Was zu beweisen wäre. Jürgen Heller
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"Grüß dich Hans, lass dir Zeit, die Flasche ist noch fast voll."
Der Geruch verrät eindeutig, wo Hans gerade herkommt. Bruno stört es nicht, er weiß aber, dass Anna nicht so begeistert ist, wenn das Haus nach Kuhstall riecht. Sie scheint übrigens in der Küche zu sein, zumindest glaubt er, ihre Stimmen zu hören. Ihm kommt wieder dieser Busfahrer in den Sinn. Wie kann er durch geschicktes Fragen herausbekommen, ob der wirklich die zwei Vermissten zurück in den Ort gefahren hat. Und wer war der ominöse Begleiter? Womöglich waren es ganz andere Leute. Bruno verfügt ja nicht mal über Fotos von Carlas Eltern, er muss also anders vorgehen. Schließlich will er keinem Phantom nachjagen.
"Hans ist noch unter der Dusche, du musst derweil mit mir vorlieb nehmen."
Er hat gar nicht bemerkt, dass Anna eingetreten ist. Sie hat ein kurzes schwarzes Kleid an, hochgeschlossen aber wie eine zweite Haut, dazu passend schwarze Strümpfe und schwarze Pumps. Er kennt nicht viele Frauen, die so etwas tragen können. Alles sehr dezent, aber für Bruno, man kann sagen: Erotik pur.
Na das ist dir ja mal wieder gelungen...
"Jetzt habe ich doch tatsächlich vergessen, dass wir verabredet sind. Da muss ich mich ja noch schnell umziehen."
Sie lacht über seine Bemerkung, nimmt ein Glas aus dem Regal und setzt sich neben ihn.
"Ich weiß nicht, mit wem du verabredet bist, mit mir jedenfalls nicht. Du kannst mir aber einschenken. Bitte nur ein halbes Glas, ich muss noch fahren. Wir haben heute Frauenabend."
"Frauenabend, Samstag nacht? Wer ist denn eure Zielgruppe? Wenn die alle so aussehen wie du, bringt Ihr ja den ganzen Ort durcheinander. Kannst du mir nicht einen Tipp geben, wo ich euch finde?"
"Wir reden nur über Männer und nicht mit Männern, sonst wäre es ja kein Frauenabend."
Sie schlägt lässig die Beine übereinander. Das sieht natürlich auch nicht schlecht aus.
Nichts anmerken lassen Bruno!
"Da möchte ich mal Mäuschen sein, schon aus rein optischen Gründen, wenn die schönsten Frauen von Neustift unterwegs sind."
"Das fehlte noch. Nicht mal unsere eigenen Männer dürfen auch nur in die Nähe kommen. Du stehst doch auch mehr auf Dirndl."
Mit einem hellen Lachen steht sie auf, stellt das leere Glas auf den Platz vor der Durchreiche zur Küche. Bruno genießt den Anblick.
"Ich wünsche euch einen schönen Abend und viel Spaß, Anna. Und wenn ihr mich braucht, Anruf genügt."
Ihr Lächeln ist so ein Ding zwischen zauberhaft und ein wenig Provokation.
"Ihr könnt euch doch auch einen schönen Abend machen, so unter Männern. Hans weiß, wo der Wein steht. Ciao Bruno, bis morgen."
"Tschüss Anna, bis morgen."
Wie auf Kommando erscheint Hans. Sie haben sich seit dem Weihnachtsurlaub nicht mehr gesehen und entsprechend viel zu erzählen. Hans ist immer sehr an Brunos Fotokenntnissen interessiert. Er ist zwar wesentlich besser ausgestattet als der, hat aber nicht die Erfahrung. So haben sie ein unendliches Thema, da würden Frauen nur stören. In dieser einen Stunde leeren sie auch die Flasche Chianti Riserva.
"Warte Bruno, ich hole uns noch einen guten von drüben. Da habe ich noch einige Besonderheiten."
