Empty Souls. Lena Clostermann

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Empty Souls - Lena Clostermann Empty Souls

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      Kapitel EINS

       Kalt.

       Es ist zu kalt. Zu kalt, um den Versuch zu wagen, sich zu bewegen. Zu kalt, um zu sprechen. Es ist so kalt, dass man glaubt, in sich selbst gefangen zu sein, und dass einen die Angst übermannt, zu sterben. Alles fühlt sich weit weg und wie durch Watte an – so unecht.

      Mein Name ist Ava Chaplin und meine Welt wird nie wieder sein wie zuvor. Ich hatte ein Leben voller Gefühle und Freiheiten, Menschen, die ich liebte und die ich beschützen wollte. Und genau diese habe ich alle verloren. Ich konnte sie nicht schützen. Ich war zu hilflos, zu unwissend, zu klein. Als ich vierzehn war, verlor ich meine Eltern. Sie wurden ermordet – direkt vor meinen Augen. Mein älterer Bruder verschwand spurlos. Wie alle Kinder kam ich in die Einheit. Damals wussten wir nicht, weshalb. Wir wussten nur, dass es der sicherste Platz für uns war.

      Sie sagten, dass viele Menschen von einer neuen Art Virus befallen seien und dieser unter allen Umständen vernichtet werden müsse, damit er sich nicht noch weiter ausbreitet. Sie sagten, diese Menschen seien leere Hüllen ohne jegliche Emotion, Erinnerung oder Wahrnehmung. Sie sagten, wir würden in der Einheit ausgebildet, um gegen diese Gefahr vorzugehen. Mehr vertrauten sie uns nicht an, aber das muss nicht heißen, dass es der Wahrheit entsprach.

      Ich jedenfalls zweifelte daran. Und ich behielt recht. Vieles, was sie sagten, war gelogen.

      Es ist kein Virus, sondern ein Mittel, das entwickelt wurde, um Gefühle und Erinnerungen auszulöschen. Sie haben uns allen diesen Stoff injiziert – außer mir. Mich haben sie übersehen oder gedacht, ich hätte ihn bereits bekommen. Ob man das Glück nennen kann? Ich weiß es nicht. Ich glaube, das Schlimmste an der Situation ist, dass wir nicht wissen, was eigentlich passiert ist. Wir wissen rein gar nichts. Ob es aus politischen Gründen geschah oder um wirklich Krieg zu führen?

      Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hinter den Mauern dieser Einheit eigentlich los ist. Als ich in die Einheit kam, haben sie uns gesagt, dass alle, die höchstens einundzwanzig Jahre alt sind, injiziert und ausgebildet würden. Alle, die älter sind, würden von Hüllen getötet. Ich habe es geschafft, zwei Jahre lang zu verbergen, dass ich nicht injiziert wurde. Ich frage mich noch heute, wie ich es bis jetzt schaffen konnte.

      Ich bin nicht sonderlich religiös, doch egal, welchen Grund es gibt, ich bin unendlich dankbar, dass es mir erspart blieb. Ich sehe jeden Tag, was es mit den Menschen macht. Es ist grauenhaft. Wieso musste die Intelligenz der Menschen so was Entsetzliches erschaffen?

       Ich frage mich jeden begonnenen Tag, wo meine Reise wohl hingeht und wo sie enden wird. Doch mir wird immer wieder bewusst, dass ich es bin, allein ich, die es entscheiden kann – die es entscheiden wird.

      Jetzt bin ich sechzehn, und die Ereignisse vor zwei Jahren haben mich erwachsener werden lassen. Ich habe mir relativ schnell angewöhnt, meine Gefühle wegzusperren und nicht rauszulassen. Ansonsten hätte ich nicht die geringste Chance gehabt und stünde nicht da, wo ich jetzt stehe. An dem Tag, als ich sah, was sie den Menschen antun, habe ich meine Mauer errichtet – tief in mir verborgen. Niemand kommt hindurch. Meine Mauer steht. Aber was vor zwei Jahren geschah, werde ich nie vergessen. Wie könnte ich? Diese Menschheit ist egoistisch und grausam.

      Aber es gibt weitere Personen, die das Mittel nicht bekommen haben. Sie werden die Wachen genannt. Wach, weil wir nicht von diesem Stoff benebelt sind. Es gibt Gerüchte, dass es draußen in den Wäldern Gruppen von Wachen geben soll – Rebellen. Nur die besten Soldaten dürfen auf einen Einsatz in die Wälder, um dort die Wachen einzusammeln oder zu töten. Es gibt nur diese eine Möglichkeit für mich, hier rauszukommen.

