Empty Souls. Lena Clostermann

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Empty Souls - Lena Clostermann Empty Souls

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ist mein Stichwort. Ich nehme Anlauf, drehe die Hüfte, um mehr Schwung zu bekommen, und versetze ihm einen Hieb in die Seite. Zugleich will ich ihm den Ellenbogen in die Schläfe rammen, nur hat er den, bevor ich das tun kann, im Griff und wirft mich wie eine Puppe gegen die Wand. Es geht zu schnell. Ich stürze zu Boden und merke, dass die Wucht noch auf mir lastet.

      Ich stehe auf, als ob nichts wäre. Brennender Schmerz. Die Mauer, Ava, stell dir deine Mauer bildlich vor. Ich trete wieder zu ihm und diesmal täusche ich an. Dann versuche ich, seine Beine wegzutreten. Es gelingt mir, und im nächsten Moment sitze ich auf ihm und schlage ihm ins Gesicht, wieder, wieder und wieder.

      Ich sehe Ausschnitte von meinem früheren Leben. Wie normal alles früher schien. Bruchstücke von Bildern, die ich mit aller Kraft zurückzudrängen versuche. Es ist wie in einem Rausch. Ich zeige beinahe meine Wut und Verzweiflung.

      Er fängt meine Faust ab, dreht meinen Arm schmerzhaft um. Ich weiß, ich werde gleich in der Falle sitzen, versuche mich zu drehen, ihn irgendwo zu treffen, und doch sitzt er im nächsten Augenblick auf mir.

      Verdammt! Ich kann mich nicht befreien. Ich schaue auf. Er blutet heftig an Lippe und Nase. Das war ich. Ich war das! Mein ganzer Körper brennt. Ich bin dazu gezwungen, das Brennen und Stechen zuzulassen. Etwas anderes bleibt mir nicht übrig.

      Er hebt die Faust, und es geht wie in Zeitlupe. Ich spüre den Aufprall, spüre den entsetzlichen Schmerz, und mir bleibt die Luft weg. Ich kann nicht einmal einen Ton von mir geben. Ich weiß, dass meine Augen vor Schmerzen tränen. Meine Augen sind weit offen – ein Fehler. Ein verdammt großer Fehler.

      Er schaut gerade hinein. Ich weiß nicht, ob er den Schmerz in meinen Augen sieht, aber er ist abgelenkt. Ich zittere, und meine Brust schnürt sich unmittelbar zu. Ich schaue ihm in die Augen, was ich sofort bereue, aber ich sehe etwas in seinen dunkelgrünen Augen. Ich muss sofort den Blick abwenden, doch ich kann nicht. Diese Augen …

      Mir wird gerade bewusst, dass er immer noch auf mir sitzt und mich anstarrt. Als ich jetzt endlich meinen Blick von ihm löse und wieder die Kontrolle gewinne, …

      »Stopp!«, schreit G40. Alle schauen sich zu ihm um und hören auf zu kämpfen. »Soldaten, essen gehen! Und danach kommt der theoretische Teil.«

      Ohne meinen Schützling eines Blickes zu würdigen, gehe ich mit den anderen vom Abschnitt zur Mensa. Ich weiß, er müsste etwas in meinen Augen gesehen haben, doch vielleicht habe ich Glück und täusche mich. Mein Kopf schmerzt sehr. Ein eisiger Wind wallt gerade durch mich hindurch und mich fröstelt.

      Der Weg dauert ungefähr zehn Minuten. Zehn Minuten voller Schweigen. Zehn Minuten im Wind des aufziehenden Gewitters. Bald wird auch dieser Tag zu Ende gehen.

      Nachdem wir gegessen und uns den Rest des Tages der Theorie gewidmet haben, liegen wir jetzt endlich alle in unseren Feldbetten. Mit dem durchdringenden Piepton gehen die Lichter aus. Es ist dreiundzwanzig Uhr. Eine weitere schreckliche Nacht steht an.

      Nun habe ich entsetzliche Schmerzen.

      Kapitel FÜNF

       Manchmal denke ich darüber nach, wieso man der Menschheit so etwas antut. Es gibt zu viele Fragen und ich kenne keine einzige Antwort.

       Es muss einen Grund geben, einen Grund, weshalb sie das alles machen. Mir wurde alles genommen, meine Familie, meine Freunde, meine Art zu leben, meine Kindheit. Seit zwei Jahren werde ich jeden Tag ein bisschen mehr zu einem unmenschlichen Soldaten. Von außen scheint es auf jeden Fall so, doch ganz tief in mir ist immer noch etwas, das dagegen ankämpft, etwas, das mich fühlen lässt, etwas, das mich am Leben erhält – und darauf kommt es an: aufs Überleben.

