Sannall der Erneuerer. Manfred Rehor

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Sannall der Erneuerer - Manfred Rehor

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die ein Novize lernte. Außerdem erstreckte sich die tief sitzende Abneigung der Vorleser gegen jede Art von Maschinen auch auf kleine mechanische Geräte wie zum Beispiel Taschenuhren. Wynfried übernahm die erste Wache. Nach drei Stunden wechselten sie sich ab.

      Am späten Vormittag schreckte sie ein pfeifendes Heulen auf, das in der Ferne erklang. Sie stellten sich auf die Schienen und sahen gespannt nach Norden. Eine große, weiße Wolke erschien am Horizont, die sich langsam auf die Jungs zu bewegte. Die Schienen vibrierten, ein stampfender Ton wurde hörbar, und dann sahen sie ein glänzendes Monstrum aus Metall auf sich zurollen.

      „Fühlt ihr es auch?“, fragte Jeremiah überrascht. „Magie!“

      „Eine magische Aura“, bestätigte Yblah. „Aber merkwürdig gedämpft.“

      „Es heißt doch, dass diese Maschinen völlig ohne magische Hilfe funktionieren“, wunderte sich Wynfried. „Nur durch Technik und Dampfkraft.“

      „Konzentriert euch!“, forderte Jeremiah sie auf, und so standen sie zu dritt mitten auf den Gleisen, die Köpfe gesenkt und die Hände leicht angehoben. Sie versuchten, hinter das magische Geheimnis der auf sie zu rasenden Eisenbahn zu kommen.

      Erst kurz bevor die Maschine sie erreichte, sprangen sie in Sicherheit. Dampf und Rauch strömten aus der Zugmaschine und hüllten sie ein. Dann ratterten die Waggons an ihnen vorbei.

      „Absolut gigantisch“, schrie Wynfried.

      Kaum war der letzte Waggon vorbei, rannten sie hoch auf die Schienen und sahen der Eisenbahn hinterher.

      „Sie lässt sich durch Magie weder aufhalten noch sonst irgendwie verändern“, stellte Jeremiah fest.

      „Ja, und sie funktioniert wirklich nur durch Technik. Diese Technik ist stärker als unsere Magie“, sagte Wynfried.

      „Unsinn!“, fuhren ihn Jeremiah und Yblah gleichzeitig an.

      „Schon gut. Aber woher stammt diese seltsame Aura, die wir gespürt haben?“

      „Wie von einem Magier, der weit, weit entfernt ist. Fast könnte man meinen, es sei ein Hilferuf gewesen.“

      „Versuchen wir es noch einmal, auch wenn der Zug nun schon Meilen entfernt ist“, schlug Jeremiah vor. „Vielleicht haben wir uns geirrt.“

      Sie konzentrierten sich wieder, doch sie konnten die magische Aura nicht mehr aufspüren. Nachdenklich machten sie sich auf den Heimweg.

      Als sie im Laufe des Nachmittags am Lager des Archäologen vorbei kamen, schlichen sie sich an, um zu sehen, was geschehen war. Die Zelte standen wieder, und in ihrer Nähe lagerte ein Trupp bewaffneter Männer in schäbigen Uniformen.

      „Die Engländer müssen in Medinet Soldaten zu ihrem Schutz angefordert haben“, mutmaßte Yblah.

      „Angsthasen“, urteilte Wynfried.

      „Aber offenbar politisch einflussreich“, sagte Jeremiah. „Ich möchte wissen, wer dieser Archäologe wirklich ist.“

      Es war Abend, als die Jungs zur Akademie zurückkamen. Sie wussten, dass ihr Fehlen bereits bemerkt worden sein musste, also versuchten sie gar nicht erst, sich heimlich in ihre Kammern zu schleichen. Ein Verweis ließ sich nicht mehr vermeiden, und in den nächsten Tagen würden sie bei der morgendlichen Verteilung der Aufgaben wieder einmal die unbeliebtesten bekommen.

      Ausgerechnet Sungear lief ihnen nach ihrer Rückkehr als Erster über den Weg. Doch zu ihrer Überraschung ignorierte er sie. Er murmelte Verwünschungen vor sich hin und eilte an ihnen vorbei. Verwünschungen aus dem Munde eines Vorlesers konnten unangenehme Konsequenzen für den Betroffenen haben, denn aufgrund ihrer Tätigkeit kannten sie die schlimmsten Flüche der letzten Jahrtausende in- und auswendig.