Nach kurzer Zeit ist Hans zurück und hat einen seiner Schätze mitgebracht. Es ist ein Sangiovese, Jahrgang 2003, den mal ein Urlauber aus der Toscana mitgebracht hat. Sie stoßen mit neuen Gläsern an und stellen übereinstimmend fest, den kann man trinken! Ein sehr feiner Tropfen, der eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Aber sie sind jetzt bei den beiden vermissten Weissensees gelandet.
"Also eines kann ich Dir sagen Bruno, wenn die Bergwacht und die Hubschrauberbesatzung aus Innsbruck Zweifel haben, dass die Gesuchten auf dem Gletscher verunglückt sind, dann wissen sie, wovon sie reden." In den letzten 30 Jahren haben die noch jeden gefunden, der als vermisst galt. Ich würde an eurer Stelle woanders suchen. Haben die Eltern von deiner Freundin nicht eine Wohnung in Innsbruck?"
"Ja schon, aber da hat Carla natürlich schon angerufen, ist niemand da. Die Nachbarin, die immer einen Schlüssel hat, ist extra noch mal rüber gegangen und hat nachgeschaut. Nichts Auffälliges. Sie haben letzten Mittwoch, also am 10. März gegen 11:00 Uhr Innsbruck mit dem Auto verlassen und sind ja auch nachweislich kurz nach dem Mittag im Hotel angekommen. Das Auto steht seitdem unberührt auf dem Parkplatz. Der Schlüssel ist an der Rezeption hinterlegt. Carlas Eltern fahren hier im Tal nicht mehr so gern mit dem Auto. Sie nehmen lieber den Bus oder gehen zu Fuß."
"Red mal mit dem Busfahrer, vielleicht hat der ja wirklich etwas gesehen."
Bruno stimmt ihm zu. Morgen soll das Wetter ja ohnehin nicht so toll werden, da kann er auf 's Skifahren gerne verzichten. Und wenn Carla nicht mit will, geht er eben allein. Hans beschreibt ihm noch genau den Leiter der Bergwacht, Hermann Gleyer.
"Ich habe mit ihm zusammen die Landwirtschaftsfachschule besucht. Er hat danach noch ein Ingenieursstudium absolviert. Er ist wirklich der beste, den wir haben. Wirst sehen, der versteht sein Fach und gibt immer alles. Verlangt seinen Leuten auch immer alles ab, kannst Robert fragen. Der hat auch schon die ersten Erfahrungen mit ihm gemacht."
Es ist inzwischen 23:30 Uhr geworden und beide sind müde. Sie stellen die Gläser weg und Hans entsorgt noch die leeren Flaschen.
"So kann keiner sehen, wieviel wir getrunken haben."
"Und Hans, machst du dir keine Gedanken wegen Anna? So, wie die sich aufgebrezelt hat..."
"Nein, da muss ich keine Sorgen haben. Sie ist eine junge Frau und macht sich gerne zurecht. Dabei bleibt es auch. Vielleicht kokettieren sie auch mal ein wenig, das gehört bei den Frauen dazu. Wir sind ja keine Hinterwäldler. Tiroler waren schon immer ein lebenslustiges Volk, es gibt sogar Lieder darüber und übrigens, ich mag auch gerne schöne Frauen."
Hans sieht ihn grinsend an.
Was meinst du denn jetzt?
"Gute Nacht Hans, vielen Dank für den schönen Abend und den vorzüglichen Wein."
"Gute Nacht Bruno, bis morgen."
Bruno schläft unruhig, träumt von Carla in einem schwarzen, hautengen Kleid. Sie steht mit dem Rücken zu ihm. Er möchte sie umarmen und greift nach ihr, kann sie aber nicht erreichen. Immer, wenn er zugreifen will, fehlt ihm die Kraft in den Armen. Endlich gelingt es ihm, aber Carla schreit auf. Sie windet sich in seinen Armen, versucht sich zu befreien, dabei dreht sie sich zu ihm um. Es ist ein schrecklicher Anblick. Carla hat kein Gesicht.
Neustift, Sonntag, 14.03.2010
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Bruno hat doch