er wusste, dass sie noch einmal kommen würde, um ihn zu kontrollieren. So geschah es auch. Die Bibliothekarin überprüfte seine Einträge, lobte ihn für seine Sorgfalt und ging wieder. Sie war bekannt dafür, dass sie gerne in einer ruhigen Ecke ein Buch las, während ein Novize ihre Arbeit machte.

      Nun konnte Jeremiah sicher sein, für eine Weile in Ruhe gelassen zu werden. Leise schlich er zu der Tür, die zum verbotenen Teil der Bibliothek führte. Das Türschloss bestand aus einem kleinen Kristall, der magisch bewegt werden musste. Eine schwierige Aufgabe für einen Novizen, aber Jeremiah war seinen Altersgenossen in der Akademie auch in dieser Hinsicht weit voraus. Eine kurze Handbewegung, ein Moment äußerster Konzentration und die Tür schwang geräuschlos auf.

      Der Raum dahinter war groß und hell. In langen Regalen standen Bücher, die nach Ansicht der Magier und Vorleser nicht in die Hände von Novizen gehörten. Manche enthielten Anweisungen für gefährliche magische Rituale, andere beschäftigten sich mit dem Gegenteil von Magie, nämlich mit Technik.

      Auch die Zeitungen und Zeitschriften, die auf Umwegen die Akademie erreichten, wurden hier eingeschlossen. Jeremiah durchsuchte einen Stoß aktueller Zeitungen, die noch nicht einsortiert waren. Er fand das Exemplar der Cairo Times, von dem Wynfried erzählt hatte, und eine Londoner Zeitung, in der ausführlicher über die Eröffnung der neuen Eisenbahnlinie berichtet wurde. Neben einem Bild des Besitzers der Eisenbahn, Raymond A. Cyros, war dort auch eine Karte über ihren Verlauf abgedruckt: von Medinet im El-Faijum bis hoch nach Alexandria, der Hafenstadt am Mittelmeer. Die Strecke verlief nur wenige Kilometer vom Standort der unterirdischen Akademie entfernt.

      Jeremiah riss die Seite aus der Zeitung heraus. Es war unwahrscheinlich, dass in den nächsten Tagen jemand gerade dieses Exemplar lesen würde, deshalb konnte er das Risiko eingehen.

      Gutgelaunt kehrte er zu seinen Tontafeln zurück und arbeitete weiter, bis der Gong zu den Mittagsvorlesungen rief. Während des Essens informierte er Wynfried und Yblah darüber, dass alles geklappt hatte: Kommende Nacht würden sie durch einen alten Stollen nach oben gehen und die magische Akademie verlassen.

      Lord Pearson, Archäologe

      Gegen Ende des 19. Jahrhunderts suchten sowohl Archäologen als auch Grabräuber mit großem Eifer im Wüstensand nach den Hinterlassenschaften der alten Ägypter. Es ist nicht sicher, welche der beiden Gruppen mehr Schaden anrichtete. Die Archäologen jener Zeit waren noch nicht die pingeligen Sandkornzähler, wie sie später auf den Ausgrabungsfeldern erschienen. Im Gegenteil! Denn ein Archäologe, der viel fand, wurde berühmt. Und ein Grabräuber, der viel fand, wurde reich – indem er seine Funde an erfolglose Archäologen verkaufte.

      Lord Pearson, ein hagerer Engländer, gehörte nicht zu denen, die wegen des Reichtums im Land der Pharaonen unterwegs waren. Reich war er von Geburt und Ruhm bedeutete ihm nichts. Trotzdem kampierte er seit Wochen in der Wüste.