      „Ein Glück, dass er nicht uns meint“, sagte Jeremiah deshalb. „Es muss etwas passiert sein, während wir weg waren. Hören wir uns mal um.“

      Jeremiahs Auftrag

      Jeremiah, Wynfried und Yblah zogen sich um und gingen in den Speisesaal, um nachzusehen, ob noch etwas für sie übriggeblieben war. Sie fanden den Saal leer bis auf einen Novizen, der Geschirr zusammenräumte. Jeremiah fragte ihn, was geschehen sei.

      „Die Vorleser sagen zwar nichts, aber es heißt, der Meister sei verschwunden.“

      „Verschwunden? Es weiß doch nie jemand, in welchem Land der Erde er gerade weilt.“

      „Angeblich hat er aber seinen Besuch angekündigt“, erzählte der Junge, während er weiter schmutziges Geschirr einsammelte und auf einen Wagen stellte. „Heute hätte er hier eintreffen sollen.“

      Gonther Virlan kam selten in die Akademie. Obwohl Jeremiah fast sein ganzes Leben hier verbracht hatte, war er Gonther Virlan nur wenige Male begegnet. Der Meister war so etwas wie ein König in alten Zeiten: Man weiß, dass er das Land regiert, aber man hat persönlich nichts mit ihm zu tun.

      „Warum hat man uns nicht informiert?“, wunderte sich Wynfried. „Sonst wird doch ein Riesenaufwand getrieben, wenn der Meister erwartet wird. Alle Räume putzen und so weiter.“

      „Weiß nicht. Ist ja auch nur ein Gerücht. Jedenfalls fiel der Unterricht heute aus, das ist doch immerhin etwas. So, ich bin fertig. Bis später.“ Der Junge schob seinen Wagen an ihnen vorbei zur Küchentür.

      Jeremiah und seine Freunde folgten ihm und erbettelten von der Köchin, einer resoluten Russin, einige Fladenbrote und Obst. Damit kehrten sie in ihre Kammern zurück, wo sie über ihre Erlebnisse sprachen. Was bedeutete die merkwürdige magische Aura der Eisenbahn? Sollte sie etwas mit dem Verschwinden von Gonther Virlan zu tun haben?

      Früh am folgenden Morgen hallte dreimaliger Gongschlag durch die Räume und rief alle Bewohner der unterirdischen Akademie in den großen Versammlungssaal. Sembla Walera, der aus dem Kongo stammende Leiter der Akademie, berichtete, was die Jungs schon wussten: dass man den Meister in der vergangenen Nacht erwartet hatte, er jedoch aus unbekannten Gründen nicht kam. Die Magier und Vorleser versuchten, mit vereinten magischen Kräften Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber das gelang nicht.

      „Niemand braucht sich Sorgen zu machen“, fuhr Walera fort und erreichte mit diesem Satz natürlich genau das Gegenteil. „Die Novizen bitte ich, mit ihren Studien fortzufahren oder aber dem Personal bei den üblichen Arbeiten zu helfen. Einige von euch werde ich im Laufe der nächsten Stunden zu mir bitten, um ihnen besondere Aufgaben zuzuweisen. Das wäre für jetzt alles.“

      „Sonderaufgaben?“, nörgelte Wynfried, während sie zurück zu ihren Kammern gingen. „Jetzt kommt doch wieder die übliche Putzerei vor einem Besuch des Meisters. Als Strafe für unseren Ausflug letzte Nacht wird man uns die besonders schmutzigen Ecken ausfegen lassen, wetten?“

      „Wäre nicht das erste Mal. Aber vielleicht ist heute wirklich etwas Besonderes geplant. Bis später!“, sagte Jeremiah, bevor er die Tür seiner Kammer hinter sich schloss.

      Warten war für Jeremiah kein Problem. Ein großer Teil seines Lebens hatte aus Warten bestanden, genauer gesagt, aus Versenkungs- und Konzentrationsübungen. Denn das Erlernen von Gesten und Sprüchen machte aus einem Menschen noch keinen Magier. Dazu war neben Talent auch ständiges geistiges Training erforderlich.

      Jeremiah

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