Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer страница 17
„Welche -.“
„Das ist jetzt gleichgültig“, schnitt Narvidur Nils das Wort ab. Für längere Gespräche hatten sie wirklich keine Zeit. „Aber sobald sie ihren neuen Fürsten gewählt haben, werden die Steppenkrieger Gulhättan angreifen.“
„Gulhättan?“
„Die Hauptstadt der Bergkrieger“, erklärte Narvidur. „Sie liegt jenseits des Reservates in den Schneefuchsbergen.“
„Genau, das wollte ich dich schon gestern fragen, kam aber nicht dazu“, meinte Nils. „Was hat es mit dem Reservat auf sich?“
„Später, das ist eine lange Geschichte. Jetzt geh zur Tür und warne mich, wenn jemand kommt.“
Nils tat, was Narvidur verlangte. Die Tür stand noch einen Spalt breit offen. Nils blickte hinaus in den Flur. Er war leer. Dort lagen noch nicht einmal weitere Tote herum. Möglichst leise ließ er sie ins Schloss fallen und schob den Riegel vor. Jedenfalls konnte jetzt niemand mehr unbemerkt versuchen, in das Zimmer einzudringen.
Nils warf einen Blick aus dem nächsten Fenster. Zog sich aber gleich wieder zurück. Er schüttelte den Kopf. Nein, es war zu hoch. Für einen kurzen Augenblick hatte er gehofft, dass sie durch das Fenster aus der Burg verschwinden konnten, aber sie befanden sich wenigstens im dritten Stockwerk. Draußen wimmelte es von Kriegern. So weit er sehen konnte, wurde nicht mehr gekämpft, und wenn Narvidur Recht hatte, dann mussten es Bergkrieger sein. Nils atmete auf. Dann konnte ihnen nichts mehr passieren. Er hielt Narvidur immer noch für einen Angehörigen dieses Stammes, obwohl er nicht begriff, warum Narvidur sich nicht nur von ihnen nicht befreien lassen wollte, sondern es anscheinend auch vermied, ihnen zu begegnen.
„Was suchst du hier eigentlich?“, wollte Nils wissen.
Narvidur hatte sein Schwert auf den Schreibtisch gelegt und damit begonnen, Schubladen und Regale zu durchsuchen. Dabei arbeitete er zwar schnell, aber auch auffallend vorsichtig, als fürchtete er, etwas kaputt zu machen. Er riss keine Schublade heraus und verstreute ihren Inhalt auf dem Fußboden. Narvidur war so vertieft in seine Arbeit, dass er Nils´ Frage überhörte. Nils hoffte, dass der Rûngori bald finden würde, was er suchte, denn vielleicht kamen doch noch einmal Steppenkrieger, oder auch Bergkrieger, zu ihnen herauf. Nils schätzte die Gefahr, Letzteren über den Weg zu laufen, sogar als größer ein, denn soweit er sich erinnerte, war es auch bei den Menschen üblich, getötete Herrscher als Zeichen des Sieges öffentlich darzustellen. Je länger sie in diesem Zimmer blieben, desto mehr wuchs diese Gefahr. Vielleicht, darauf ließ Narvidurs Verhalten schließen, überschätzte Nils ja auch die Freundlichkeit der Bergkrieger. Außerdem war ihm die Burg unheimlich.
Die Minuten zogen sich hin und Nils wurde immer unruhiger. Gerade als er Narvidur noch einmal fragen wollte, worum es ging, um ihm vielleicht helfen zu können, fand dieser anscheinend, was er suchte.
„Ah, endlich“, sagte er und hielt eine kleine, braune Schatulle in der Hand. Er öffnete sie vorsichtig und nahm ein kleines Glasfläschchen mit einer goldenen Flüssigkeit heraus. Er hielt es ins Licht und betrachtete es beinahe ehrfürchtig. Dann schien er sich wieder daran zu erinnern, dass sie noch nicht in Sicherheit waren. Schnell steckte er das Flakon wieder in das Etui und verstaute es in seinem Gewand.
„Gut, damit wäre mein Auftrag erfüllt“, erklärte er. „Du wirst noch erfahren, um was es sich handelt. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir hier herauskommen.“
Damit sprach Narvidur Nils aus der Seele. Nils öffnete vorsichtig die Tür. Offensichtlich bestand noch keine Gefahr. Der Flur war nach wie vor leer. Nils ließ Narvidur vor, denn der Rûngori kannte sich offenbar in der Burg gut aus.
Nils´ Vermutung schien sich zu bestätigen. Der Rûngori traute den Bergkriegern wohl genauso wenig wie den Steppenkriegern, denn er bewegte sich mit erstaunlicher Vorsicht und nutzte jede Deckung, die er finden konnte. Er beobachtete jeden Raum und jeden Flur, bevor er ihn betrat.
