Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze
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17. Kapitel
Die Sonne war schon über ihren höchsten Punkt am Himmel gewandert, als Trahil sich endlich auf die Suche nach Trismon begab. In dem Trubel und Durcheinander dieses Morgens, hatte er den wichtigen Gast doch tatsächlich einfach vergessen! Allliebender, womöglich wartete der jetzt immer noch! „Ich werde alt!“, schimpfte Trahil, denn es plagte ihn das schlechte Gewissen. „Huch, da ist er ja, dem Allliebenden sei Dank! Juhu, Trismon!“, rief Trahil und hob die Hand mit dem langen Holzstab, um auf sich aufmerksam zu machen. „Hier drüben bin ich, Trismon!“ Doch Trismon sah ihn nicht und konnte ihn auch nicht hören. Denn er stand in einer großen, lärmenden Ansammlung. Es waren die Boten, die ihre Tiere für den morgigen Aufbruch vorbereiteten. Sie untersuchten die Augen, Nüstern, Muskeln und Krallen ihrer Limtaane, um deren Gesundheitszustand abschätzen zu können. Auch wurde das Fell noch einmal gründlich gereinigt und gebürstet. Krallen wurden geschnitten und auch das Brustgeschirr musste einer letzten Prüfung unterzogen werden. Trahil hatte Mühe, sich durch das Knäuel aus Leibern von Balinen und Tieren hindurchzuzwängen. So voll, hatte er den großen Platz vor dem Ratsgebäude, hier im Zentrum der Stadt, schon lange nicht mehr gesehen! Es war ja kaum durchzukommen! Aber Trahil hatte es fast geschafft, Trismon zu erreichen. Er sah, wie dieser sich angeregt mit jemandem unterhielt. „Hab ich dich endlich gefunden!“, schnaufte Trahil und schob dabei das gewaltige Hinterteil eines Limtaans vorsichtig ein Stück aus seinem Weg. Er lächelte Trismon zu und begann direkt munter drauflos zu erzählen. „Was für ein ereignisreicher Morgen heute, nicht wahr?“ Und ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort. „Das war ein starkes und gutes Zeichen! Die Brannen sind an uns vorbeigestürmt ohne Melan zu schaden. Das bedeutet dem Aufbruch der Boten wird Schnelligkeit und Glück beschieden sein!“ Trismon jedoch blickte skeptisch und antwortete nur knapp: „Ich verstehe nicht viel von solchen Dingen.“ Denn er glaubte nicht an so etwas wie Glück. Er glaubte an die Fügung. An den Weg, den der Allliebend einem zu Füßen legt. Aber vor allem war Trismon ein Mann, der an sich selbst glaubte und der sich auch nur auf sich selbst verlies. Dennoch wollte er Trahil nicht kränken, der ja augenscheinlich ganz begeistert davon war. Also behielt Trismon diese Gedanken für sich. Stattdessen wies er auf den großen Mann neben sich und sagte zu Trahil: „Das hier ist Kallenn. Er wird morgen nach Felia aufbrechen.“ Trahil nickte dem rotäugigen Mann mit den dichten braunen Locken freundlich zu. Er hatte ihn schon öfter gesehen. Einer von den Gebietserkundern, erinnerte sich Trahil und sagte anerkennend: „Felia, die größte Stadt der Balinen und zugleich die wichtigste. Ein anstrengender Weg. Vor allem sehr lang. Du wirst so weit nach Osten reisen, dass du dann schon wieder im Westen bist!“ Kallenn nickte lachend und Trahil fuhr fort: „Damit obliegt dir von all unseren Boten der längste Weg.“ Trismon wurde hellhörig und blickte Trahil neugierig an. Dieser erklärte darauf hin: „Eigentlich senden wir unsere eigenen Boten nur zu den näher gelegenen Städten aus. Von dort aus wird die Nachricht dann durch deren Boten wieder nur bis zur nächsten Stadt getragen und so geht das dann immer weiter. Aber bei Felia ist das etwas anderes. Dort ist seit Generationen der Sitz des Rates der Weisesten aller Balinen. Deshalb haben wir entschieden, die Nachricht ins ferne Felia direkt zu überbringen. Denn von dort erhoffen wir uns auch die meiste Hilfe in dieser Angelegenheit! Trismon klopfte Kallenn anerkennend auf die Schulter und sagte: „Das wird keine Schwierigkeit für dich sein, nicht war Kallenn?! Zumal du ja auch den stärksten und prächtigsten Limtaan reitest, den ich je gesehen hab.“ Bei diesen Worten deutet Trismon auf ein großes, schwarzes Tier, das neben ihnen an einen Brunnenpfeiler gebunden war und sagte nur: „Kroo“ Trahil war seinem Fingerzeig gefolgt und rief staunend aus: „Aber ist das nicht -?!“ „Ja!“, viel Trismon ihm bestätigend ins Wort, „Das ist das Tier, welches mit seiner Schnelligkeit das Leben der Kinder gerettet hat!“ „Die Schnelligkeit Kroos und die Beherztheit der erwählten Empathin!“, verbesserte Kallenn ihn und tiefe Bewunderung schwang in seiner Stimme mit. Und Trahil strahlte ihn an und nickte zustimmend. Nur Trismon schwieg abweisend, angesichts der einvernehmlichen Begeisterung der zwei Männer. Und entsetzt hörte er sich plötzlich sagen: „Ja, es hat auch Vorteile, wenn man handelt ohne zu denken. Auf jeden Fall spart man dabei Zeit!“ Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille. Doch Trahil und Kallenn waren offenbar zu guter Laune, um etwas darauf zu erwidern. „Komm Trismon!“, sagte Trahil stattdessen fröhlich. „Ich zeige dir jetzt etwas von Melan, der Roten! Wir halten uns dabei besser zuerst an den nördlichen Teil.“ Er nickte Kallenn zum Abschied freundlich zu und wandte sich bereits zum Gehen. Dabei fuhr er fort: „Denn im Süden der Stadt sind sie noch mit Aufräumarbeiten wegen der Erschütterungen beschäftigt.“ Trahil war in dem dichten Gedränge noch nicht weit gekommen, da hielt ihn Trismon plötzlich an der Schulter zurück. Der alte Mann drehte sich verwundert um. „Trahil, bitte warte einen Moment.“, begann Trismon etwas umständlich. „Ich muss mit dir reden.“ Dabei blickte er kurz zu Boden. Dann jedoch fasste er den Mut, seiner inneren Stimme zu folgen und blickte Trahil in die Augen, als er frei heraus sagte: „Ich will auch etwas tun können! Lass mich helfen. Neminn ist für sein Alter noch stark und schnell. Also, kurz gesagt, ich möchte mich dem Trupp der Boten anschließen.“ Es entstand ein Moment des Schweigens, den Trismon als sehr unangenehm empfand. Dabei war der Blick des Alten unergründlich. Schon fürchtete Trismon, dass man ihm diesen Wunsch verweigern würde. Dann müsste er vermutlich auf eigene Faust etwas unternehmen. Denn einfach nur warten war seine Sache nicht! Doch da lächelte Trahil und sagte: „Das hatte ich mir auch schon fast gedacht, denn so würde ich dich auch einschätzen!“ Und kurzer hand befahl er: „Komm mit mir!“ Trahil änderte die von ihm eingeschlagene Richtung. Nun wollte er nicht mehr hinaus aus dem Getümmel, sondern mitten hinein. Trismon folgte ihm dicht auf. Die beiden wühlten sich regelrecht durch die Leiber von Balinen und Limtaanen. „Wo willst du eigentlich hin?“, rief Trismon neugierig hinter Trahil her und zwängte sich dabei vorsichtig zwischen zwei großen, langen Limtaanköpfen hindurch. „Ich vermute, dass wir sie genau in der Mitte dieses Gedränges finden werden.“, antwortete Trahil über seine Schulter hinweg nach hinten. „Und da ist sie auch schon!“, freute sich Trahil. Er blieb stehen und deutete auf eine große Frau, die dort seelenruhig mitten im Gewirr stand. Dann setzte er seinen Weg fort und erklärte: „Das ist Gleah. Sie ist unser bester Gebietserkunder. Und ihr obliegt es, die Boten ihren Zielorten zuzuteilen. Du weißt schon“, plauderte er aufgeräumt vor sich hin, „entsprechend ihrer Fähigkeiten und der Schwere des zu bewältigenden Geländes.“ Verschwörerisch drehte er sich kurz zu Trismon um und sagte mit gedämpfter Stimme: „Die schwersten und gefährlichsten Strecken wählt sie dabei immer für sich selbst. Da ist sie etwas eigen.“ Trismon hob verwundert die Augenbrauen. Denn die Frau auf die sie zuhielten und die sie nun fast schon erreicht hatten, sah beileibe so hart im Nehmen nicht aus. Gut, sie war groß gewachsen. Aber sie schien auch schon etwas älter zu sein. In ihrem langen, schwarzen Haar, dass zu einem strengen, offenen Zopf nach hinten gebunden war, verlief eine dicke weiße Strähne. So wie der erste Frost im Herbst den Erdboden streift, dachte Trismon. Er sah, dass sie mit ihrem Reittier beschäftigt war, aber gleichzeitig den Umstehenden Anweisungen erteilte. Und um sie herum war in diesem dichten Gedränge erstaunlicherweise der Platz frei geblieben. Die Frau schien gespürt zu haben, dass sie beobachtet wurde. Denn sie hob den Kopf und ihr Blick traf zielsicher den von Trismon. „Gleah!“, rief Trahil in diesem Moment und erhob die Hand zum Gruß. Das harte, ernste Gesicht der Frau verwandelte sich schlagartig in Leben sprühende, weiche Freude. Sie hob die Hand und rief spöttisch: „Trahil! Kommst du, um zu sehen, ob ich meine Arbeit auch richtig mache?!“ „Aber Gleah“, tadelte Trahil sie. „Wo denkst du hin, meine Liebe.“ Er blieb vor ihr stehen und erklärte: „Ganz im Gegenteil. Ich brauche deine Hilfe. Das hier ist Trismon, ein Freund.“, Trahil deutete auf Trismon, der etwas abseits stand, um nicht aufdringlich zu wirken. Gleah nickte zur Begrüßung nur knapp und wand sich dann wieder Trahil zu, mit der Frage: „Und was kann ich für dich tun?“ „Hast du schon genug Boten für morgen zusammen?“, fragte Trahil neugierig. Gleah grinste breit und entblößte dabei eine beachtliche Menge ziemlich spitzer und blendend weißer Zähne. „Mehr als genug Freiwillige haben sich für diese Aufgabe gemeldet! Alle wollen sie dabei sein. Doch ich suche mir davon nur die besten Reiter und die erfahrensten Gebietserkunder aus. Man sah ihr an, wie sehr sie sich auf diese Unternehmung freute und konnte sie schon fast wohlig