      Wonach er suchte, wussten nicht einmal seine beiden Landsleute, die er zur Unterstützung angeheuert hatte. Ägyptischen Arbeitern, die wesentlich billiger zu haben gewesen wären, misstraute der Lord. Die Ägypter hatten zu viel Erfahrung im Grabungsgeschäft und wussten, was wertvoll war und was nicht. Sie hätten gemerkt, dass ihr Arbeitgeber abseits der aussichtsreichen Grabungsplätze suchte und mehr an Kleinigkeiten interessiert schien, als an großen Funden. Und auf Kleinigkeiten hatte es der Lord tatsächlich abgesehen. Die Entdeckung eines Pharaonengrabes wäre eine Enttäuschung für ihn gewesen. Sein Sinn stand nach anderen Dingen.

      Leider blieb seine Suche erfolglos. Auch an diesem Abend warf Lord Pearson nach langer, vergeblicher Mühe enttäuscht seine Schaufel in die Sandgrube. Wieder ein Tag vertan. „Schluss für heute!“, rief er den beiden Arbeitern zu.

      Die verschwitzten Männer kletterten aus der Grube und gingen zu den Zelten, die neben einem Lagerfeuer aufgebaut waren. Sehnsüchtig sahen sie hinüber zu den Palmenhainen des fruchtbaren El-Faijum-Gebietes im Süden. Dort gab es Wasser im Überfluss und bequeme Unterkünfte. Hier dagegen nur Sand und Steine.

      Doch Lord Pearson sah in die andere Richtung, hinaus in die Libysche Wüste. „Die Anlage ist hier in der Nähe“, sagte er mit trotziger Stimme. „Ich fühle es. Wir werden sie finden. Morgen.“

      Nach einem einfachen Abendessen am Lagerfeuer ging jeder in sein Zelt. Die beiden erschöpften Arbeiter schliefen sofort ein, während der Lord noch im Licht einer Petroleumlampe uralte Lagepläne studierte. Dann legte auch er sich schlafen.

      Es war eine ruhige Nacht. Der Wind wehte schwach über den Sand, der sich als leichter Schleier über alles legte.

      Am Rand einer Düne, nicht weit entfernt von der Ausgrabungsstelle des englischen Lords, begann der Sand stärker zu rieseln. Ein Skorpion rannte nervös auf seinen dürren Beinen davon, während sich ein kleiner Wirbelsturm bildete, der genau an dieser Stelle stehenblieb. Eine Mulde entstand, die sich zu einem Trichter erweiterte, gut zwei Meter durchmessend und einen Meter tief. Auf seinem Boden wurde eine Falltür sichtbar, die sich gleich darauf öffnete.

      Jeremiah, Yblah und Wynfried zwängten sich heraus. Sie schlossen die Falltür wieder, stellten sich um sie herum, machten mit den Händen einige magische Gesten und murmelten mit gesenkten Köpfen unverständliche Worte. Während die Jungs davon gingen, häufte sich nach und nach, wie von Geisterhand bewegt, wieder der Sand auf die Falltür. Nach wenigen Minuten unterschied sich die Stelle in nichts mehr von ihrer Umgebung.

      „Nach Nordosten“, sagte Jeremiah leise, und sie gingen durch die mondhelle Nacht in die Richtung, die er vorgab. Jeder von ihnen trug einen alten, schäbigen Burnus, sowohl zur Tarnung als auch zum Schutz gegen die schneidende Kälte der Wüstennacht. Ein Beobachter hätte sie aus der Ferne für ein paar junge Fellachen halten können, die auf der Suche nach einer entlaufenen Ziege waren.

      Der harte Schatten des Mondlichts verwandelte die Wüste in ein Labyrinth aus grauen Sandflächen und dunklen Felsblöcken. Die Palmenhaine des El-Faijum standen wie eine schwarze Wand im Hintergrund, während Jeremiah und seine Freunde schweigend durch die Nacht marschierten.

      Wynfried blieb plötzlich stehen. „Es riecht nach Rauch“, sagte er. „Der Wind kommt von dort drüben.“

      „Gehen wir hin“, entschied Jeremiah.

      Sie kamen zu den Zelten, in denen der Lord und seine beiden Begleiter schliefen.

      „Ein Lagerfeuer. Heruntergebrannt, aber nicht richtig gelöscht“, stellte Yblah fest.

      „Das

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