In der Burg war es inzwischen erstaunlich ruhig geworden. Die Rûngori, denen sie begegneten, lagen entweder im Sterben oder waren bereits tot. Von den Verwundeten ging keine Gefahr mehr aus. Nur die hoffnungslosen Fälle waren zurückgelassen worden. Selbst wenn Nils und Narvidur die Zeit und die Mittel gehabt hätten, wäre ihnen nicht mehr zu helfen gewesen. Außerdem verstand Nils nichts von der Versorgung Verletzter. Zudem wurde ihm schon wieder übel, als er das Elend sah. Ihm grauste bei dem Gedanken, dass sie noch durch die Straßen der Stadt mussten.
So weit waren sie aber noch lange nicht. Völlig unerwartet standen ihnen zwei Bergkrieger gegenüber. Sie waren auf der Suche nach versprengten Steppenkriegern, die sich noch in der Burg herumtreiben mochten. Nils erkannte die Gefahr erst, als sie ihre Schwerter hoben – und ihre Schilde. Damit waren sie stärkere Gegner als die ersten beiden.
„Ehein Tasherir!“, rief der eine und sie stürmten los.
Nils hatte die Worte kaum gehört, geschweige denn verstanden, und er hatte auch keine Zeit, auf Narvidur zu achten. Zwar hatte auch Nils sein Schwert erhoben, mehr unbewusst als überlegt, trotzdem sah er sich von dem einen Angreifer schon über den Haufen gerannt. Erst im letzten Augenblick gelang es ihm, hinter einer Säule in Deckung zu springen. Sein Gegner war schnell und seine Augen leuchteten bedrohlich.
Es entstand ein seltsames, und wenn es nicht so ernst gewesen wäre, erheiterndes Schauspiel. Beide umkreisten sie langsam und sich abschätzend die Säule. Nils versuchte, seinen Gegner nicht an sich herankommen zu lassen, und der Rûngori versuchte, freies Kampffeld zu bekommen. Mehrmals schlug er zu, traf aber jedes Mal auf Stein, dass einzelne Funken flogen. Er war naturgemäß ein erfahrenerer Kämpfer als Nils und plötzlich änderte er seine Richtung. Unerwartet stand er genau vor Nils.
Doch der hatte dazugelernt. Dieses Mal parierte er die Schläge des Angreifers besser. Daran, dass er abermals rein instinktiv handelte, konnte es nicht liegen, denn so war es auch schon bei seinem ersten Zusammentreffen mit einem Krieger gewesen. Umso überraschter war Nils, als sein Gegner Schwert und Schild sinken ließ und röchelnd zu Boden sank. Wie Nils es auch immer angestellt hatte, er hatte ihm einen tödlichen Schlag versetzt. Nils war fassungslos. Steif und mit immer noch erhobenem Schwert betrachtete er, was er angerichtet hatte. Ehe sein Verstand wieder einsetzte, war sein Gegner tot. Es war das erste Mal in seiner Erinnerung, dass er jemanden getötet hatte.
Dann nahmen Nils´ Empfindungen überhand: Stolz und Siegeseuphorie, plötzliche und verspätete Todesangst, die Erkenntnis, getötet zu haben, Gewissensbisse, Reue und schließlich ein aufkeimender Schmerz im Arm.
„Zittern darfst du“, sagte eine vertraute Stimme neben ihm. „Aber fang nicht wieder an zu weinen. Er würde auch nicht weinen, wenn du an seiner Stelle am Boden liegen würdest. Und komm nicht mit dem Unsinn, man hätte ja vorher darüber reden können. Das hätte man nicht und du wärst nicht der Erste aus deiner Welt mit einem so blödsinnigen Vorschlag. Hier gab es nichts zu reden, nur zu handeln. Und, alle Achtung, du hast dich im Sinne des Wortes besser geschlagen, als ich zu hoffen wagte. Oh, du bist verletzt. Dorthin, ich werde dich verbinden.“
Für Narvidurs sonstige Gewohnheit war das förmlich ein Redeschwall, aber er bezweckte damit, Nils aus seinem Entsetzen zu reißen. Und er hatte Erfolg. Nils brach nicht wieder zusammen. Narvidur führte ihn in einen kleinen Raum und setzte ihn auf einen Stuhl. Kaum hatte er begonnen, die Wunde an Nils Oberarm freizulegen, fiel Nils dann doch in Ohnmacht.
„Ein schöner Krieger“, murmelte Narvidur kopfschüttelnd.
Nils´ Zustand