Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze

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Der Kampf der Balinen - Kathrin-Silvia Kunze

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Nacht hinein. Er hatte schon einige Vorstellungen davon, was dieses Etwas sein könnte. Sie hätten ihn auch nach seiner Meinung fragen sollen! Denn keiner von ihnen hatte es selbst gesehen. Er jedoch war dabei gewesen! Hatte diese Zerstörungskraft gefühlt! Zugegeben, sie kannten ihn ja auch noch nicht richtig, dachte Trismon etwas versöhnlicher. Er zog sich einen weiteren vertrockneten Grashalm ab und begann wieder darauf herumzukauen. Nur deshalb trauten sie ihm noch zu wenig zu. Aber wenigstens mit dem Beschluss des Rates war Trismon zufrieden. Bei der Erinnerung daran, beruhigte er sich wieder vollends und atmete tief durch. Sein Körper entkrampfte sich und der warme Sandstein tat sein Übriges, um die verspannten Muskeln wieder zu lockern. Der Rat von Melan hatte schnell erkannt, dass noch weit mehr Weisheit von Nöten war um dieses Geheimnis zu ergründen. Auch waren alle der Meinung, dass diese Angelegenheit das gesamte Volk der Balinen betraf. „Hiermit rufen wir die Allversammlung aus!“, hatte die Empathin am Ende der Ratssitzung verkündet. „Wir werden Boten in alle Städte aussenden! Sie sollen es überall bekannt geben. Melan ruft zum großen Rat. Zum Rat des Volkes! Zur Allversammlung der Balinen!“ Und sie hatte hinzugefügt: „Dies hat es in der Geschichte unseres Volkes noch nie zuvor gegeben. Doch die Zeichen drängen uns dazu. Das Volk der Balinen muss sich versammeln! Hier in Melan.“ Trismon spürte, dass sich seine Nackenhaare aufgestellt hatten. Und dies lag nicht an dem Wind, der hier oben über ihn hinwegstrich. Trismon war ergriffen von dem Gedanken an die Allversammlung. Und schon beim Morgengrauen sollten die nötigen Vorbereitungen beginnen. Ich sollte wirklich versuchen, noch etwas Schlaf zu finden, dachte er. Damit ich wenigstens morgen dabei etwas nützen kann. Er spannte seine Muskeln an, warf die Beine in die Luft und war mit einem Satz wieder auf den Beinen. Dann jedoch bemerkte Trismon aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Und sofort, noch eher er recht darüber nachdenken musste, duckte er sich instinktiv. Er kauerte auf dem rauen Boden des Kuppeldachs. Seine großen Raubtieraugen durchforschten die nächtliche Stadt. Anders als im hellen Licht des Tages, waren seine schwarzen Pupillen nun nicht enge, schmale Schlitze, sondern rund und voll. Das Licht der Sterne reichte ihm völlig aus, um jede noch so kleine Feinheit in der Beschaffenheit der Stadt zu erkennen. Gebäude, Türen, Fenster. Ihr Material, ihre Muster. Selbst in den beschatteten Ecken und Winkeln. Die sandigen Straßen. Und tatsächlich! Auf einer dieser Straßen, huschten zwei eilige Gestalten. Trismon verengte angestrengt seine Augen, um ihre Gesichter erkennen zu können. Denn sie hatten sich dicke, lange Umhänge aus schwerem Stoff übergeworfen. Und sie waren wirklich sehr schnell unterwegs. Schon sah Trismon sie nur mehr von hinten. Und auch das nur, weil er so hoch oben war. Und nur deshalb konnte er auch noch ein Stück ihres Weges verfolgen. Plötzlich erstarrte Trismon. Was, dachte er, wenn das nun auch etwas mit dem Ratsbeschluss zu tun hat? Womöglich gab es unvorhergesehene Schwierigkeiten, die Allversammlung betreffend? Trismon überlegte nicht länger. Mit waghalsigen, großen Sätzen, sprang und rutschte Trismon in Windeseile das hohe Gebäude hinab. Und als er beim letzten Sprung auf dem Boden aufkommend in die Knie ging, sprang er sofort federnd wieder auf. Trismon atmete tief ein und prüfte den Wind. Und schon hatte er die frische Witterung der zwei Gestalten aufgenommen. Und da sonst niemand auf den Straßen unterwegs war, war es ihm ein Leichtes, dieser Fährte zu folgen. So würde er sich auch in dieser ihm noch unbekannten Stadt zurechtfinden. Trismon machte einen geschmeidigen, großen Sprung nach vorn und verschwand in der Dunkelheit.

