Was zu beweisen wäre. Jürgen Heller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Was zu beweisen wäre - Jürgen Heller страница 13
"Gut Carla, tu was du tun musst aber eine Frage hätte ich noch: hat dein Vater eine Auffälligkeit an der linken Hand, irgendein besonderes Kennzeichen?"
"Nein. Mein Vater hat ein besonderes Kennzeichen an der rechten Hand, ihm fehlen am kleinen Finger die letzten beiden Glieder. Das habe ich der Polizei auch mitgeteilt!"
Sie dreht sich abrupt um und verlässt das Hotel durch den Ausgang zu den Parkplätzen.
13
Es ist inzwischen nach 12:00 Uhr und Bruno ist der Appetit vergangen. Trotzdem setzt er sich in den "Alten Jager" und bestellt sich ein Bier und ein Wiener Schnitzel. Einmal im Urlaub muss er Wiener Schnitzel haben, möglichst mit Kartoffelsalat und nicht diesen langweiligen Pommes. Der Kellner bringt ihm das Bier und Bruno nimmt einen kräftigen Schluck. Dann lässt er sich alles nochmals durch den Kopf gehen.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass mein neuer Freund, Diplom-Bergretter Hermann, Recht hat. Carlas Eltern waren nicht auf dem Gletscher und sind somit auch nicht dort verunglückt. Da kann der Hauptmann oder Kommissar, wie auch immer, so entgegenkommend sein wie er will. Nie werdet Ihr dort oben jemanden finden! Aber das mit dem halben Finger, das ist doch endlich mal ein Hinweis. Rechts oder links, ist doch scheißegal. Dann hat sich der Busfahrer eben geirrt - oder? Da kommt mir ein sehr detektivischer Gedanke. Der Roman Gleyer hat die Fahrgäste bestimmt im Rückspiegel beobachtet, deshalb seitenverkehrt. Mist, dass ich mein Handy nicht dabei habe, sonst könnte ich ihn gleich fragen.
Das Schnitzel ist ein Gedicht. Es ist eindeutig in der Pfanne gebraten, in sehr viel Fett und deshalb so schön goldgelb und kross. Da braucht er noch ein Bier, ein kleines. Auch der Kartoffelsalat schafft den Spagat zwischen zu viel und zu wenig Säure und die Kartoffeln selber schmecken hier sowieso immer besser als zu Hause in Berlin. Er genehmigt sich zum Abschluss noch einen Großen Braunen. Dann zahlt er, gibt ein großzügiges Trinkgeld und verlässt gegen 13:30 Uhr den "Alten Jager." Er überlegt, wie er den Nachmittag sinnvoll verbringen könnte.
Vielleicht solltest du mal auf 's Zimmer und dein Handy holen.
Er setzt sich in seinen Subaru und stellt fest, dass er tanken muss. Nun gut, er kommt ja direkt an der Tankstelle vorbei. Vor ihm steht nur ein Wagen, ein alter Allrad-Toyota. Der Fahrer ist scheinbar gerade zum Bezahlen. Bruno überlegt, ob er sich auf der anderen Seite anstellen soll, da erscheint der Toyotafahrer. Er hat ihn gleich erkannt, Hermann Gleyer.
"Hallo Bruno, so schnell sieht man sich wieder. Wir haben übrigens die Suche da oben eingestellt. Hast du meinen Cousin getroffen?"
"Ja, er hat mich überzeugt mit dem, was er gesehen hat. Ich glaube auch nicht mehr, dass die Beiden auf dem Gletscher sind. Die Frage ist nur, wo sind sie dann?"
"Hast du schon gegessen? Ich habe jetzt Pause und könnte etwas vertragen. Da könnten wir uns weiter unterhalten"
Bruno ist einverstanden und sie verabreden sich im "Alten Jager", gleich gegenüber. Nach ein paar Minuten und 54 Litern Superbenzin sitzt Bruno wieder am gleichen Platz, wie vorhin. Hermann hat inzwischen bestellt, für Bruno nur ein Mineralwasser, wie besprochen. Hermann beginnt die Unterhaltung.
"Gehen wir einmal davon aus, dass das Ehepaar Weißensee wandern wollte. Also, zumindest sind sie ja in Richtung Gletscher gestartet und waren laut Leni, vom Monte Cristallo, auch entsprechend ausgestattet, sowohl Kleidung als auch Rucksack. Das Wetter war ideal und sie waren früh oben an der Talstation. Was hat sie nun bewogen, den Plan zu ändern? Es muss etwas Wichtiges und Verlockendes gewesen sein, etwas was beide mehr reizte, als eine Wanderung am Gletscher bei Kaiserwetter."