       2 Jahre

       24 Monate

       730 Tage

       17520 Stunden

      So lange bin ich schon hier. Jahre voller verstecktem Schmerz, Unterdrückung und grausamer Übungen. Jeden Tag. Es wird Zeit, dass ich hier rauskomme. Ich sehne mich so sehr, irgendetwas zu fühlen, dass ich beinahe daran zerbreche. Doch ich kann es mir nicht erlauben – noch nicht. Ich werde hier rauskommen, denn ich bin eine der Besten hier. Das habe ich jedem schrecklichen Tag zu verdanken. Alle hier sind Psychopaten. Sie fühlen nichts, können sich an nichts erinnern. Seit zwei Jahren spiele ich dieses Spiel mit. Ich bin aus Eis, gebe vor, nichts zu fühlen. Doch ich bin wach. Wach.

      Kapitel ZWEI

      Ich schlage die Augen auf und weiß bereits, dass es Morgen ist. Ich wache jeden Tag noch vor der Sirene auf – diesem Ton, der mir innerlich immer noch eiskalt den Rücken herunterläuft. Ich bleibe jeden Morgen still liegen und starre die mir so bekannte leblose Decke an. Sie scheint genauso einsam zu sein wie ich.

      Wir schlafen in riesigen Lagerhallen mit Dutzenden Abtrennungen. Die Decken sind weit oben, und es erinnert eher an Hallen für Vieh. Ich habe mir nie richtig ein Gefängnis vorstellen können, doch ich kann mir vorstellen, dass es hier weitaus schlimmer sein muss als dort. Jeder hat hier seine eigene Pritsche, die unbequem ist, doch wenn der Tag sich neigt, ist man ziemlich froh darüber und will nur noch in den Schlaf flüchten.

      Es gibt noch Hoffnung, flüstere ich mir immer wieder selbst zu, denn wenn ich keine Hoffnung mehr hätte, wäre ich kein Stück besser als diese leeren Hüllen. Denen wurde es verboten zu hoffen. Ich glaube, die sind nicht in der Lage zu hoffen. Das ist ein kleines, bedeutendes Stück davon, was der Menschheit genommen wurde.

      In meinen Ohren rauschen die unangenehmen, piepsigen und lauten Töne, und mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich explodieren. Alles in mir spannt sich an, und mir wird wieder klar, in welcher Welt ich nun lebe.

      Es ist nicht nur ein schlimmer Traum oder irgendein Film, der bald enden wird, auch kein Buch, in dem ich mich verloren habe. Nein, es ist die pure Realität.

      »E0225, steh auf und zieh dich endlich an«, sagt der Junge neben mir, der in meinem Abschnitt ist. Er ist vor einem halben Jahr hier angekommen, sieht ziemlich ungepflegt aus und ist unbegabt, was das Kämpfen angeht. Sogar der Jüngste von unserem Abschnitt kann ihn übertrumpfen. Wie er heißt, weiß ich nicht. Ich kenne keinen einzigen Namen, nur unsere Nummern kenne ich, die Nummern, die sie uns gegeben haben, als wir hierhergekommen sind. Somit haben sie uns alles weggenommen. Sie behandeln uns wie Objekte. Sie sind Objekte.

      Ein Abschnitt hat jeweils um die zehn Leute, aber ich weiß noch immer nicht, wie viele Abschnitte es insgesamt in dieser Einheit gibt. Obwohl ich schon lang genug hier bin, kann ich nicht einmal erahnen, wie viele Personen hier sind. Doch ich weiß, dass es eine beachtliche Menge sein muss.

      »Meines Wissens dürfte es dich nicht interessieren, was ich mache, E0998«, sage ich mit kräftiger Stimme und ohne einen Hauch von Emotion. Nur so kann ich überleben.

      Er nickt ab und dreht sich um, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, ohne einen Einwand, ohne Rechtfertigung, ohne Emotion. Da ist einfach nichts.

      Tatsächlich ist es ziemlich ernüchternd, keine Reaktion von jemandem zu bekommen, doch man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Wir werden hier nach Alter geordnet, die Kleinsten gehören zum Sektor A und die Größten im Alter von zwanzig zum Sektor F. Wenn man den Sektor F erreicht hat, wird man als Soldat eingesetzt oder bekommt andere Aufgaben, was für welche, ist uns allerdings nicht bekannt. Ich gehöre noch zum Sektor E, die Jüngsten sind hier sechzehn Jahre alt,

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