      14. Kapitel

      Seline warf sich rücklings auf ihr Bett, dass das Holz nur so knarrte. Ihr offenes, rotes Haar verteilte sich über das weiße, mit Stroh und Kräutern gefüllte Kopfkissen. Was für ein Tag, dachte Seline völlig entnervt und legte ihren rechten Arm über die Augen und vergrub ihr Gesicht in der Armbeuge. Mit dem anderen Arm zog sie sich das lange, weiße Schlafgewand zurecht, damit es auch ihre kalten Füße bedecken konnte, wenn sie die Beine etwas anwinkelte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie wieder, wie Trahil ihr mit einem Tuch lachend die Erde vom Gesicht wischte. Im Moment bin ich scheinbar vom Unglück verfolgt! Das Beste wäre es, ich würde morgen den ganzen Tag im Bett bleiben. Nur um ganz sicher gehen, spottet sie über sich selbst. Sonst werde ich morgen womöglich einmal niesen und schon bricht die Stadt über meinem Kopf zusammen. Seline war wirklich wütend. Denn das war immer noch besser, als langsam aber sicher an der eigenen Ungeschicklichkeit zu verzweifeln. Sie drehte sich ruckartig auf die Seite und zog dabei das Kissen unter ihrem Kopf hervor. Mit Schwung warf sie es sich auf das Gesicht und presste es, einen Arm oben drüber, fest an sich. Und so einigermaßen vor dem Unbill der letzten Tage geschützt, schlief Seline vollkommen ermattet dann endlich auch ein. Doch trotz des sanft lieblichen Duftes der beruhigenden Kräuter in ihrem Kissen, wälzte sie sich im Schlaf wieder unruhig hin und her. Da klopfte es plötzlich an der Tür. Und obschon eher leise und vorsichtig, war Seline trotzdem sofort hellwach und saß Kerzengerade in ihrem Bett. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren. Dann seufzte sie und dachte, fast schon belustigt vor Übermüdung, Resignation, oh du mein neuer, ständiger Begleiter! „Seline?“, erklang fragend eine wohltuend vertraute Stimme, „bist du wach?“ Seline verzog entnervt den Mund und antwortete: „Jetzt schon! Komm rein Tiria. Und erzähle mir, was meine beste Freundin mitten in der Nacht zu mir treibt.“ Seline schwang sich über den Bettrand und setzte sich auf die Kante. Sie vermutete, das Tiria wieder ihre Gedanken über einen gewissen jungen Mann, unbedingt und unverzüglich mit jemandem teilen musste. Doch als Tiria den Raum betrat, musste man kein Empath sein, um zu erkennen, dass es ernstere Dinge waren, die sie mitten in der Nacht hergeführt hatten. Dass es überall dunkel war, störte die beiden Frauen nicht! „Seline.“, sagte Tiria ruhig aber unumwunden. „Du musst sofort kommen. Leela geht es nicht gut!“ „Was?“, fragte Seline erschrocken und sprang vom Bett auf. „Wie kann das sein, so plötzlich?“, fragte sie mehr zu sich selbst und lief zu einer der großen Holztruhen, die am Boden standen. „Sie war doch immer gesund und hat sich gerade in der letzten Zeit kugelrund gefressen!“ Seline nahm sich einen dichten braunen Filzumhang aus der Truhe und warf auch Tiria einen davon zu. „Hier, sonst verkühlst du dich noch in deinem Kleid!“ „Danke Mama!“, sagte Tiria grinsend und schon fühlten sich die beiden Freundinnen ein wenig besser! Und schon war Seline an der Tür und Tiria folgte ihr dicht auf. Die zwei Frauen waren schnell, aber dennoch vollkommen lautlos in all ihren Bewegungen. Noch auf der Treppe warfen sie sich beim Hinauseilen die Filzumhänge um die Schultern. Als sie auf die Straße traten, zog sich Seline den Umhang gegen die Nachtkälte bis über den Kopf und hielt ihn dann mit einer Hand vor der Brust fest. Ein Kopfnicken in Richtung Tiria genügte und die Freundin tat es ihr gleich, wobei sie vielsagend grinste. Nun waren die Frauen bis zur Unkenntlichkeit verhüllt. „Zu den Koppeln?“, fragte Seline knapp und Tiria nickte. Und schon huschten die beiden lautlos und flink durch das Gewirr der Straßen. So dauerte es auch nicht lange, bis sie den südöstlichen Stadtrand erreichten. Schon von weitem sahen sie, dass man auf der großen Koppel, dem Limtaangehege, extra ein großes Feuer angezündet hatte. Vormals eine saftige, grüne Wiesenfläche gewesen, hatten die Tiere im Laufe der Zeit dort alles so stark abgegrast, dass der Boden nur mehr aus feinem, weichen, sandigen Erdreich bestand. Und wie sich später herausstellen sollte, war dem auch gut so. Denn die Erde im Limtaangehege wurde von den Tieren gefressen und verbesserte Verdauung und Wohlbefinden. Aber woran kann Leela dann erkrankt sein, fragte sich Seline besorgt, als sie mit ihrer Freundin auf den Feuerschein zueilte. Ob es an ihrem hohen Alter lag? Seline krampfte sich das Herz zusammen. Dann erkannte sie im flackernden Schein des Feuers den Tierempathen. Er kniete vor Leela. „Lethon!“, rief Seline, erfreut ihn zu sehen. Seline schob sich den Umhang vom Kopf und legte ihn sich wieder um die Schultern. „Kein Anblick wäre mir in diesem dunklen Moment lieber!“, fügte sie hinzu und lies sich mit den Knien in den Sand fallen, direkt neben den Kopf ihrer geliebten Leela. Doch ihre alte Freundin zeigte kaum erkennen, wie sie da so matt im Sand lag. So in Anspruch genommen, ist sie von ihren Schmerzen, durchfuhr es Seline erschrocken. Der Schmerz des alt vertrauten Tieres, war für sie sichtbar, wie ein dunkles, schweres Tuch, das über Leelas Körper schwebte. Lethon nickte Seline nur knapp zu. Seine Aufmerksamkeit galt nun voll und ganz dem Tier. Leelas Schmerzen sind nun die Seinen, verstand Seline sofort, mitfühlend und anerkennend zugleich. Still beobachtete sie abwechselnd den in sich versunkenen Lethon und die schwache Leela. Und auch wenn sie den Tierempathen nicht bei seiner Untersuchung stören wollte, so konnte sie einfach nicht länger an sich halten. Deshalb fragte sie ganz zaghaft, im Flüsterton: „Weißt du

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