Bruno nippte lustlos an seinem Wasser.
"Also wenn das mit dem anderen unbekannten Typen stimmt, wovon ich mal ausgehe, dann muss er sie ja irgendwie erreicht haben, nachdem sie schon unterwegs waren. Bleibt eigentlich nur ein Mobiltelefon. Ich weiß von Carla, dass ihr Vater immer sein Handy dabei hat, schon aus Sicherheitsgründen. Das wiederum bedeutet, dass der große Unbekannte die Handynummer kannte, bzw. sie sich besorgt haben muss. Aber woher?"
"Denk nur laut weiter, ich esse inzwischen mein Schnitzel."
"Naja, ich müsste Carla fragen, ob sie sich erklären kann, wie ein Fremder an diese Nummer gekommen ist. Außerdem spricht einiges dafür, dass die Drei sich kannten oder besser gesagt kennen. Noch gehe ich davon aus, dass sie am Leben sind. Denke nur an die vertraute Begrüßung, die dein Cousin Roman beobachtet hat. Vielleicht kennen die sich ja wirklich schon lange und gut, so dass jeder auch von dem anderen die Kontaktdaten hatte. "
Hermann legt Messer und Gabel kurz zur Seite und nimmt einen kleinen Schluck von seiner Cola.
"Vergiss nicht, dass der andere auch mit Wanderkleidung und Rucksack ausgestattet war. Vielleicht waren sie auch von Anfang an woanders verabredet und die beiden haben das nur verschwitzt. Meistens sind die Busse zum Gletscher am Morgen so voll, dass sie vielleicht nicht rechtzeitig aussteigen konnten oder sie kannten sich mit dem Fahrplan aus und wussten ganz genau, dass es keinen Sinn macht, vorher auszusteigen. So saßen sie wenigstens warm und würden bequem den Rückbus an der Endhalte erreichen."
"Wie auch immer, Hermann, wir werden es vielleicht nie genau erfahren, aber Fakt ist für mich, dass wir woanders suchen müssen. Und da stellt sich die Frage, wo? Ich mache es mal ganz einfach, die Bushaltestelle an der Tankstelle ist die, wo auch alle aussteigen, die zur Elfergondel wollen. Also besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie dort hochgefahren sind. Dann müsste sie jemand gesehen haben. Ich werde es auf jeden Fall versuchen, mir fällt sonst nichts Besseres ein."
"OK, das ist immerhin eine Chance. Ich habe nachher noch eine Lagebesprechung und werde die neuesten Erkenntnisse einbringen. Auf keinen Fall können wir mit so hohem Aufwand an Ressourcen weitersuchen, wenn wir keinen konkreten Hinweis haben. Das kann ich nicht verantworten. Den Hubschrauber haben die Innsbrucker vorhin auch wieder abgezogen. Bruno, wir hören von einander."
Bruno steckt die Karte von Hermann Gleyer in sein Portmonee und gibt ihm dafür eine etwas verbogene Karte seines ehemaligen Ingenieurbüros.
"Nur die Handynummer stimmt. Alles andere kannst du vergessen."
Er steigt in seinen Wagen und fährt den kurzen Weg zurück, an der Bergwacht vorbei, bis zum Parkplatz an der Elfer Talstation. Es ist inzwischen nach 14:30 Uhr und von daher kein Problem einen Platz für sein Auto zu finden. Er geht zur Kasse und befragt den jungen Mann hinter der Scheibe. Dann kauft er ein Ticket Berg- und Talfahrt. Beim Einstieg stehen zwei Angestellte der Gondelbahn, die er auch anspricht. Keiner von denen hat auch nur eine Ahnung von drei älteren Wanderern, von denen ein Mann an einer Hand einen verkürzten kleinen Finger hat. Auf der Fahrt nach oben versucht er, auf andere Gedanken zu kommen. Er versucht, sich eine zärtliche Situation mit Carla vorzustellen, es misslingt.
So kenne ich sie überhaupt nicht. Gut, es ist nicht leicht für sie. Immerhin kann es sein, dass ihre Eltern nicht mehr leben. Ich weiß nicht, wie ich mich in dieser Lage verhalten würde. Mein Vater ist lange tot und richtig intensiv getrauert habe ich nicht, wenn ich ehrlich bin. Obwohl ich meinen Vater sehr geliebt habe, bestand doch seit vielen Jahren ein gewisser Abstand. Anette hat viel länger gelitten, als der Vater starb. Vielleicht ist das ja auch geschlechtsspezifisch. Auf jeden Fall werde ich um Carla kämpfen, wenn die Zeiten wieder normal sind.
Die