       Mein Bruder sagte früher immer: Wer auch nur ein Fünkchen Hoffnung in sich trägt, wird immer, immer gewinnen. Mir ist nicht viel geblieben, doch ich habe meine Erinnerungen, und die wird mir niemand nehmen können. Ich werde aus der Einheit herauskommen. Ich werde überleben und Antworten auf die unendlichen Fragen bekommen, denn das bin ich mir schuldig, weil ich Hoffnung in mir trage.

      Der Tagesablauf hier ist simpel. Aufstehen müssen wir um 5:30 Uhr, wenn die Sirene aufheult, abends um 23.00 Uhr gehen die Lichter aus. Das ist die schlimmste Zeit. Es ist still – zu still. Man kann sich mit nichts beschäftigen. Die Gedanken können nur so über dich herfallen, und es herrscht eine tiefste Dunkelheit.

      Hier ist es egal, wie alt jemand ist. Alle werden gleich rangenommen. Zu Anfang war ich sehr schlecht im Training, doch ich merkte bald, dass ich nur eine Chance habe, wenn ich besser als alle anderen werde, was ich letztendlich geschafft habe. Ich muss von außen so wirken, als wäre ich noch weitaus kälter als die leblosen Hüllen. Das Training hat mich abgehärtet. Ich habe es beinahe geschafft, doch jetzt habe ich ein Problem: meinen Schützling. Ich habe noch nie so viel mit jemandem von denen zu tun gehabt, doch irgendetwas in mir sagt, dass er anders ist, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein, weil ich mich so sehr danach sehne. Ja, ich sehne mich nach Menschlichkeit. So sehr.

      Ich versuche, mir einzureden, dass es nur Menschen sind, doch alles, was jemals menschlich an ihnen war, ist weg. Sie ist wie eine neue Spezies, und ich weiß verdammt noch mal nicht, wozu sie fähig sind.

      Seit dem Tag, als ich meinen Schützling bekommen habe, ist eine Woche vergangen. Die Nervosität will sich nicht legen. In seiner Nähe spielen meine Gefühle verrückt. Sie zu unterdrücken, tut mir nicht gut. Was genau das für Gefühle sind, ob gute oder schlechte, kann ich nicht definieren. Das bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Ich weiß nur, dass sie versuchen, einen Weg um die Mauer zu finden. Einen Weg, um mich selbst neu zu erschaffen.

      Mal wieder bin ich allein mit ihm. Wir sind in einer kleinen Schießhalle mit gerade mal drei Zielen. Ich stehe vor einem Tisch und reinige meine Waffe, und er steht mir gegenüber und macht dasselbe. Ich habe das schon Dutzende Male gemacht, die Waffe auseinander- und wieder zusammengebaut. Ich schiele ab und zu rüber, und es sieht so aus, als hätte er dieselbe Routine wie ich.

      Auch wenn ich ihn nicht direkt anschaue, weiß ich, dass er mich ansieht. Er soll mich nicht ansehen, aber dennoch spüre ich den durchgehenden Blick auf mir.

      »Ich bin fertig«, sagt er.

      Ich blicke auf seine Waffe und schaue dann ihn an, frage mich, wieso er es so gut beherrscht. Ich frage mich, wieso er mich so nervös macht. Verdammt, er ist nur ein Junge!

      »Willst du nichts dazu sagen?«, fragt er.

      »Nein. Du weißt, dass es richtig ist«, antworte ich und mache wieder den Fehler, ihn direkt anzuschauen. Verdammt!

      Unsere Blicke treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde, aber ich schaue weg, bevor er irgendetwas darin entdecken kann.

      »E0225? Wie lange bist du schon in der Einheit?«

      Mich überrascht diese plötzliche Frage. Ob es ihn tatsächlich interessiert? »Ungefähr zwei Jahre«, antworte ich.

      »Ungefähr?«

      Ich schaue zu Boden. »Ja, ich habe irgendwann aufgehört, genau zu zählen.« Damit drehe ich mich um und verlasse den Raum.

      Ich kann nicht länger in seiner Nähe sein. Ein Gedanke beißt sich in meinem Kopf fest und lässt mich nicht los. Er könnte wach sein – oder ich täusche mich und er ist es nicht. Ich darf kein Risiko eingehen, und ich darf mich nicht

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